1. März 2008

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Man könnte annehmen, das „Phantom in der Oper“ habe ein Enkelkind mit eindeutigen Hardrock-Neigungen und dieser Sproß aus düsteren Ecken der Musikwelt sei auf meiner Küchencouch gelandet. Ganz falsch! Es ist mein eigener Sohn in angemessenem Skater-Outfit.

Die Textzeile auf der Brust besagt etwa: „Ich will das ganze Geld“. Das ist vielleicht eh nicht sehr viel mehr als eine Paraphrase des Rock & Roll-Motivs „Money for nothing and chicks for free“. Bei allen ideologischen Vorbehalten lese ich das viel lieber als die etwas älter Losung „Live fast, love hard, die young!“ Denn so kühn das auch klingt, beim Jung-Sterben haben sie damals nicht gerade Coolness zelebriert, sondern waren entweder high und angepißt oder Hackfleisch, wenn es per Porsche Speedster, wahlweise Flugzeug, gegen irgend einen harten Gegenstand gegangen war. Das ist demnach eine müde Nummer und „jung sterben“ meint nach meiner Vermutung doch nicht „jung sterben“, es meint eigentlich „nicht alt werden“.

Soll ich mich also aufregen, daß mein Sohn gelegentlich Kapuzen trägt, ziemlich grimmige Sätze herbetet und sich tätowieren lassen möchte? Das sind lauter Schrullen, für die man weder einen Chirurgen, noch einen Totengräber braucht.

Cut!

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Die meisten Liebhaber harter Road-Movies werden vermutlich nie bei einem Film von Claude Lelouch landen, daher auch diese fulminante Autofahrt nie sehen, mit welcher der Film „Weggehen und Wiederkommen“ eröffnet wird. Diese Sequenz gehört zum Beeindruckendsten, was ich bezüglich Autofahrt je im Kino gesehen hab. Aber viel gewichtiger ist freilich die Geschichte, die sich danach aufblättert ... und WIE sie rund um Musik von Rachmaninow aufgebaut wird. Huh! Eine enorme Lektion, wie Erzählen geht.

Cut!

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Dann verhake ich mich wieder in ganz trivialen Dingen. Zum Beispiel im kleinen Kummer, wenn ich an so eine Langnase des schwedischen Hauses Scania nicht näher herankomme, weil Zäune lückenlos sind und ich gar nicht erst herausfinden möchte, ob der Stellplatz von Hunden bewacht wird. Der Schnauzer ist eine Art fahrbare Förderanlage, wie der enorme Aufbau vermuten läßt. Solche Skulpturen aus der Arbeitswelt entwickeln mit verrinnenden Jahren und rieselndem Rost eine berückende Schönheit.

Cut!

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Veronika Seyr hat in "Der Standard" eine geharnischte Kritik Serbiens publiziert, in der sie auflistet, was unter Milosevic mit den Albanern des Kosovo getrieben worden sei. Vieles davon ist ohne Zweifel evident. Wir kennen die Effekte aus eigener historischer Erfahrung. Das Herabwürdigen und Herabsetzen von Bevölkerungsteilen eignet sich dazu, politisches Kapital zu schlagen. Außerdem kommt es dem Eigennutz vieler Menschen entgegen. Darum kann es schlagartig so populär werden. Wenn die „Albanci“ zu „Shiptari“ umgekupfert und an den Rand gedrückt, eingeschüchtert, marginalisiert werden, bleiben viele gute Jobs und gute Geschäfte für den Rest der Leute. So geht das. Solche Methoden sind international üblich.

In dieser Sache haben sich also ganz unbestritten zahlreiche serbische Leute hervorgetan und bereichert, sich Vorteile verschafft. Aber erklärt das die Situation in Kosovo und Metohia? Sicher nicht! Macht das die Probleme der Region während des 20. Jahrhunderts begreiflich? Sicher nicht. Es ist vor allem Episode während der Ära Milosevic, die, daran darf erneut erinnert werden, vom serbischen Volk selbst beendet wurde.

Wer erklärt uns in der laufenden Berichterstattung die Situation und Entwicklung, seit sich Albaniens Enver Hodxa FÜR Stalin, Jugoslawiens Broz Tito GEGEN Stalin entschieden hatten? Wer erklärt uns dieses Kräftespiel zwischen den Exponenten östlicher und westlicher Einflußsphären, in dem Menschen, in dem Völker überhaupt keine Rolle gespielt haben? Wer erklärt uns, warum die USA einer kriminellen Organisation, nämlich der UCK, in den Sattel und zu staatstragender Rolle verholfen hat?

Auch wenn Seyrs Aufzählung der Repressalien gegen Kosovo-Albaner unter Milosevic sich in Details sicher belegen läßt, ist das erstens keine redliche Darstellung der „Kosovo-Frage“ und verstellt es zweitens völlig den Blick, welche Interessen in dieser Region Wirkung entfalten.

Die Interessen Serbiens sind klar. Sie betreffen das staatliche Territorium. Sie betreffen aber auch Kirchen und Klöster, gegen die Albaner mit Brandsätzen und Sprengstoff vorgegangen sind, da war ihnen Milosevic noch nicht im Nacken. (Ich wiederhole gerne: Selbst die Atheisten würden in Österreich wohl gereizt reagieren, wenn sie den Stephansdom, die Mariazeller Basilika oder Stift Melk brennen sehen müßten.)

Über die Interessen der EU und vor allem die Amerikas lese ich kaum etwas in unseren Blättern. Deren Erörterung wird mir so oft durch den Ruf „Milosevic!“ verdeckt, verschleiert. Der Schwindel wird weiter getrieben ...

[Der "Balkan-Reflex"]


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