24. Februar 2008

Wir sind ja solche Schätzchen! Wenn "westliche" Nationen sich die Verhältnisse auf dem Balkan zurechtrichten, werden wir immer noch gerne glauben, daß dies nur im Interesse der südslawischen Völker geschieht. Ganz uneigennützig. Und was immer dabei schiefgehen mag, haben "die da" sicher selbst vermasselt, während wir ...

Manchmal bin ich unschlüssig, ob ich lächeln oder mich ärgern soll, wenn ich in Tagen wie diesen gefragt werde, ob ich denn nicht ein wenig "pro-serbisch" sei. Was, bitte, soll denn das heißen?

Bloß um es deutlich zu machen:
Wenn ich "pro-österreichisch" genannt werden dürfte, wäre ich dann "pro-SPÖ", "pro-ÖVP", "pro-FPÖ" etc.? Oder wäre ich gar "pro-Hitler"? Was sind denn das für trübe Kategorien? Wenn ich nun "ein wenig pro-serbisch" wäre, was würde damit gesagt sein?

Wir sind ja solche Schätzchen! Wenn "westliche" Nationen sich die Verhältnisse auf dem Balkan zurechtrichten, ... na, wir können uns gerne über den jugoslawischen Sezessionskrieg unterhalten. Der war ja ein bißl komplizierter als das gefällige Bild von einem "großserbischen Nationalismus".

Ich werde an keiner Stelle bestreiten, daß Milosevic und seine Gefolgschaft den Albanern des Kosovo auf unerträgliche und unakzeptable Art zugesetzt haben. (Serbien bezahlt für diese Vergehen, wie man sieht.) Deshalb sollte man aber nicht aus der Betrachtung ausblenden, welche aggressiven Provokationen von albanischer Seite mit Feuer und Sprengstoff im Kosovo Polje und in Metohia gesetzt worden waren. Das braucht man keineswegs gegen einander aufzurechnen, aber man sollte es mit einander betrachten.

Zur Illustration:
Man stelle sich vor, in Österreich würde ein Stück von Stift Melk weggesprengt oder Mariazell in Brand gesteckt, ein Stück vom Stephansdom eingeäschert. Es würden das auch ein großer Teil nicht religiöser Landsleute als einen "Angriff auf die Nation" werten.

Serbien hat das Kosovo nicht erst jetzt, sondern schon viel früher verloren. Das weiß man natürlich auch in Serbien. Wie smart von EU und USA, sowas formal genau dann auf den Punkt zu bringen, wenn ausgerechnet Slowenien den EU-Vorsitz führt. Wir sind ja solche Schätzchen, daß wir derlei für Zufall halten.

Wir sind ja solche Schätzchen, daß wir den Balkan vor allem als Quelle billiger Arbeitskräfte und teilweise als Urlaubsdestination begreifen. Daß "der Westen" dort seit ziemlich genau hundert Jahren eine ziemlich skrupellose Politik im ganz eigenen Interesse pflegt, ist in meinem Umfeld nicht gerade sehr geläufig, wie ich immer wieder feststellen darf.

Seit das Osmanische Reich sich im Zweiten Balkankrieg von 1913 aus der Region zurückziehen mußte, fahren westliche Mächte mit den südslawischen Völkern Programm zum eigenen Nutzen. Und das soll sich inzwischen geändert haben? (Fußnote: Durch diesen Krieg wurde damals Albanien unabhängig.)

Übrigens hatte schon 1908 das habsburgische Österreich das damals osmanische Bosnien Herzegovina annektiert, um seine Interessen auf dem Balkan hervorzuheben. Aber zurück in die Gegenwart. Was mir heimische Blätter momentan nicht gerade als Information aufdrängen:

>>The US maintains one of its largest military bases on European soil in Kosovo -- Camp Bondsteel, near Urosevac. Camp Bondsteel also serves as a base for so-called "renditions" involving the kidnapping and torture of alleged terror suspects. Washington’s military bases in the Balkans and Eastern Europe are part of the US strategy to encircle Russia by penetrating the former spheres of influence of the Soviet Union. At the same time, they serve to reinforce American influence in Europe.<< [Quelle]

Ohlala! Aus der selben Quelle erfahre ich auch:

>>Kosovo and the Balkans as a whole constitute an important access route to the Black Sea and the energy supplies of the Caspian Basin. There is currently a range of plans for competing gas and oil pipelines in which Kosovo plays an important role. Kosovo also has its own reserves of gold, lead, tin and brown coal.<<

Auf einer Page der Uni Kassel steht diese interessante Passage:

>>Wurden Terrorverdächtige von US-Geheimdiensten mit Hilfe der NATO-Verbündeten in illegale Verhörzentren verschleppt und mißhandelt? Die Tabuisierung dieser Frage ist in den letzten Tagen schwieriger geworden. Am 10. Januar hat der Europarat die NATO-geführte Kosovo-Truppe (KFOR) aufgefordert, Mitgliedern des Antifolterkomitees unverzüglich Zugang zu «allen ihren Gefangeneneinrichtungen» im Kosovo zu ermöglichen.<< [Quelle]

Ich wünschte, es würde anläßlich der Unruhen in Belgrad wegen der einseitigen Ablösung des Kosovo Polje auch angemessen dargestellt, welche Interessen EU und USA in dieser Region vertreten.

[Der "Balkan-Reflex"]


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