12. November 2007

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Nun ist "next code: flow" realisiert. Wir hatten im Kulturkeller auf dem Weizberg einen überaus lebhaften Abend, an dem hier in der Region mit Sicherheit eine weitere Markierung gesetzt wurde, die deutlich macht, daß die Kunst ist, was die Annahmen über sie sind.

Die Deutungen, die Antwortvielfalt, die Momente, wo sich etwas zu temporären Klarheiten verdichtet und ... alles, was da an Geheimnissen verbleibt.

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Es mag ja sein, daß da AUCH etwas ist, wenn sich Menschen gerade NICHT damit befassen. Etwas für sich Bestehendes. (Es gibt von Platon bis Popper Mutmaßungen über solche "Areale".)

Einer der vermutlich bedeutendsten Anstöße, den das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, ist, wie mir scheint, dieser: Wenn wir etwas anblicken, verändert es sich allein schon dadurch. Was wohl bedeutet, ein WERK hat sehr viel mehr Potenziale als es eine materielle Faktenlage hat. (Ich werde dazu noch etwas von der Meditation über den golden Löwen erzählen ...) Vorläufig: Wenn wir etwas anblicken, verändert es sich allein schon dadurch.

Diese Annahme besagt eben NICHT: Da bin ich und dort ist etwas Anderes. Diese Annahme besagt: Zwischen mir und jenem besteht eine Beziehung. Was immer einem selbst gelingen mag, was immer ich auf der materiellen Ebene hervorbringe, interessanter und bewegender ist für mich dieses "Dazwischen", das im günstigsten Fall folgt. (Es folgt nicht erst durch ein Auftreten von Publikum, es erfolgt schon zwischen mir und jedem meiner Arbeitsergebnisse.)

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Man kann es auch auf solchen Fotografien ausmachen. Wohin blicken diese Menschen?
Was drücken die Körper aus?

Wovon erzählen die Haltungen und die Blicke? Von Relationen. Das handelt auch von Abwesenden. Von Gegangenen. Denn was wäre in künstlerischer Praxis möglich und von Belang, ohne die unzähligen Vorleistungen, die von Anderen schon erbracht wurden? Erst dadurch besteht dieser Möglichkeitsraum, in dem uns Dinge gelingen. Virtualität findet Gelegenheit, zur Aktualität zu werden. Aktualität wird meist für Realität gehalten. Aber!

Realität ist vor allem eine Konsensfrage.

Ich hab sonntags in einem chinesischen Lokal ein kleines Kind beobachtet, das wohl noch keine drei Jahre alt war. Dieses Kind stieg auf einen Sessel bei einem Aquarium, drückte seine Nase an die Scheibe und rief: „Hallo Fisch!“

Dem läßt sich eigentlich nicht widersprechen. Es war ein in sich so perfekter Moment. Wer dem Kind zurufen wollte, daß sowas aussichtlos oder was auch immer sei, hat keine Ahnung von der Schönheit solcher Augenblicke.

Dieses Ereignis, wenn man es als Gleichnis verstehen kann, sagt unendlich viel darüber, wovon die Befassung mit Kunst handelt. Das Staunen, die Emotionen und das Einführen einer Realität, die an keiner Stelle sich am Alltagsnotwendigen reibt und dort hängenbleibt. Eine unübertreffliche Art des Einverständnisses mit einem Moment, den man selbst erschaffen hat. „Hallo Fisch!“ zu rufen ist auf eine herausragende Art radikal.


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