8. Oktober 2007
Das Erdgeschoß des Hauses ist als
"herbst_raum" definiert. Aber im Alltag bewährt sich offenbar die
Sprachregelung "Die Galerie". Die Radiosendung mit Jörg Vogeltanz und Mirjana
Selakov war samstags im Kasten und wird kommenden Dienstag ab 23:00 Uhr im "Nekrolog"
auf "Radio Helsinki" gesendet.
Hier war ich noch unbeschwert im Plauderton
mit dabei. Aber als nun die Anspannungen der vergangenen zwei Wochen nachließen,
dämmerte mir ein Bruch, der schon absehbar gewesen ist, ich hab ihn bloß nicht
wahrgenommen. Diese Position vor allem bildender Künstler, die nun zunehmend, wie ich
sehe, Aufträge, Finanzierungen voraussetzen, um sich überhaupt zur Realisierung eines
Werkes aufzuraffen. Für mich erwächst daraus ein enormer Klärungsbedarf.
Klärungsbedürftig erscheinen mir auch
gesprayte Statements, die dieser Tage in Gleisdorf aufgetaucht sind. Offenbar ist Aladins
Wunderlampe im Zentrum des Spraymotivs, was nicht speziell auf die Türkei, aber auf den
"Orient" verweist. Wie ist das gemeint? Kolonalisierung des Orients mittel Euro?
Eher nicht. "Orientalisierung" Europas? So wirds vermutlich gemeint sein und ist
mir nettes Dekor am Rande unserer "Strecke", die von Wien über Beograd nach
Istanbul reicht.
Ich bin natürlich auf Vermutungen angewiesen,
halte das also für ein Statement gegen den "Orient". Welche Positionen das
reflektiert, ist nicht so rätselhaft. Man könnte es "kleinwestlich" nennen.
Genauer betrachtet ist es aber "nachwestlich". Denn der europäische
"Westen", der auch als "christlicher" Westen verstanden wird, wurzelt
kultur- und ideengeschichtlich, wurzelt mit seiner blühenden Gegenwart tief in
Verbindungen und Wechselwirkungen mit dem "Osten", mit dem "Orient".
Erst eine "postnationalistische"
Deutung Westeuropas, also ein "Westen" NACH den räuberischen Nationalismen des
20. Jahrhunderts, bevorzugt offenbar eine Art "kleines Europa", demnach vor
allem kleines "Westeuropa", gemessen an der Geschichte von wenigstens
zweitausend Jahren wäre das ein "Nacheuropa".
Denn was sich vaterländische und
katholisierende Akteure da ausmalen, was sie nach außen vertreten, was sie besingen und
bewerben, hat alles verschenkt und verdrängt, was dieses "große Europa", auf
das sie sich berufen, ausmacht. (Groß meint hier nicht relational zu anderen Regionen der
Erde, sondern in sich groß durch die Vielfalt und Kontraste.)
Der Sonntag zeigte sich mit spätsommerlicher
Kraft. Die Installation von "machfeld" sorgte nach der vormittäglichen Messe am
Kirchriegel für allerhand Betrachtungen.
Gegen Mittag stellt sich in einem Maße Besuch
ein, daß Kuratorin Mirjana Selakov nicht über Langeweile zu klagen braucht. Schließlich
kommt auch das "SPLITTERWERK" mit einem Gast aus Wien ein und ich komme zu
einigen Klärungsschritten bezüglich der offenen Fragen, die ich eingangs angerissen hab.
Sich für künstlerische Arbeit schon vorab
Finanzierungen, beziehungsweise Aufträge zu beschaffen, respektive die Einladung zu einer
Ausstellung nur anzunehmen, wenn auch eine Finanzierung der Arbeit gesichert werde,
erschien mir zutiefst irritierend. Ich halte es auch für problematisch.
"SPLITTERWERKer" Mark Blaschitz, der
im Kunstbetrieb an vielen Ecken versiert ist, hielt mir entgegen, diese Auffassung sei
wohl meiner Herkunft aus der Literatur zuzuschreiben, in den bildenden Künsten sei das
aber ganz normal und üblich.
Aber das hieße doch, sich zurück in die
Abhängigkeit von Fürst und Bischof zu begeben, wandte ich ein. Das hieße doch, hinter
die Renaissance zurückzurennen. Blaschitz überlegte ein Weilchen, das ist so seine Art,
zu schnellen Antworten läßt er sich gar nicht gerne hinreißen, lächelte dann und
sagte: "Nicht ganz. Es hat doch bis zum Barock gedauert."
Was? Na, wissen wir schon. Das Durchsetzen der
"Autonomie der Kunst" und der Auffassung, daß die Kunst keines Auftrags von
höchster Instanz bedürfe, sondern sich selbst der Auftrag sei. Was natürlich für die
Frage der Finanzierung der zu leistenden Arbeiten enorme Konsequenzen hatte. Aber
immerhin, Fürst und Bischof waren dabei im Rang zurückgesetzt und ... ja was und?
So, jetzt hab ich den Salat. Die ganze Branche
ist offenbar längst an anderen Grundsätzen orientiert, durch welche die Vorstellung der
"Autonomie der Kunst" meines Erachtens mehr als geschwächt auf den Beinen
steht, außer man darf damit rechnen, es gebe ausreichend kunstsinnige und erfahrene
Fürsten wie Bischöfe, die geneigt und in der Lage wären, den Laden wieder zu
übernehmen.
Aber diese Vorstellung ist natürlich Unfug.
Denn es hat das mittlere Management den Laden übernommen. Und während wir in der Stadt
"next code: love" zeigen, während in eben diesen Tagen NACH der Eröffnung jene
blauen Sprayarbeiten auftauchten (siehe oben), die ich der "kleinwestlichen
Liga" zurechne, plakatierte die Besatzung eines Drogeriemarktes, womit wir zu rechnen
haben. Die Verknüpfung der Kategorien Fitness, Liebe und Körperfett läßt ja an
pragmatischer Brutalität nichts zu wünschen übrig.
Diese Art der Betrachtung dominiert in den
Companies, die den Markt dominieren. Leute, die so werben lassen, sind kein
vielversprechender Ersatz für die Fürsten und Bischöfe, denen einst die Förderung der
Künste angelegen war.
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