6. August 2007

Kunstradio Kanal 7:
"SCHREIBEN AUS/IN DER PERIPHERIE"
Medienkulturgespräch live aus dem Dock18 und per Skype/Stream
Ab 19:00 Uhr. [Radio-Stream via Internet] [Info]


Die Planerin Barbara Baumgartner überprüft einen der mächtigen Kübel, in dem Bäume auf dem neu gestalteten Hauptplatz Gleisdorfs mobil gehalten wurden, um Schatten zu spenden. Die Betonkübel wurden als winterfest angeboten, dabei scheint dem einen oder anderen schon der Sommer zuzusetzen.

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Es gab ausladende Debatten über den Baumbestand des Hauptplatzes. Freilich ist eine glühende Sonne zu fürchten, wenn man sommers auf einem Platz verweilen möchte. Andrerseits wird man etwa im Süden auf dieser und jener Piazza kaum Bäume vorfinden. Die Plätze einer Stadt haben gewöhnlich andere Funktionen als ein Park. Und die Gesdtaltungsfragen? Lauscht man der Stimme des Volkes, fällt einem auf, daß die Kitschkönige schon in Position sind:

>>Ich weiß, dass Geschmäcker verschieden sind, sehr viele Menschen geben mir recht, wenn ich meine, dass die alte Hauptplatzbeleuchtung wesentlich schöner war, als das jetzige übermoderne Gestänge. [02.08.2007 11:35 ein Innenstadtbewohner]<<

Was da als "übermodernes Gestänge" vorgeführt wird, ist von wohltuender Schlichtheit und klarer Linie: Schnörkellose, schlanke Stahlzylinder. Während die vorangegangene Hauptplatzbeleuchtung aus den Albträumen von Gartenzwergen zu entstammen schien.

Vom Sockel bis zum lackierten Köpfchen ungefähr "Art Deco" für arme Leute, an dem die griechischen Antike vorbeigeschrammt hat; am ehesten verchromte Hutständer, die vor allem in der Adventzeit zu schreienden ästhetischen Grausamkeiten verkamen, weil sie dann mit Metallprofilen verschraubt wurden, auf denen Leuchtkitsch und Lautsprecher montiert wurden.

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Mit dem Anschrauben von Accessoires, wie etwa auch Hinweistafeln, läßt sich fast jedes Design ruinieren und dem schlechten gibt man so den Rest. Ich bin froh, daß ich solchen Schund nicht mehr sehen muß.

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Das findet man also schöner? Ich empfehle in derlei Situationen gerne: Besuchen Sie doch einmal die vorzüglich sortierte Buchhandlung Plautz und bitten Sie, daß man Ihnen eine Stilkunde vorlegt. Blättern Sie ein Weilchen darin, die Sitzmöbel im Geschäft sind höchst komfortabel und zuweilen bekommt man auch einen Kaffee angeboten. Hinterher werden Sie die Stadt vielleicht mit etwas anderen Augen sehen.

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Einen ähnlichen Befund erhielt der Neubau hinter dem Rathaus, dem ein veraltetes Ex-Feuerwehr-Rüsthaus weichen mußte, an dem man keinerlei architektonische Besonderheit feststellen konnte:

>>Schade um das alte Rüsthaus, dass einem supermodernen Neubau weichen musste. Ähnlich ist es auch beim Schwimmbad, mir hat das Alte weit besser gefallen als das Neue, es war einfach viel mehr Atmosphäre. Mir scheint, dass das neue Schwimmbad auch weniger besucht wird als das Alte - somit dürften Andere das ähnlich sehen wie ich. SCHADE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! [27.07.2007 08:50 ein kritischer Gleisdorfer]<<

Was meint man denn eigentlich mit "übermodern" und "supermodern"? In der Architektur hat die "Klassische Moderne" rund hundert Jahre auf dem Buckel, ihre Wurzeln liegen im 18. und 19. Jahrhundert, wir leben im 21.

Vielleicht heißt das alles bloß, daß manche Menschen jede Art von Veränderung mißbilligen. Die Architekturbüros würden am besten Villen und Amtsgebäude aus der Gründerzeit ausspucken. (Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.)

Zur "Moderne" gehören drei Ansichten, die inzwischen so alt sind, daß man sie längst überrennen darf. Mies van der Rohe meint ungefährt: "Weniger ist mehr". Louis Sullivan empfahl, daß die Form der Funktion folgen solle und Adolf Loos hat das Ornament am Bau für ein Verbrechen gehalten. (Eine Position, gegen die das "SPLITTERWERK" vergnügt anrennt.)

Ich bitte also sehr darum, daß aktuelle Architektur "übermodern" sein möge. Es stehen genug alte Hütten herum, in die sich die Schreckhaften zurückziehen mögen.


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