27. Mai 2007

Eine Nachricht an mich lautete dieser Tage: "U Srbiji smo!" ("Ich bin in Serbien.") Das erinnerte mich an eine Bahnfahrt nach Beograd, bei der ich vom Waggon aus gesehen hab, was "Idem na divan" bedeutet, also: "Ich gehe Divan". Wenn die Frauen eines Dorfes an der Straße beisammensitzen, Kinder um sie herum ... Vordergründig neigt man vielleicht dazu, solche Szenen für einen Ausdruck von Rückständigkeit zu halten.

Es erinnert aber eigentlich daran, wie sehr WIR uns aus dem öffentlichen Raum haben von den Maschinen verdrängen lassen. Die Kleinstadt Gleisdorf stellt das exemplarisch dar. Hitzige, oft äußerst aggressive Debatten darüber, wie man dem Autoverkehr in der Innenstadt noch mehr Raum verschaffen könnte, decken völlig zu, daß man hier zunehmend vor völlig rücksichtlosen Leuten in die Knie geht.

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Welchen guten Grund kann jemand haben (vielleicht eine akute Herzattacke ausgenommen), um den Menschen sogar auf dem Gehsteig den Raum mit der eigene Maschine so zu rauben? Mich interessiert solches Verhalten überhaupt nicht von der moralischen Seite. Ich möchte einfach den Anspruch auf Raum verhandeln. Ich will nicht auf solche Art bedrängt, verdrängt, zur Seite geschoben werden.

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Die Einfahrt links hinter diesem Wagen führt auf einen riesigen Parkplatz. Wer hier mit einem Kinderwagen oder Rollstuhl vorbei möchte, hat Pech gehabt. An meiner kleinen Fotosammlung fällt mir auf, daß dieses Genre von Leuten der Mittelklasse aufwärts dominiert wird.

Aber zurück nach Serbien. Eine andere SMS von Kuratorin Mirjana Selakov besagte, sie sei im Bus nach Beograd und: "Novi Sad war ein Traum". Novi Sad ist die Hauptstadt der serbischen Vojvodina, wohin unser Blick von der Oststeiermark aus reicht. Denn so man in seinem Denken nicht an Landesgrenzen hängenbleibt, wenn man sich demnach fragt, welche weiterreichenden Zusammenhänge in diesem Teil Europas wirken, erscheint es recht sinnvoll, bis Novi Sad zu blicken. Selakov bespricht sich in Beograd eben mit den serbischen Crew-Members von "next code: love".

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Und ich hab mich zur gleichen Zeit mit Hannes Felgitsch, dem Gleisdorfer Kulturrefrenten, besprochen. "Personal Space", Wechselspiele zwischen privatem und öffentlichem Raum, welche Regelsysteme wirken? Welche Aspekte sind als kulturelle Themen zu bearbeiten?

Bei genau solchen Fragen setzt ja auch das Konzept von "Leben/Kunst/Geschwindigkeit" an. Diese Gesellschaft zeigt sich mit Schlagseite über immer mehr "Beschleunigungs-Opfer", die in verschiedenen Prozessen aus ihren sozialen Standorten geworfen werden. Das drückt sich eben auch über Zustände im öffentlichen Raum aus. Was ja nicht über Polizeigewalt regelbar wäre. Darin sind politische Aufgaben angelegt, darin drücken sich kulturelle Defizite aus.

Ich gehe davon aus, daß solche Fragen nicht über Belehrungen bearbeitet werden können, sondern durch Einflüsse auf öffentliche Diskurse.


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