22. März 2007

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Ich hatte gestern einen neuen "Caddy" zu fahren, dritte Generation, ein feiner Kasten, der sich mit unglaublicher Leichtigkeit bewegen läßt. Die erste Generation war bei uns in den Straßen kaum je zu sehen, seinerzeit hat es für die kleinen Pickups, die unter anderem in Slowenien gebaut wurden, offenbar noch keinen Markt gegeben. Umso überraschender war es, daß ich bei meiner Ausfahrt ausgerechnet hinter den sieben Bergen einen Einser-Caddy zu sehen bekam ... und flott in den Graben abgebogen bin. So sieht man hier die Differenz von 25 Jahren stehen.

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Nachmittags mit Herta Tinchon, die zur Crew von "next code: love" gehört, auf ein Plauderstündchen ins Café. Ich hab aus einem David Cronenberg-Film, nein, genauer: aus einer Dokumentation darüber, ein paar Szenen gestanzt und angefangen, diese zu einer neuen Erzählung umzuhämmern.

Das führt nun in eine "Call-Response-Situation" mit Herta, die Malerin ist und grade wieder Lust auf große Formnate hat. Aber was? Und wie? Genau! Deshalb sitzen wir gelegentlich im Café und erörtern Abschnitte des Prozesses. Als ich mich auf eine Grundlage der griechischen Tragödie berief, daß man nämlich durch Furcht und Mitgefühl zur Katharsis gelangen könne, nicht müsse, aber könne, blieb Herta mehr als skeptisch. Ihr schien das gar nicht zu gefallen und sie äußerte Zweifel an diesem Konzept. "Wir müssen es Aristoteles nicht abkaufen. Es ist bloß ein Bezugspunkt", meinte ich. Auf Aristoteles kam ich dann am Abend noch. Aber vorher fiel mir eine Notiz in der "Kleinen Zeitung" auf:

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Bloß: WAS könnte einem da auffallen? Wenn ein Journalist des "Katholischen Pressvereins" das Rufen der Muezzins in Summe als "das vielstimmige Geplärre" herausstellt, ist ihm seine Pofessionalität ausgerutscht. Vor allem ist dies aber eine Echo der verächtlichen Ansichten, wie sie prominent der vaterländische Hace Strache mit seiner Entourage vertritt. Leute, von denen ich mir hab erzählen lassen, wie störend die Muezzine in Kairo angeblich seien, wenn man morgens in seinem Hotelzimmer noch mit Schlaf und Ruhe rechne. (Ich meine, der Fachausdruck für das Problem solcher Reisenden lautet "Idiosynkrasie". Wozu sie reisen, bleibt ein Rätsel.)

Indem ein Medienprofi solche Sprachregelungen ("Geplärre") übernimmt, läßt er zu, daß die Menschenverachtung im Alltagsdiskurs befestigt und legitimiert wird. Die Wortkombination "Moschee, Muezzins, Geplärre" in nur drei Zeilen bewirkt schäbige Aha-Effekte. Da hat die nationalistische Politik schon vorgebaut. Die Praxis des Banalen feiert sich in solchen Vorspannen.

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Aristoteles. Abends saß ich über den Bändern meines Gespräches mit Dzevad Karahasan, ein Autor, ein bosnischer Moslem, der mit dem Schüler des Platon gut vertraut ist ("Aristoteles, auf den sie sich stets berufen, seit Thomas von Aquin ihn ihnen erklärt hat, sie berufen sich hartnäckig auf Aristoteles, und der war ein Angestellter am balkaneser Hof der Mazedonier."). Er meinte an einer Stelle unserer Plauderei mit ironischem Unterton:

>>Und wie gesagt, wenn Herr Strache bei bis zu 15 % bleibt, ist die Welt in Ordnung. Die Welt fängt an, problematisch zu werden, wenn die Philosophieprofessoren, der Schreiber, hoch positionierte Intellektuelle die selben Vereinfachungen verwenden.<<

Dieses andauernde und höchst suspekte Produzieren von Abschätzigkeiten, von Feindbildern, das sich als Trennendes hervortun will, hat einen gut durchschaubaren Hintergrund. Ich habe es in der "Schlußszene" unseres Gespräches knapp skizziert gefunden. Dabei hatte ich Dzevad folgende Überlegung vorgelegt:

"Eigentlich scheint mir das 20. Jahrhundert voller Erfahrungen, die uns alle, ich sag es pathetisch, zu Brüdern und Schwestern machen. Wir haben so eine Fülle an vergleichbaren Erfahrungen, daß wir doch enorm viel von einander wissen ... wissen müssen, wenn wir diese Erfahrungen ernst nehmen. Noch dazu vor dem Hintergrund, daß jetzt mindestens innerhalb EU-Europas die 'Ausländerschaft' abgeschafft wurde. Das hat sich noch immer nicht so ganz herumgesprochen. Eigentlich verbindet uns das 20. Jahrhundert mit all seinen Katastrophen und Massakern. Wir sehen, wir haben die gleichen Fehler gemacht, die gleichen Irrtümer und die gleichen Verbrechen begangen, ..." Darauf meinte er:

>>Die ganze Zeit des Krieg auf dem Balkan habe ich in Belgrad viel mehr Freunde gehabt als Milosevic. (lacht) Belgrad ist heute noch 'meine Stadt'. Viel mehr. Weißt du, ich hab in Belgrad publiziert, in Zagreb auch. Wenn ich dich paraphrasieren darf: Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert von Totalitarismen. Kommunismus, Nazismus, Faschismus. Es endete mit dem schrecklichsten aller Totalitarismen, dem ökonomischen Totalitarismus.<<

("Wie ist das gemeint?")

>>Buchstäblich. Es gibt einen einzigen Wert, den finanziellen Wert. Es gibt eine einzige Macht, die Macht des Geldes. Schluß! Im ökonomischen Totalitarismus darfst du glauben was du willst. Du darfst reden was du willst. Du kannst publizieren was ich zulasse. Du darfst was ich zulasse.<<

[Der "Balkan-Reflex"]


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12•07