10. März 2007
Es ist nicht ganz amtlich, wenn ich meinem Dämon Vogeltanz über die Schulter schaue,
während er noch in der Entwurfsphase tätig ist. Und wenn ich daraus Details preisgebe.
Aber ich bin, wie gestern schon angedeutet, von
diesem Abschnitt der Prozesse sehr fasziniert. Wo etwas wird, formal auf den Punkt kommt,
wenn auch, wie hier, teilweise noch Blindtext im Einsatz ist, wenn Platzhalter dem
Kommenden Raum sichern, wenn sich dies und jenes noch ändern mag ...
Und ich bin gebannt, wenn ich sehen kann, wie jemand
Komplexität mit außersprachlichen Mitteln zur Kommunikation überleitet. Dieses
"Erzählen", das uns mit anderen, vor allem auch fernen Menschen verbindet.
Daß man sich
selbst in solchen Prozessen gelegentlich fremd werden kann, ist dabei wichtig.
Unverzichtbare Momente. Die sich oft nur einstellen, wenn es eben diese prozeßhaften
Verstrickungen gibt. Ich hab gar keine andere Wahl,
finde mich in der Suche nach jeweils nächsten Klärungen zum prozeßhaften Arbeiten
getrieben; auch in die Auseinandersetzung mit Menschen aus verschiedenen Disziplinen und
Kulturen gedrängt. Ständig beginnt etwas, kaum etwas endet, nichts mag auf sich beruhen.
Ich muß also meine Projekte langjährig anlegen und bearbeiten, der Komplexität laufend
Überschaubares abringen, um diese Überschaubarkeit erneut zu verlieren.
Es ist mir nie ganz klar, ob mich diese vielen
Möglichkeiten, die jeder Eingrenzung widerstehen, vor allem glücklich machen oder zur
Verzweiflung treiben. |
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Aber in der kontinuierlichen Kommunikation mit den
inspirierten Menschen, die sich auf meine Vorhaben einlassen, findet diese art under
net conditions immer wieder faßbare Bahnen, in denen ich handlungsfähig bleibe und
mich zurechtfinde.
Cut!
In der abgelaufenen Woche bin ich wieder einem sehr
haltbaren Klischee begegnet, welches sich offenbar rund um die künstlerische Praxis nicht
aus der Welt räumen läßt. Daß es nämlich einen kausalen Zusammenhang zwischen
Mittellosigkeit und bestimmten Formen der Kreativität gäbe.
Wobei man typische "no na net-Schlüsse" ruhig
beiseite lassen mag. Denn selbstverständlich entwickelt ganz andere Strategien und kommt
zu anderen Lösung, wer jeden Tag das verbleibende Geld zählen muß und an manchen Tagen
überhaupt keines mehr in Händen hat.
Wer dagegen weitgehend frei von finanziellen Sorgen dieser
oder jener Tätigkeit nachgeht, pflegt keineswegs die gleichen Modi. Na sowas! Klar! Worum
es hier geht, ist eine Gegenposition zu jenem sozialdarwinistischem Geschwätz, das
interessanterweise nicht von den Habenichtsen kommt, sondern von den Gutsituierten. Diese
dümmliche Unterstellung, Armut oder mindestens Ärmlichkeit sei der Kreativität
zuträglich.
Ich sage dazu gerne: Niemand hat ein Talent zur Armut.
Warum wohl? Weil Armut demütigt und beschädigt. Eine ganz andere Sache wäre
selbstgewählte Genügsamkeit, auch: Entsagung. Das Asketische als ein kulturelles Gut hat
andere Wurzeln, andere Bedingungen, also auch andere Wirkungen, denn aufgezwungene Armut.
Solch Debatten, wenn künstlerisches Tun der Anlaß ist,
machen auch darauf aufmerksam, wie verwaschen allgemein die Vorstellungen sind, was
künstlerische Berufe angeht. Professionalität, das ist auch Kunstschaffenden selbst oft
ein inferiores Thema.
So drücken sich schlampige Weihespiele aus, in denen die
Weigerung vorherrscht, über jene Ebenen von Kommunikation zu reden, in denen Geld das
Medium ist und der Austausch von Geld einen unverzichtbaren Teil der Interaktion ausmacht.
Statt dessen wird das Kunstfeld zu einer idealisierten "Sonderzone" stilisiert,
in der Geld als etwas Anrüchiges gilt. Was für ein Unfug!
Prüderie in diesem Bereich ist etwas Sektenhaftes.
Jemandem zu unterstellen, daß geringes Einkommen der Kunst gut täte, ist eine infame Art
der Herabwürdigung, die man mindestens bei den zynischen Ökonomen des Frühkapitalismus
erdacht und beschrieben findet. Wo solche Kreaturen den Fürsten empfahlen, das Volk hart
anzupacken und knapp zu halten, damit ein ausreichender Antrieb zur Arbeitsleistung
entstehe.
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