13. Februar 2007

Wenn Nataša, die von ihrer Mutter nach der eigenwilligen Rostowa aus Tolstojs "Krieg und Frieden" benannt wurde, auf dem Weg von Deutschland nach Bosnien ist oder umgekehrt, wenn sie in Graz Station macht, ist klar, daß Mirjana und sie nicht so bald ins Bett kommen. Ich bekomme dann zu sehr später Stunde oft noch Nachricht.

So nun, nach dem die beiden sich den alternden Gérard Depardieu in "Chanson d´amour" angesehen hatten, was offenbar darin deprimierend ist, daß sehr deutlich wird, was genau den alternden zum alten Mann macht. Daß er nämlich, das hab ich erfahren, dauernd von der Vergangenheit redet.

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Apropos Rostowa. Bei der etwas plüschigen Verfilmung von King Vidor (1955) kann man nur staunen, wie erheblich die Diskrepanzen zwischen den originalen Textpassagen des Filmes und der Übersetzungsleistung ist. Nicht nur die stimmlichen Charaktere im Deutschen machen, gegenüber dem Original, richtiges Spießbürgerkino daraus.

So sagt zum Beispiel Pierre Besuchow (Henry Fonda) im Original während einer Schlachtszene etwa "Verdammter Napoleon! Zur Hölle mit dir!", was in der Übersetzung auf ein entschärftes "Herr, mach eine Ende!" hinausläuft.

Der Screenshot, den man oben sieht, zeigt Besuchow beim Besuch einer Kirche. Die verwestlichte Vorstellung eines orthodoxen Gottesdienstes, wo nun mal nicht gesessen wird. Über die Eigentümlichkeiten orthodoxer Religiosität, in der religiöse Praxis sehr viel mehr zählt als etwa Theologie, hab ich gerade quasi von der Couch aus wieder einiges erfahren.

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Nach langen Bildschirm-Sessions und abendlicher Lektüre bin ich mit den Augen öfter am Rande meiner Möglichkeiten. Weshalb ich mir nun die Ausweichmöglichkeit es "Hörbuches" erschlossen hab. Für 50 Cent oder einen Euro in der lokalen Bücherei verfügbar, das sind passable Optionen.

In dieser Geschichte von Anton Tschechow, worin die Cousins Matwej und Jacow während der Fastenzeit darüber aneinander geraten, ob man zu den Speisen Öl verwenden dürfe oder nicht, findet man sehr eindringliche Schilderungen orthodoxer Religiosität.

Cut!

Noch ein Apropos. Es hat was Deprimierendes, wenn aus einem "Rebellen" ein Spießbürger wird. Aber das muß einem natürlich freistehen.

Ich erinnere mich, daß der künstlerisch eindrucksvolle Günter Brus vor einigen Jahren die Gruppe "G.R.A.M." öffentlich für deren Umgang mit dem Thema "Aktionismus" gemaßregelt hat.

Das war so ein unangenehm erzbischöfliches Verhalten, was er da wie angebracht hat.

In der aktuellen Ausgabe der Grazer Kulturzeitschrift "80" steht ein ganzseitiges Interview mit Brus, in dem er sich selbst so konsequent hinrichtet, daß man eigentlich nur betrübt sein kann.

Ich muß hier, in der Kleinstadt, schon ein Weilchen suchen, um so einen Spießbürger zu finden, wie er sich in der nebenstehenden Passage ausdrückt.

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7•07