2. Mai 2006
Falls man jahrein jahraus jeden Tag einige hungrige Mäuler
satt bekommen muß, wird man zum Kochgeschäft im günstigsten Fall eine ganz unaufgeregte
Beziehung finden. So stelle ich mir das vor. Obwohl die Legende besagt, daß es Menschen
gibt, denen der heimische Herd eine Weihestätte ist. Positiv betrachtet, es bringt
Vorteile, wenn man sich Alltagsroutine mit erhebenden Legenden versüßen kann.
Ich hab einen nur kleinen Haushalt zu bewältigen. Der es
mir erlaubt, die Vergnügen von Nischensituationen auszukosten. Also beispielsweise einen
Semmelknödel zu bestaunen. Der mir formal und haptisch als Sensation zwischen den
Kochtöpfen erscheint.
Wozu Milch, Eier und Semmeln führen können, das darf ich
als bekannt voraussetzen, hat der radikale Karl Valentin
erschöpfend behandelt: "Semmel ist die Einzahl, das mußt Ihnen merken, und Semmeln
ist die Mehrzahl, das sind also mehrere einzeln zusammen. Die Semmelnknödeln werden aus
Semmeln gemacht ..."
Die Diskrepanz zwischen Regelwerken der Schriftsprache und
lebendiger Kommunikation haben solchen Zugriff verdient. Eigentlich sollte man statt der
Worte jene Experten zausen, die einem mit ihren Schrullen ein Expertenwissen vor die Nase
wuchten, das einer unerklärten Hierarchie gewidmet ist.
Was man allein schon daran festmachen kann, daß auch die
jüngste Rechtschreibreform neue Trennlinien gezogen hat, um die Anwendung von scharfem S
und doppeltem S in verschiedene Bahnen zu lenken. Was soll den Schrift leisten? Sie soll
Laute notierbar machen.
Was man in der slawischen Kultur praktisch gelöst hat. Ein
Laut = ein Zeichen. Ein "š" notiert unser "sch". Das "è"
notiert ein "tsch". Und so fort ... Wenn wir dagegen zwei verschiedene
Zeichenkombinationen verwenden, um Laute zu notieren, deren Klang für niemanden zu
unterscheiden ist (oder wie klingen denn scharfes S und doppeltes S verschieden?), dann
ist der Schrift ganz offensichtlich ein weiterer Zweck aufgebürdet. Als nur Laute zu
notieren. Wozu das im Sinne der eigentlichen Aufgabe eines Alphabets gut sein soll, konnte
mir noch niemand schlüssig erklären.
Aber zurück zu den "Semmelnknödeln". Valentin
spielt da natürlich mit Ebenenwechsel. (Wechseln?) Es gibt dazu eine "buddhistische
Lösung", die ich sehr interessant finde. Daisetz Teitaro Suzuki erläutert in
einem seiner Bücher den "Traktat vom goldenen Löwen". In dem unter anderem
erörtert wird, was an einem goldenen Löwen das Gold und was der Löwe sei:
"Wenn die wechselseitige Bedingtheit von Gold und
Löwe / Leere und Form / erkannt wird, bleibt keine falsche Vorstellung mehr
zurück."
Leere und Form. Ich bin von dieser Themenstellung andauernd
umgeben. Gestern sah ich mir in Gleisdorf eine im Abriß oder Umbau befindliche
Autowerkstatt an. Um etwa ein Schattenspiel zu entdecken, das da bloß für kurze Zeit dem
rechten Teil des Tores eine ungewohnte Struktur gab ...
Eine andere Abgrenzung in Graz, hinter der ein ebenso
kleines wie lautes Hündchen sich dem Amt der Revierverteidigung widmet, gibt einem diesen
bescheidenen Witz mit auf den Weg:
Immerhin, gut bezahltes Kabarett nimmt hierzulande oft
keine höhere Hürde. Es ist also ganz lustig und überdies für den Passanten kostenlos
...
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