3. April 2006 Lebhafte
Tage, Baltic Boy und Balkan Boy, schwere Theoriearbeit im "forum stadtpark", Thomas Mann und
>>under.ctrl / graz launch: interfaces of control mechanisms"<< ...
so der Titel einer Tagung im "forum". Under Control. Codes für Maschinen und
für Menschen ... wie wird das geordnet, wie wird darüber Herrschaft konstituiert und
durchgesetzt?
Im Zentrum dieses Fotos übrigens Eva Ursprung, am Podium unter anderem
Andreas Leo Findeisen (A) und Marina Grzinic (SLO) bei der Arbeit. Warum ich es erwähne?
Unter anderem, weil hier noch ein paar Erörterungen zu führen sein werden, aus welchen
Quellen künstlerisches Schaffen schöpfen mag.
Worüber ja immer wieder kuriose Annahmen kursieren. Im
Ringen um Definitionsmacht tun sich allerhand Leute hervor, die zwar Meinungen haben, die
einem dann aber Argumente und Kriterien schuldig bleiben. Ich mache einen kleinen Vorgriff
auf ein "Künstlerisches Manifest" aus einer Inseratenzeitung, in der man sich
ab und an zum Kunstgeschehen äußert:
Künstler
bei denen die geistige Schöpfung, Originalität wirklich einzigartig sind und die
handwerkliche Perfektion spürbar ist und weit über dem Durchschnitt liegt. Deren Werke
nicht erst langatmig neunmalklug gedeutet oder pseudointelektuell interpretiert werden
müssen. Künstler deren außerordentlichen Fähigkeiten in ihren Werken für Jedermann
klar verständlich sind. ... (Quelle: "Süd-Ost Journal")
Daß viele Kunstsschaffende nicht nur künstlerisch
(handwerklich und ästhetisch) sondern allgemein: INHALTLICH hart arbeiten, ist manchen
Medien- und Meinungsmachern nicht so recht geheuer. Egal. Davon erzähle ich noch ...
Cut!
Nachdem ich unlängst mit Studierenden der Grazer
Fachhochschule Joanneum in Gleisdorf eine "Stefan
Zweig-Situation" hatte, kam samstags in Graz eine "Thomas
Mann-Situation" dazu. Die mir der Russe Sergey Yugov umgesetzt hat.
Sein Österreich-Aufenthalt endet bald, wir werden also in
nächster Zeit noch einige Schritte setzen. Und gerade mal zirka 50 Meter hinter der
Stelle, an der man Sergey das Mann-Zitat anbringen sieht, fand ich den kuriosen Buckler Mk
10, von dem ich bisher bloß mal an einer Kreuzung das Heck erwischt hatte.
Cut!
Der folgende kleine Absatz über unseren
Nachbarn Slowenien stammt nicht aus einem politischen Buch oder einem Geschichtswerk. Er
stammt aus einem Buch über "1000 Feuerwehrautos", das Feuerwehr-Fachmann Udo Paulitz
verfaßt hat:
Was ist daran bemerkenswert? Auf jeden Fall,
daß Jugoslawien kein Mitglied des Warschauer Paktes gewesen ist, also weder
"Restjugoslawien" noch Slowenien ein "ehemaliges Ostblockland" sind.
Aber wir "Kinder des Kalten Krieges"
waren nie gewohnt, es beim Blick auf slawische Völker gar so genau zu nehmen.
"Kummerln, Tschuschen, Ostblockleute" ...
Eng mit Westeuropa verbunden. Höchster
Lebensstandard. Klarer könnte man kaum ausdrücken, was im wirtschaftlichen Kontext mit
"Nord-Südgefälle" gemeint wird. Das ja auch auf dem Balkan seine
Entsprechungen hat.
Ich habe in diesem Logbuch schon mehrmals
rhetorisch gefragt, ob denn einigermaßen geläufig sei, wie und wodurch dieser
jugoslawische Sezessionskrieg begonnen habe. Zu dem im westlich geprägten Europa so viele
salopp gefaßte Meinungen kursieren. Die auch an prominenten Stellen publiziert werden.
Und sich zuweilen mit soliden Diskursen über diese Themen kaum vereinbaren lassen.
Mir fällt zu den beschreibbaren Ursachen
allerhand ein. Das Kosovo war schon lange ein akuter Krisenherd. Die Spannungen zwischen
rund 90 Prozent albanischer Bevölkerung und einem Rest, der sich aus mehreren Ethnien
zusammensetzt, waren ein ständiger Risikofaktor, der sich ja schließlich auch in einer
Katastrophe eingelöst hat.
Zu einer Zeit, da das "Jugoslawien nach
Tito" eine Wirtschaftskrise erlitten hatte, die man sich schlimmer kaum ausmalen
konnte. Diese Krise beruhte unter anderem auf Strukturproblemen im Lande, die man offenbar
nicht zu lösen vermochte. Dem vergeblichen Ringen um Stabilisierung hat Europa ja recht
gelassen zugesehen. Wobei man in Jugoslawiens Wirtschaft genau jenes Nord-Südgefälle
finden kann, das auch Europa aufweist, eigentlich die ganze Welt.
Ein Gefälle in Strukturen und Wohlstand. Das
uns gerne mit rassistischen Stereotypen erklärt wurde. Wie etwa, daß
"Südländer" nun mal "faule Menschen" seien etc. Was völlig
ignoriert, wovon "Die große Transformation" (K. Polanyi) handelt. Also der
Umbruch von agrarischer Welt zur "Industriemoderne". In dem genau dieses
Nord-Südgefälle erzeugt wurde. (Geprägt von den Konsequenzen der Kolonialisierung der
Welt.)
Jugoslawien hatte also einen wirtschaftlich
schwachen Süden und einen vergleichsweise starken Norden. Wobei schon in Titos
Jugoslawien die verschiedenen südslawischen Völker einander stets zugetraut hatten, ein
Teil würde sich in der Föderadtion zu Lasten anderer Teile Vorteile verschaffen.
Spannungen. Stoff für Differenzen.
Zu dieser Zeit, es ist die Rede von den
1980er-Jahren, waren Sezessionsbestrebungen einzelner Teilrepubliken Jugoslawiens offenbar
schon ruchbar. Ich wüßte zu gerne, ab wann Kroatien und Slowenien mit relevanten
Regierungen der "westlichen Welt" Geheimverhandlungen geführt haben, in denen
es um die Sezession ging, um die nationale Eigenständigkeit und, folglich,
Eigenstaatlichkeit.
Ich wüßte auch all zu gerne, ab WANN ganz
konkret maßgebliche Außenminister des Westens diesen beiden Völkern Zustimmung
garantiert haben. Denn die Abspaltung von Slowenien und Kroatien dauerte bis zur
völkerrechtlichen Anerkennung bloß wenige Monate. Da mochte der souveräne Staat
Jugoslawien mit all seinen strukturellen und wirtschaftlichen Problemen zurückbleiben und
sehen, was das werden könnte.
Ich habe unlängst von meinem Faible für
Küchengespräche erzählt. Und vom kleinen Jasper, der in meiner Küche seinen Spaß
hatte. Sein Vater, der Frankfurter Journalist Fridtjof Küchemann und seine Mama
Christiane gaben mir dabei Anlaß, ein anschauliches Beispiel dafür zu suchen, welche
Fragen eine Sezession aufwerfen mag. Also nahm ich mir ihr Land für dieses Beispiel ...
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