15. März 2006 Das
dominante Statement, schon im Vorhaus abgegeben, lautete: "Hunger!" Während ich
noch in der Küche herumgefieselt hab, stöpselte mein Sohn seinen MP3-Player an die
Stereoanlage. Er fragte, rein rhetorisch: "Willst du einmal hören, wie Heavy Metal
heute klingt?"
Ich hätte ihm ja nie zu erzählen brauchen, daß das,
Heavy Metal, eine Kategorie aus meinen Jugendtagen sei. Jedenfalls hatte der Kerl den
Regler offenbar bis zum Anschlag aufgerissen. Das war dann ziemlich erschütternd. Naja.
Die Kinder ;-)))
Cut!
Ich habe im Rahmen dieser Notizen öfter rhetorisch
gefragt, ob uns eigentlich geläufig sei, wie und wodurch dieser jugoslawische
Sezessionskrieg begonnen habe. Mir fällt heute auf, es erscheint vielen nicht einmal
halbwegs klar, wie und wodurch er geendet hat. (Und wo er unterschwellig noch glost.)
Als der Kommunismus "alter Prägung" auf unserem
Kontinent zusammengebrochen ist, das Fallen des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer:
emblematische Ereignisse, sind in der Folge die UDSSR, die Tschechoslowakei und das
vormalige Jugoslawien auseinandergefallen.
Jener Staat der Südslawen, wie ihn Tito herbeigeführt
hat, war in den 1980ern in einer verheerenden Wirtschaftskrise festgefahren. Mit einem
entsprechend strukturell schwächeren Süden als Norden. Mit beispielsweise in Serbien
teilweise so veralteten und desolaten Fabriken, daß ich von einem Kommentator die
zynische Anmerkung las, die Nato-Bomben seien der Abrißbirne nur knapp zuvorgekommen.
Jugoslawien erlebte in den 80ern eine furchterregende
Inflation. Der Staat kam mit dem Drucken von Geld nicht mehr nach.
Ich bin sehr neugierig, was uns die Geschichtsschreibung
noch berichten wird, zu welchem Zeitpunkt (in diesen Prozessen) man bei westlichen
Regierungen schon wußte, daß Slowenien und Kroatien an Sezession denken. Und ab welchem
Zeitpunkt man deren politischen Eliten Zustimmung signalisiert hat.
Trügt das Bild, daß hier zwei katholisch geprägte
Nationen im strukturell stärkeren Norden Jugoslawiens sich dem wohlhabenden Europa
zuwandten? Um den orthodox und moslemisch geprägten, wirtschaftliche schwächeren Süden
mit seinen Problemen hinter sich zu lassen?
Diese Probleme waren nicht nur wirtschaftlicher Art. Das
Kosovo, auf serbischer Seite eigentlich "Kosovo und Metohija", war ein
beständiger Krisenherd. Durch langjährige ethnische Konflikte hervorgerufen. In der
Konfrontation von inzwischen rund 90 % albanischer Bevölkerung des Kosovo mit einem
"ethnischen Rest", in dem die serbische Bevölkerung bloß einen Teil ausmachte.
Die serbische Provinz wurde schließlich zum
Aufmarschgebiet der UCK. Einer albanischen Terrortruppe, die noch heute allgemein als
verbrecherische Organisation eingestuft wird. Was Milosevic, fataler Weise, nicht mit
einem klaren Auftrag und einer angemessenen Legitimation der jugoslawischen Armee zu
lösen gedachte. Sondern vor allem mit einer immer stärker gerüsteten Sonderpolizei.
Wirtschaftskrisen, räuberische Eliten, wachsende ethnische
Konflikte, der Zerfall der Föderation und die meist verdeckten Interessen westlicher
Mächte auf dem Balkan. Ein brutale Mischung, deren Auswirkungen doch in keinem Punkt
überraschen. Hat Europa alles schon gehabt und erlebt.
Während sich Gerichte nun geraume Zeit mit den Schuldigen
der Greuel dieses Sezessionskrieges beschäftigen, was vermutlich umfassend gelingen wird,
sind wir alle gefordert, uns mit weiterreichender Verantwortung für diese Vorgänge zu
befassen. Die geht über "primäre Täterschaft" weit hinaus.
[Balkan-Reflex]
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