15. Februar 2006
Hier sieht man, von links, die KuratorInnen Hildegard
Fraueneder und Walter Seidl, "Falter"-Boß Armin Thurnher, Anwalt Alfred J. Noll
und "forum stadtpark"-Vorsitzenden Anton Lederer. Sie standen gestern mit
anderen in Diskussion zu Fragen nach der "Freiheit der Kunst" anläßlich der
"Krone"-Kampagne gegen Aires und Ostojic. [LINK]
Woran so erstaunlich bleibt, daß Kurator Seidl, der gerne das Phantasma vom "Das
haben wir stundenlang diskutiert" pflegt, daß also Seidl und seine Kollegin Probst
im Zuge der Kampagne und unter wachsendem politischen Druck gegen die angeblichen
"Porno-Plakate" einmal mehr ... genau: stundenlang diskutiert haben. Diesmal mit
allen Kunstschaffenden des Projektes.
Nicht etwa, um ihnen vorzuschlagen, man müsse sich dieser Denunzierung und diesem
schäbigen Druck widersetzen. Was ja hätte heißen können, alle stellten sich hinter und
vor die zwei. Deren Werke abgehängt werden sollten. Welche unerträglich lange (recht
unwidersprochen) angefochten, desavouiert, umgedeutet und aus dem Bezugsfeld der Kunst
verwiesen werden durften. Mit enormer Medienmacht, der kaum Gegenstimmen erwachsen waren.
Nein, Seidl wollte das Projekt retten und hatte versucht, sich von Aires und Ostojic
das Einverständnis zum Abhängen ihrer Arbeiten zu holen. Aber wozu braucht jemand eine
Ausstellung kritischer Werke, wenn unliebsame Bilder als Pornographie denunziert werden
können, obwohl sie nach keinem der uns verfügbaren Kriterien Pornographie sind?
Wozu braucht jemand eine Ausstellung kritischer Werke, wenn ein halblustiger Journalist
(ohne jeden erkennbaren Sachverstand in Kunstfragen) einzelne Werke aus einem gesamten
Konvolut herausstanzen kann? Und wenn ihm maßgebliche Teile der Politik halblustig
folgen?
Anwalt Noll hat amüsiert angemerkt, die Zusammenstellung, die ein Kurator vornimmt,
sei ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Man hätte daher in diesem Sinne klagen
müssen ...
Von links: Moderatorin Daniela Jauk, Kunsthistoriker Werner Fenz, Kuratorin Katharina
Blaas-Pratscher ... Also. Freiheit der Kunst. Die ist meines Erachtens keine Position,
sondern ein Verhältnis von Positionen zu einander ist ...
Cut!
Ja. Ich bin eh sehr beeindruckt. Vom Stand unserer Demokratie. Und von den Proponenten
unserer Demokratie. Ist doch praktisch, daß wir an irgend
welchen Resten der Welt sehen und bemessen können, wir richtig wir liegen.
Das lese ich nun alle Tage. Wie falsch, falsch, falsch diese erregten Muslime liegen,
die sich zusammenrotten. Na sicher! Aber wie kriegen wir sie wieder auf den Boden? Ist
doch prima, wenn die anderen die Arschlöcher sind. Aber wie
kriegen wir sie wieder auf den Boden?
Eben!
Daß jetzt neuerdings islamisch geprägte Regierungen dauernd Entschuldigungen von
ganzen Nationen verlangen, weil da einzelne Bürger etwas Unliebsames getan haben, ist ein
skuriller Unfug. Den kann man nur entspannt zurückweisen. Und sonst?
Was ich dieser Tage so an Bekenntnisprosa gelesen habe, war ermüdend. Derart viele
vergnügte Heiden um mich. Wie die Frau Augustine. Sinngememäß im Segment: "Was ich
den Betschwestern und Kuttebnrunzern schon immer mal sagen wollte."
Wie sehr mich das deprimiert. Diese antiquierte Pose erregter Atheisten.
Seit Napoleons Landung in Ägypten wissen wir Leute Europas sehr gut, was es braucht,
um Muslimen einen ordentlichen Schrecken zu versetzen. Seit uns dieser Ingenieur des
Nationalismus, mit dem Rüstzeug der Aufklärung unter dem Arm, in die Gegenwart der
Moderne gelotst, nein: getrieben hat, oder nun schon Post-, nein: Postpostmoderne, haben
wir doch nichts zu fürchten gehabt außer uns selbst.
Der Judenhatz waren sowohl die Gefolgsleute Hitlers wie Stalins verschrieben. Hinter
dem Ende dieser zwei Granden der Finsternis mußten wir im Kalten Krieg die alten
Ingredienzien der Menschenverachtung neu ordnen. Und um einiges ergänzen. Gut. Sind wir
stolz auf unsere Aufgeklärtheit. Hat ja lange gedauert, bis sie sich in einer
angemessenen Staatsform niederschlagen durfte.
(Daß ich denken kann, verdanke ich, als Kind des lateinischen Europas, einem
Jahrhunderte währenden Kräftespiel zwischen Orthodoxie und Häresie. Nicht die
Aufklärung hat das bewirkt, sondern ihr Ringen mit den einst vorherrschenden Mächten.
Mein Denkvermögen ist also die Konsequenz BEIDER Instanzen.)
Nebenher gelingt das systematische Demütigen von Muslimen so entspannt und ausdauernd,
daß es uns kaum noch auffällt. Daß uns scheinen mag, wir würden bei einem Konflikt
(wie dem heutigen) in Augenhöhe mit einander streiten. So ist das aber nicht.
Weshalb mir weder die Heuchler noch die Hooligans, weder die Eiferer noch die
Aufrührer genehm sind. Aber. Wir streiten nicht auf Augenhöhe mit einander. Wir sind die
Mächtigeren, sie die Verzweifelteren. So könnte man es, polemisch verkürzt,
zusammenfassen.
Mindestens die Muslime Palästinas haben uns eine Lektion verpaßt. Sie beugen sich
nicht. Keiner Gewalt und keiner Vernunft. Solange man ihnen mit Druck und Herabwürdigung
gegenüber steht, beugen sie sich nicht. Man müßte sie schon ausrotten. Was sich
vielleicht mancher zu denken erlaubt, was aber nach Auschwitz eigentlich auch als Gedanke
sich verbietet. Sie beugen sich allem herrischen Benehmen nicht, allen Blicken von oben
herab ... es wird doch andere Wege zu finden geben müssen. Um ihre Wut zu befrieden.
Ich vermute, das gilt für sehr viele Muslime. Daß mit "Rechthaben" allein
ebensowenig Boden zu gewinnen ist wie mit Hohn oder Gewalt. Daß es wird um eine andere
Ebene der Auseinandersetzung und Begegnung gehen müssen. Das rüttelt in keiner Weise an
den Fundamenten unserer Demokratie. Denn die können wir ja weiter verteidigen wie
gewohnt. Davon gehe ich aus. Die stehen, so weit ich sehen kann, auch nicht zur Debatte.
Ist nicht in Gefahr.
Was das betrifft, haben wir doch unsere Positionen gut gehalten. Mindestens Muslimen
gegenüber. Ich hoffe, wir schaffen das genau so gut Berlusconi, Dichand und Konsorten
gegenüber ...
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