8. Februar 2006

Wie sehr dieses Karikaturen-Thema so viele andere Themen gerade überlagert. Ich staune derweil vor mich hin, was aus meinem Milieu so an Post daher kommt. Gestern unterschrieb ein Mann, dessen Mails stets mit folgendem Motto unterlegt sind: "faschismus ist keine meinung... faschismus ist ein verbrechen", der unterschrieb also mit: "ein glühender atheist".

Als genügte es nicht, ein Atheist zu sein, auf ganz rationale Art. Ohne das Glühen scheint es nicht gehen zu wollen, wenn Glaubensfragen zur Debatte stehen. Selbst unter erklärten Ungläubigen. Das ist doch eine sehr religiöse Pose, kommt mir vor.

Ich frage mich momentan, wie lange wir, "wir", wie lange wir also gebraucht haben, um über blutig erkämpfte Religionsfreiheit zu einer verläßlichen Trennung von Kirche und Staat zu gelangen. Ich denke, da ist von Jahrhunderten die Rede.

Und wann hat ein hochrangiger ÖVP-Politiker nachdrücklich versucht, "Das Christliche" in unsere Verfassung hineinzureklamieren? Das ist noch kein Jahr her, hm?

Tja, eine aufgeklärte, laizistische Demokratie, die sich der Toleranz verschrieben hat, bleibt eben laufende Aufgabe. Sie ist offensichtlich kein Status quo, der sich selbst erhält.

Es steht ja außer Frage, daß, bei allen Differenzen, islamisch geprägte Regierungen nun in ihrer Rechtsstaatlichkeit hart gefordert sind. Denn die von Gewalt geprägten Vorfälle haben ja zu enden.

Ich weiß schon, bei dieser Vorstellung, islamisch geprägte Regierungen und Rechtsstaatlichkeit zusammenzudenken, winden sich Leute in meiner Umgebung gerne, schnauben mitunter ... Ich hab oben gefragt: Wie lange haben wir gebraucht? Und woher nehmen wir Maß, anderen Kulturen vorzuschreiben, daß sie da und dort schon angekommen zu sein haben?

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Das ist eine Szene aus dem Shekhar Kapur-Film "Vier Federn". Eine britische Einheit, an der sauberen Formation im Zentrum gut zu erkennen, geht in einer Wüste des Sudan zu Ehren ihrer Majestät unter. So sieht sich ja europäische Eigenart gerne gelegentlich in der Auseinandersetzung mit dem Islam. Merkwürdige Attitüden.

Ich gehe einmal davon aus, daß die Regierungen beider Kulturkreise sehr gut in der Lage sein werden, die aktuelle Krise zu deeskalieren. Während wir reichlich Anlaß haben, eigene Positionen zu überprüfen.

Die Politologin Monika Mokre hat mir eben einen Text geschickt, der mit dem nächsten Update bei der Ostojic-Dokumentation zu lesen sein wird. Denn da war ja gerade die Attacke aus einer Zeitungsredaktion (Pressefreiheit?) gegen zwei Kunstschaffende festzustellen. (Freiheit der Kunst?) Und bisher haben zumindest steirische Kolleginnen und Kollegen vom Kunstfeld her keinerlei Anlaß gefunden, sich gegen solche Kampagnen zu verwehren. Interessant!

Monika Mokre schreibt in diesem Text unter anderem:
"Debatten über moralische Urteile sind schwierig und letztendlich unlösbar - und deshalb werden sie wohl im Allgemeinen auch nicht geführt. Oder genauer: Sie werden scheinbar geführt und Positionen werden angeblich moralisch begründet, während es in Wirklichkeit um Machtansprüche geht."

Machtansprüche. Definitionsmacht. Zugang zu öffentlichen Diskursen. Übrigens! Wenn auch Kunstschaffende es mit Meinungs- und Kunstfreiheit im eigenen Lande gerade nicht so eilig haben, im "forum stadtpark" wird das demnächst Thema sein.

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Anton Lederer (links, neben Rainer Binder-Krieglstein) hat zu diesem Thema einen Diskussionsabend initiiert:

"Die Freiheit der Kunst im öffentlichen Raum"
Dienstag, 14.2., 20:00 Uhr

Mit: Katharina Blaas-Prantscher, Werner Fenz, Hildegard Fraueneder, Alfred J. Noll, Walter Seidl, Armin Thurnher u.a.

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