3. Jänner 2006 Das Zentrum
von Gleisdorf, wenige Minuten vor dem Anbruch des neuen Jahres. Die Bar war von Youngsters
dominiert und die Musik schwerst im Baßbereich. Ein Sound, der einen physisch erreichte.
Mitternacht, Feuerwerk ... dann: Donauwalzer.
An wie vielen Orten der Welt mag zum Jahresauftakt dieser
Walzer ("An der schönen blauen Donau") aufgespielt worden sein? Johann Strauß
Sohn hatte ihn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts komponiert. Da war der Typus
"Wiener Walzer" schon akzeptiert. Es heißt, vor allem durch seine Popularität
beim "Wiener Kongreß". Davor war der Walzer sehr verpönt und höchst
angefeindet gewesen. Als unmoralisches Ereignis. Als Gefährdung der guten Sitten.
Aber darum geht es mir eigentlich grade gar nicht. Sondern.
Das Geschäft der Skandal-Produktion. Was bringt das? Quote. Höhere Auflagen. Wenn auf
dem Boulevard eine Geschichte losgetreten wird, die Komplexität so ganz allgemein oder
sehr speziell auf 0,5 runterpegelt und gut eingeführte Ressentiments bedient, steigt die
Quote. Das bringt Sichtbarkeit und läßt letztlich die Kassa klingeln.
Die Kunstschaffenden werden in manchen Blättern nicht oder
bestenfalls marginal genannt. Die Arbeiten werden in großen Gesten desavouiert. Um so
eine Anweisung auszugeben. Oder eine Empfehlung. Dem Bodenpersonal an den Landebahnen zu
den Stammtischen. Ihm nahezulegen, daß man Künstlerinnen und Künstler, deren Tun einem
unklar bleibt oder / und mißfällt, am besten einmal zu pathologischen Fällen erklärt.
Hier ein unmißverständliches Beispiel aus der gestrigen "Kronenzeitung":
Wie viele Beispiele könnte ich zitieren. Wo der Pöbel
Pathologie und Perversion konstatiert. Komplexitätsreduktion und Quote versprechen eben
Profit. Collateralschäden? Scheißegal!
Sagen wir mal: Danke Herr Dichand und Konsorten! Danke Herr
Gusenbauer, Herr Cap und Ihr übrigen Schenkelklopfer. Das habt Ihr fein gemacht! Vox
populi sowas nahezulegen. Denn damit, so die Lehren aus den Gängen des Rassismus, beginnt
der Pöbel sich Opfer zurecht zu stellen. Egal, wie weit es dann geht, so beginnt es seit
jeher: Unliebsame werden als pathologische Fälle markiert. Der nächste Schritt:
Einweisung in die Abteilung "Ratten und Schmeißfliegen". (Muß ich noch die
Zitate raussuchen?)
Mal führts zu Geschrei oder ein paar Ohrfeigen, mal
führts nach Auschwitz. Da sind, da waren schon viele Varianten. Selbstdefinition durch
Feindmarkierung. Komplexitätsreduktion und Quote versprechen Profit. Erregungen
So ganz nebenbei: Kunstschaffende arbeiten an ihren Themen.
Monate. Jahre. Jahrzehnte. Oft werden nur Momente davon publiziert. Das ist immer bloß
ein Appell. Der auch zurückgewiesen werden kann. Niemand muß das mögen, was einem da
unter die Augen kommt.
Aber mit großer medialer Macht seinem Klientel
nahezulegen, daß es Kunstschaffende als "Perverse" und Kranke zu markieren
versucht, das ist ein Drecksgeschäft. Obszön.
Wenn maßgebliches politisches Personal in dieses Geschäft
einsteigt, daraus Profit zu ziehen versucht, dann sollten wir gewarnt sein. Sowas ist nie
harmlos, nie ohne ernste Konsequenzen ...
Kunsthistorikerin Mirjana Peitler (oben
links, mit Tanja Ostojic) bemerkte so en passant: "Aha, die Kunst darf also nicht aus
dem Museum auf die Straße." Und verwies mich,
so en passant, auf eine Arbeit des Serben Zoran Naskovski,
der seinerseits das Gemälde von Courbet aufgegriffen hatte. [Bildquelle]
Übrigens! Anton Lederer, der Vorsitzende des Grazer
"Forum Stadtpark" und Margarethe Makovec, die Leiterin von <rotor>, haben
sich zur Sache inzwischen formell geäußert: LINK. |
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