2. Jänner 2006

Kennen Sie diesen unsinnigen Groll? Wenn man sein Bettzeug frisch bezieht. Und all diese quälend kleinen Knöpfe über der Tuchent zugeknöpft hat, um festzustellen, daß am Ende ein Knopfloch zu wenig ist. Das, so sieht man nun, am Anfang der Leiste überzählig gähnt. Also wollen die sperrigen Verschlüsse mühsam wieder geöffnet werden, um erneut ...

Was wollte ich erzählen? Diese Erregungen. Zum Beispiel des vaterländischen Hace Strache:

>>Die jüngst affichierten Plakate des Kunst-Teams "euroPART", das mit Steuergeldern Pornographie in den öffentlichen Raum trägt, zeigen einmal mehr das Sittenbild dieser österreichischen schwarz-orangenen Bundesregierung. Nicht zuletzt wird diese Aktion vom Bundeskanzleramt unterstützt - also auch mit österreichischen Steuergeldern bezahlt.<< [Quelle]

Was hat er denn GESEHEN? Eigentlich kaum mehr als man jederzeit an jedem beliebigen Badestrand im Sommer sehen kann. Oder? Empfiehlt denn dieses Bild, sich vorzustellen, daß dieses Höschen abgelegt werden könnte? Was wäre denn DANN zu sehn? Na, genau genommen ... log594e.jpg (3376 Byte)

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Das schrieb die Philosophin Luce Irigaray in ihrem Buch "Das Geschlecht das nicht eins ist". Vielleicht kommt man über solche Zusammenhänge den eigentlichen Grundlagen der Erregung auf die Spur. (Ich hab auch bei Faschismus-Theoretiker Klaus Theweleit nachgeschlagen und ... bin fündig geworden. Aber davon später.) Um zu begreifen, daß diese Polemiken in einer ungebrochenen Kontinuität stehen. Die über weit mehr als die letzten hundert Jahre gut dokumentiert ist.

Warum ist die jüngsten Tage notorisch von "Sex-Plakaten" und "Porno-Plakaten" die Rede? Freilich ist Sexualität ein Teilthema der angefochtenen Arbeiten und es liegen auch Querverbindungen zu einer Pornographiedebatte auf der Hand.

Das erfahre ich bloß von den Aufgeregten nicht. Statt dessen unterstellen sie den Werken, selbst Pornographie zu sein. Weshalb? Wer verfügt über weibliche Leiblichkeit, vor allem zwischen deren Schenkel; aber auch über deren Abbildung? Warum wimmelt es plötzlich vor prominenten Sittenwächtern und -wächterinnen?

Ein konservativer Herr, wohlhabender Bürger, also bestimmt kein "linker Rabauke", hat über solche Vorgänge vor vielen Jahrzehnten geschrieben. Eine Zeit betreffend, da Prüderie in Österreich ein Hauptgeschäft gut situierter Leute gewesen zu sein schien:

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So steht es in "Die Welt von gestern", wo Stefan Zweig hauptsächlich die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg schildert. Im Geschäft der Tugendwacht bebt nun auch der FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl:

>>"Normalerweise können sich die Grünen gar nicht genug empören, wenn es um Sexismus und Frauenfeindlichkeit geht", sagte Kickl. "Aber wenn 'Kunst' darunter steht, können sie sich offenbar mit jeder Geisteshaltung anfreunden, so widerlich sie auch sein möge.<< [Quelle]

Ich hab es schon erwähnt. Komplexitätsreduktion und Quote. Der darauf gerichtete Anforderungsdruck scheint in den politischen Gremien Österreichs zur Zeit enorm hoch zu sein. Für die Akteurinnen und Akteure auf dem Kunstfeld bedeutet das gelegentlich doppelten Gegendruck. Man riskiert, wenn man in den Fokus solcher populistischen Quotenaktionen kommt, zweierlei.

Eine Verschlechterung seiner / ihrer ökonomischen Situation UND aus dem öffentlichen Raum, aus dem öffentlichen Diskurs und zurückgedrängt zu werden. Die Unterstellung, ein Skandal würde den künstlerischen Marktwert ebenso erhöhen wie die Präsenz, mag in manchen Fällen zutreffen. Für eine explizit feministische Künstlerin, die dann genau solche Themen bearbeitet, dürfte sich das eher nicht einlösen.

Schiele, der da und dort schon erwähnt wurde, ist eben kein treffendes Beispiel. An Valie Export könnte zu diesem Thema eher Maß genommen werden.

Im Grunde haben sich diesmal vor allem die Sozialdemokraten mit der ÖVP ein Tänzchen vorgenommen. Nachhaltige Flurschäden auf dem Kunstfeld scheinen ihnen dabei egal zu sein. Die "Feschisten" von der FPÖ bellen sowieso bei jeder ihnen nützlich scheinenden Gelegenheit mit, der Chor wächst, die "Kronenzeitung" fährt ihren Umsatzprofit ein, der auch für andere Blättern lukrierbar ist. Netter Auftakt fürs neue Jahr. Wenigstens wissen wir Kunstschaffenden, wo in der heimischen Politik grade der Hammer hängt ...

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