29. Dezember 2005

Graphic Novellist Jörg Vogeltanz schrieb in diesem Zusammenhang an steirische Politiker:

Betreff: aufreger der woche

armes graz.

haben wir nichts kulturell wertvolleres anzubieten als einen sich in den usa (!) hochgearbeiteten bodybuilder und actionfilmdarsteller, der inzwischen in einem us-staat, der die in österreich zu recht geächtete todesstrafe praktiziert, als republikanischer gouverneur amtiert?

haben wir keine dringenderen -zum beispiel budgetären- probleme als die umbenennung eines ohnehin aus höchst eigenartigen gründen nach einem filmdarsteller benannten sportstadion?

gibt es für den bürgermeister einer provinzhauptstadt nichts essentielleres, als sich abfällig und, wie ich meine, überflüssig über andere provinzpolitiker via orf zu äußern, die sich verständlicherweise wehren, weiterhin einen rechtskonservativen us-politiker zu hofieren?

ich bin seit meiner geburt grazer. ich habe auch schon mit vergnügen schwarzeneggerfilme gesehen. aber es ist mir, gelinde gesagt, auch als bürger, der immerhin nicht in die usa ausgewandert ist und dort steuern zahlt sondern seinen obulus dem österreichischen staat abgibt, sowas von egal, ob dieser terminator von bushs gnaden nun seinen ehrenring und andere "benefits", die ihm in wahrheit nicht aus gründen der verehrung (seien wir doch bitte ausnahmsweise ehrlich!) sondern aufgrund seiner tourismus- und damit führungsparteipolitisch wirksamen steiermarkwerbung verliehen wurden.

soll er doch den ring zurücksenden. ich hätte einen vorschlag: man könnte ihn ja einschmelzen und den unzenpreis dem kulturbudget einverleiben. das hätte wenigstens etwas sinn.

ich ersuche dringend um beendigung dieser auch international peinlichen farce, die viel wesentlichere themen zu übertönen droht. wobei die peinlichkeit nicht in der reaktion schwarzeneggers und deren bedeutung für graz liegt, sondern in der entbehrlichen reaktion der stadtpolitik.

ich verstehe schon, dass die an macht etwas verminderte övp nun versucht, dem ganzen parteipolitische dimensionen zu verleihen und die ihr so verhasste (aber dennoch demokratisch gewählte) grünrote landesmehrheit zu desavouieren... auch ist mir vice versa klar, dass sich diese grünrote mehrheit in noch ungeübtem selbstbewusstsein nach 60 jahren auf schwarzeneggers todesstrafenentscheid stürzt, um damit eine amoralische verwandtheit mit der ihn unterstützenden övp zu assoziieren, um deren immer noch große stärke etwas zu schmälern.

aber finden Sie, liebe darin involvierte, das ganze nicht etwas kindisch? ist nicht gerade ihrer aller reaktion nicht sehr vom hauch der provinzialität gezeichnet?

demokratie bedeutet, sich mutig und klar gegen unmenschliche praktiken, wie etwa die todesstrafe (noch dazu bei indizienverurteilungen!) zu äußern... auch WENN -oder GERADE wenn- es sich dabei um die rechtssprechung eines befreundeten staates handelt, der ja auch gern mal unseren luftraum verletzt, wenns grad passt. einem exil-österreicher aus tourismustechnischen gründen die politische stange zu halten, der sich vom weg der ethischen vernunft entfernt hat, ist nicht loyalität, sondern mangelnde sensibilität. das sollte doch gerade einem christen einleuchten. freundschaft und verpflichtungen in ehren... aber bei bestimmten themen sollte sich persönliche solidarität (noch dazu von seiten eines gewählten volksverreters) in grenzen halten. ein politiker hat sich öffentlich nicht "privat" zu äußern. dazu gibt es die kamera- und mikrophonfreien plätze.

aus einer achtelwichtigen posse aber nun einen links-rechts-schwarz-rot-krieg zu generieren, von welcher partei auch immer ausgelöst, ist geschmacklos, spekulativ und unzivilisiert.

es ist auch leeres geschwätz, sich via medien gegen todesstrafe auszusprechen, aber im gleichen atemzug dafür zu sorgen, dass sich diejenigen, die diese urteile vollstrecken lassen, nur ja nicht beleidigt fühlen könnten.

es gäbe viele steirerInnen, die mindestens genauso viel geleistet haben oder leisten wie schwarzenegger, und es gibt viel mehr, die für die entwicklung der gesellschaft, der kultur (und damit meine ich nicht nur sportevents und blasmusik) um einiges relevanter wären als "arnie". aber offenbar zählt in österreich ein kalifornisches todesurteil und ein toller bizeps mehr als tausend grazer kunstwerke.

schwarzenegger ist us-amerikaner. er vertritt u.a. eine nation -und eine partei!-, die sich durch mehrere angriffskriege aus unlauteren motiven, internationale gulags, die ablehnung von umweltschutzstandards, todesstrafe (auch an minderjährigen) und bespitzelung der eigenen bürger unter umgehung gültiger rechtsnormen einen zweifelhaften ruf erstritten hat.er will nicht mehr grazer ehrenbürger sein. gut. lassen wir ihm seinen willen. und wenden wir uns wesentlichen dingen zu.

ehrenbürgerschaft kann gottseidank auch aus aktuellem anlass und veränderten politischen umständen revidiert werden. auch hitler war doch einst grazer ehrenbürger..? oder ist er das noch?

danke im voraus für die beendigung des kasperltheaters.

mit freundlichen grüßen und
ein weihnachtlich-nostalgisches hasta la vista,
jörg vogeltanz

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