15. Dezember 2005
Was muß ich mir denken, wenn mein Sohn mir
solche Skizzen in eines meiner Magazine verpaßt? Ist hier eine Option für zeitgemäße
Vater-Sohn-Beziehungen vorgelegt? Oder hat der Bursche schon politische Themen im Ärmel?
Er hält mich für eine Art wandelnde
Enzyklopädie, was bei weit über 30 Jahren Altersunterschied keine überraschende
Einschätzung ist. Wenn er mich in irgend einer Sache um Rat fragt, sagt er immer noch:
"Bitte keinen Vortrag!"
Er bestaunt gelegentlich, daß jemand aus
freien Stücken jeden Tag mit ausgedehnter Lektüre zubringt. Für mich bedeutet das eben,
in der Welt gut aufgehoben zu sein. Von Magazinen,. Zeitschriften und noch nicht zu Ende
gelesenen Büchern umgeben zu sein. In einem Geschäft endlich wieder Hefte mit kariertem
Papier und 60 Blatt Umfang, zu finden. Von meinem bevorzugten Schreibzeug, japanischen
Stiften mit Rohrfedern und blauer Tinte, mindestens drei Stück greifbar zu haben.
Was auch bedeutet, daß ich am Computer
zwar meine Arbeit mache, aber geborgen fühle ich mich eben nur in dieser antiquierten
Pose zwischen Papier.
Cut!
Zu meiner kleinen Erdarbeit
für den NCC05-Beitrag schrieb mir Philipp von mathieu + molicnik:
"apropos löcher graben: hab vor ein paar jahren
ebenfalls ein loch gegraben. der grossvater starb und als walliser junge ist es tradition,
das grab für den verstorbenen selbst auszuheben. nachdem ich das grab ausgehoben hatte,
erfuhr ich, dass es üblich sei die nacht mit dem verstorbenen in einem zimmer zu
verbringen. er in eiche, ich in laken gebettet. totenwache, könnte man sagen. war ne sehr
interessante erfahrung."
Cut!
Ganz kurios, wie Spam laufend markante
Ereignisse des Weltgeschehens abbildet. Die Witwe von Arafat hat mir ebenso geschrieben,
wie diverse afrikanische Präsidentengattinnen. Aber auch weniger prominente Damen raffen
sich zu Vertraulichkeiten auf:
"DEAR FRIEND,
MY NAME IS MRS. LARISA NITSKAYA, PERSONAL SECRETARY TO MR.BORIS MIKHAIL KHODORKOVSKY, THE
ARRESTED CHAIRMAN/CEO OF YUKOS OIL AND BANK MENATEP SPB IN RUSSIA. I HAVE THE DOCUMENTS OF
A LARGE AMOUNT OF FUNDS ..."
Ich könnte, wenn ich nur wollte, sagenhaft
gute Geschäfte machen. Was vielleicht zu überlegen wäre, da etwa die
Zylinderkopfdichtung meines Autos sich gerade verabschiedet. Und weil meine durchgelegene
Couch zu stechen beginnt. Was für eine Couch könnte ich mir zur bevorzugten Schreib- und
Lesehaltung zulegen! Bei:
"... (USD $ 86,000,000.00) AND YOU WILL BE PAID 30%
FOR YOUR MANAGEMENT SERVICES."
Würde mir bitte jemand rausrechnen, wie
viel 30 % von 86 Millionen Dollar sind? Ich überleg mir derweil noch, ob es lohnend
wäre, meiner Identität so einen Schlag zu versetzen.
Cut!
Rußland. Ich weiß. Das mit Rußland und
den USA und mit Fragen der Kritik klang gestern
ein wenig verwirrend. Weil es das für mich auch ist. Im Westen die älteste Demokratie
der Welt. Die sowohl innerstaatlich wie auf die Welt bezogen ein zunehmendes Maß an
Gewalttätigkeit in Kauf nimmt. Im Osten ein immer noch riesiger Staat, der über
Jahrhunderte vom Militär geprägt, wenn auch nicht regiert war. Mag man sich während des
Kalten Krieges feindselig in Augenhöhe gegenüber gestanden sein, heute sind die beiden
Länder nicht mehr in einem Atemzug zu nennen, die Unterschiede zu gravierend.
Obwohl mir scheint, die USA leisten sich im
Irak gerade Erfahrungen, die mich gar nicht so sehr an Vietnam denken lassen, eher an
Tschetschenien. Darüber könnten sich Bush und Putin durchaus ein Plauderstündchen
gönnen. Sie könnten sich auch darüber austauschen, was eine nationalistische, dem
Militarismus nahestehende Orthodoxie mit einem fundamentalistischen Gottesbezug in den
Staaten gemein haben dürfte.
In Rußland wird fraglos gefoltert. Amerika
läßt foltern. Natürlich kann man allerhand als Parallele hervorkehren. Vergleichbar
macht es die Situationen aber nicht. Und. Während der iranische Präsident momentan
völlig von der Rolle zu sein scheint, während Israel ihm offen ausrichtet, es könne
seiner Laufbahn durchaus ein Ende setzen, entwickelt China seinen Aufstieg weiter, nach
außen lächelnd und mit gebeugtem Haupt, wie ich bei einschlägigen Kommentatoren lese.
Nach innen mit einer bei uns unvorstellbaren Härte.
Von Indien weiß ich gar nichts, aber da
tut sich weit mehr, als man annehmen möchte. Wie rührend, daß wir hier, im Herzen
Europas, gerade mal erörtern, ob wir das Grazer Schwarzenegger-Stadion umbennen sollen,
da die vormalige Leitikone des Totschlag-Kinos den Häftling Tookie Williams nicht
begnadigen wollte, worauf der Mann per Giftspritze aus dem Leben befördert wurde.
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Das
kann alles manchmal sehr verwirrend sein ... Cut!
Ganz unmißverständlich erschien mir
dagegen die Weihnachtspost von Jörg
Vogeltanz.
Geeeenau. Mozart wäre wieder einmal zu verwerten. Ganz
klar und naheliegend, dieses Weihefest guter Geschäfte auch auf einfach Gemüter
umzumünzen.
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