14. November 2005Vielleicht sollte ich einfach losziehen, um
einen Satz neuer Zündkerzen zu beschaffen. Vielleicht ist das Problem von tieferer Art
und ich möchte lieber nicht so genau wissen, was da Probleme macht. Von der Sonne
aufgewärmt springt mein Auto bisher jederzeit an. Ein tagelang verhangener Himmel im
Herbst verändert die Situation grundlegend.
Rendezvous mit meinem Mädchen. Herbstabend. Um 18.00 Uhr wollte ich starten, das ...
fiel also aus. Mein Plan besagte, um 18:30 ginge ein Bus vom Postamt ab. Ich war nicht
allein, diesen Bus vergebens zu erwarten.
Nächste Chance, ein Zug um 20:30 Uhr. Unseren Kinobesuch konnten wir vergessen. Aber
ich hatte genug Zeit, meinen Unmut abzuarbeiten. Also spät in Graz, das war mir ja schon
fremd, dieser rührende Auftrieb von Youngsters in kühnen Farben und Stilen, da hab ich
nur so gestaunt.
Mein Mädchen mochte sich, wie ich, auf Fish and Chips freuen. Das Pub war übervoll,
ein kleines Tischchen, an einen Heizkörper geklebt, bot uns nur unzureichend Platz. Aber
das war mir nach der Serie von Ungelegenheiten ziemlich egal. Die Bestellung ging flott
durch, der Kellner brachte uns vorab das gewünschte Bier und ... verhedderte sich
offenbar im Halbdunkel zwischen den nicht einmal kniehohen Hockern.
Ich bekam den kleineren Teil des Bieres ab, mein Mädchen war ... naja, vom dringenden
Verlangen nach einem Badetuch und frischer Garderobe getrieben. Nach Hause. Der Kellner
mußte das Taxi bezahlen.
Es blieb natürlich verlockend, nach dem Prozeß der Trockenlegung wieder in das selbe
Pub zurück zu kehren. Ich war sicher vor 20 Jahren das letzte Mal so angeschüttet
worden, wir durften also rechnen, es würde uns an diesem Abend nichts mehr drohen. Zumal
ja schon meine Anreise über einige Hürden verlaufen war.
Aber es wurde ein Grieche, einer mehr mit diesem unausweichlichen Getümmel von Statuen
und Säulen, von Friesen und Reliefs, als würden nicht die wunderbaren Gerichte des
Südens ausreichend zeigen, wo man ist ...
Hat natürlich seine Vorteile. Das Zugfahren. Der Weg durch die Stadt, dieser entlegene
Ostbahnhof, vor dem ich einen mächtigen Pinzgauer erwischt habe. Eines der besten
Offroad-Fahrzeuge, das je gebaut wurde. Da können die Stutzer mit ihren aufgeblähten
Cherokees brausen gehen ...
Ich liebe es, auf kleinen Bahnhöfen zu verweilen und während Zugfahrten zu lesen,
zwischendurch die Landschaft zu betrachten, ich würde sagen: Melancholie für
Fortgeschrittene. Bei der Gelegenheit fand ich endlich heraus, warum man den Bräuten noch
heute damit naherückt, daß die Hochzeit der schönste Tag des Lebens sein solle.
Das muß man ja nicht bloß bei Betrachtung gegenwärtiger Verhältnisse anzweifeln,
man braucht dazu auch kein christlich-sozialer Pessimist sein. Die Sozialgeschichte des
Landes erklärt mehr als deutlich, daß Ehe kein überaus weihevoller Zusammenhang ist.
Einzeln, da und dort, ja, mag sein. Aber grosso modo ... eher nein.
Woher also das Bild vom Hochzeitstag als schönstem Tag in Leben einer Frau? Ich hab
während der Zugfahrt einen interessanten Hinweis gefunden. "Die Bauernhochzeit"
von Pieter Breugel dem Älteren, ein reichlich bekanntes Gemälde, das in Wien hängt,
zeigt die Braut mit untätig gefalteten Händen und einem Gesichtsausdruck wie in
entspannter Versenkung.
Was dahingehend gedeutet wird, daß damals, in einem Leben voller Schinderei, der Tag
der Hochzeit als einziger galt, in dem die Frau nichts zu arbeiten hatte, ja, nichts
arbeiten durfte. Es soll sich für viele seit dem 16. Jahrhundert nichts Essenzielles
geändert haben ...
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