11. Oktober 2005 Einige
Tage offline. Das macht mich zwar immer temporär ein wenig nervös. Aber es ist doch
physisch eine wohltuende Erholung. Und wenn ich nach dem Lufttrocknen meiner gewaschenen
Haare eine Frisur wie ein Schlagersänger hab, weiß ich, daß es Zeit ist, mir bei meinem
Friseur einen Termin zu verschaffen.
So führen Ereignislinien an den Nebenschauplätzen des
Lebens entlang, manchmal bin ich in die banalen Dinge unheimlich vernarrt. Oder in kuriose
Augenblicke. Da wir zum Beispiel beim "steirischen herbst" grade unser "City Upgrade"
präsentiert haben. Und plötzlich, wir waren bei der abschließenden Session im
Medienkunstlabor, steht ein tropfnasser Surfer samt Brett mitten im Ausstellungsraum.
Oder. Meine Nachbarin, eine betagte Dame, bat mich, sie aus
einer nahe Ortschaft abzuholen. Wir waren schon fast zuhause, als ich einige Autos vor mir
das Heck eines alten Wagens wahrnahm. Ausgestellte Kotflügel, kantiges Cabrio-Verdeck,
Vorkriegsdesign. Ich erzählte meiner Nachbarin von meinem Hobby, daß ich als
Automobil-Paparazzo immer auf der Jagd sei. Sie lachte aus vollem Hals, weil sie das sehr
kurios fand, und meinte: "Ich hab eh Zeit, fahr ihm nach."
Leider blieb der Fahrer nirgends stehn, so daß ich nach
einiegr Zeit die Verfolgung abbrach. Ohne Frontansicht des Wagens ist das ein kniffliges
Rätsel ... (Ich werde mal beim Citroen Traction Avant
mit der Suche beginnen und mich bei Adler umsehn ...)
Cut!
Was für eine deprimierende, mindestens problematische,
womöglich aber obszöne Headline:
In der "Kleinen Zeitung" vom 6.10.05 zitierte Alexander Orssich in seinem
"Tagebuch aus Zagreb" (Aha! Neuerdings also nicht mehr Agram!) diese Botschaft
aus Kroatien. Anläßlich des nun gesicherten Auftaktes von Beitrittgesprächen mit der
EU.
Damit ist mindestens geklärt, daß "Balkan" für
Europa eine überaus negative Konnotation hat. Von der sich auch etliche südslawische
Menschen zu befreien versuchen. Also Anlaß zu Absetzbewegungen sei. Was nun, grimmiger
Hohn, recht wesentlich entlang der alten k-u.k.Militärgrenzen geschieht.
Wie wird man sich unter solchen Prämissen den
jugoslawischen Sezessionskrieg erklären können? Wie wird man ihn aufarbeiten können?
Ist damit nicht präjudiziert, daß Slowenien und Kroatien ausschließlich recht gehabt
hätten, sich von Jugoslawien loszusagen?
Sind darin Botschaften an die IRA, an die ETA, vielleicht
auch an Padanien-Aktivisten enthalten? Ist das alles so klar? Die katholischen Slowenen
und Kroaten dürfen sich also nun dem EU-Europa zurechnen. Was genau bedeutet diese
Headline für die anderen südslawischen Völker? Vor allem in jenen Regionen, wo
Orthodoxie und Islam dominieren? Wie kann Österreich eine solche Headline promoten? Was
ist das für eine Botschaft an die anderen Kulturen im Süden?
Denn nach zwei blutgetränkten Serien von Kämpfen um
Identitäten und Nationen, während des 20. Jahrhunderts, einmal in den frühern 1940ern
und einmal in den 1990ern, kann man ja nicht feststellen, die "Balkanvölker"
hätten sich untereinander verständigen können ... um gemeinsam gegen die
herabwürdigenden Zuschreibungen des Nordens anzustehen.
Nun erscheinen sie mehr denn je gegen einander gewandt,
rund um diese Bruchstelle, das einstige "Confinium militare". Die einen uns
Nachfahren der vormaligen Kolonialmacht (k.u.k. Österreich) in die Arme gelaufen, die
anderen ... was?
Das ist eine sehr merkwürdige Europa-Politik, wenn man
sich nach den letzten hundert Jahren aus Kroation nun dieses "Danke,
Österreich!" zurufen läßt. Ich bin sehr gespannt, wie man sich denn nun den
übrigen Teilen Südosteuropas zuwenden will. Vielleicht ist man in christlich-sozialen
Kreisen ja gewillt, den Rest des "Balkans" gleich der Türkei zuzuschlagen ...
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