12. August 2005 Es ist dieses Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg eine
Operetten-Republik gewesen. Der Schrecken des Anteils an den Nazi-Verbrechen mußte
verhüllt werden. Der Übertritt in einen neuen, den Kalten Krieg mußte geölt und fesch
aufgemacht werden.
Gut, zugegeben, in diesen Behauptungen liegt eine Portion
polemischer Verkürzung. Wer sich damals redlich um demokratische Entwicklungen bemüht
hat, würde sich von solcher Zuschreibung wohl brüskiert fühlen. Aber die dominante
Inszenierung war doch die der Doppelzüngigkeit.
Äußere Feinde stärken innere Verhältnisse. Dieser
simple Effekt wurde trickreich bedient. Auch stand Österreich im Fokus eines brutalen
Ringens zwischen Amerika und der Sowjetunion. Sowie in Anbindung an die Kräftespiele
aller kleineren Staaten, die teils zur Manövriermasse in diesem Ringen wurden.
Was bedeutete das auf der Ebene von Alltagssituationen
unseres Lebens? Aus dem Kielwasser der Nazi hatte es allerhand geschicklte Leute
angespült, die sich als neue Autoritäten der jungen Demokratie herausputzten, um unsere
Kindertage zu bevölkern. In meinungsbildenden Einrichtungen, im Bildungswesen, in
Kulturbereichen, auf dem Kunstfeld. Da predigten uns die ursprünglichen Gefolgsleute der
Barbaren Moral und lehrten uns Mores.
Wie viele Weihnachten waren mir vom "Salzburger
Advent" versüßt? Ich denke, so hieß diese Andachtsübung, die wir via TV
vermittelt bekamen. Star dieser Aufplusterung war der Autor Karl Heinrich Waggerl. In
meinem Elternhaus galt sowas als Dichter und war folglich der erste große Eindruck dieser
Profession, den ich als Kind erhielt.
Ist dieser Waggerl nicht ganz formell ein Funktionär der
Nazi gewesen? Einer, der als Dichter Gewalt ästhetisiert, Blut und Boden besungen und so
den Terror der Faschisten dekoriert hat? Genau das war dieser Heuchler, der mir vorgeben
durfte, was Besinnlichkeit sei. (Besinnlichkeit wurde da zum Hauptwort des
Dekorationsgewerbes.)
Apropos Salzburg. Wer meines Alters erinnert sich nicht an
einen Seigneur der politischen Berichterstattung mit dicken Brillen und markanter Stimme?
Alfons Dalma durfte uns die Problemlagen Europas, vor allem auch die des Balkans
erläutern: "Als außenpolitischer Kommentator und Osteuropa-Kenner ist Alfons Dalma
den Radiohörern und Fernseh-Zuschauern im Gedächtnis geblieben." Noch heute führt
ihn der ORF in der Kategorie "Chronisten, Reporter, Aufklärer".
Ist dieser hoch geschätzte Journalist nicht nach
Kriegsende der amerikanischen Besatzung durch offenen Rassismus aufgefallen? Hieß er
nicht ursprünglich Stjepan Tomicic und kam eigentlich aus dem Dunstkreis der
profaschistischen kroatischen Ustasche, die mit Hitler kollaboriert haben? Genau so war
das. Auf jeden Fall kein Problem in einer Operettenrepublik.
Sie ahnen gewiß, wie LANG die Liste würde, wenn ich das
weiterführen müßte. Daher werde ich nur sporadisch auf einzelne wohlgelittene
Autoritäten aus meinen Kindertagen verweisen. Solche Leute durften in meiner Jugend an
prominenten Stellen das Geschäft der Meinungsbildung betreiben. So als hätte es keine
exzellenten Leute ohne derlei Vorbelastung gegeben.
Nein, die waren ja nicht alle umgebracht worden, viele der
Vertrieben von hohem kulturellen Rang hätte man zurückbitten können. Da fällt mir auf
Anhieb der Dichter Theodor Kramer ein. Peinlich, wie sich die Republik ihm gegenüber
verhalten hat. Was eine merkwürdige Entsprechung in der jüngeren Vergangenheit fand. Im
Gebaren des vaterländischen Jörg Haider gegenüber H. C. Artmann ...
Cut!
Es ist ja keineswegs das erste Mal einer derartigen
Vorführung, in welcher Herr Vogeltanz und ich als Ungeziefer reüssieren. Meist freue ich
mich über Publikumsreaktionen, ich nehm auch solche entgegen, so sind wir ja
aufgewachsen, lieber Prügel als gar keine Zuneigung, ha!, ein kleiner Scherz!
Der Einfallsreichtum mancher Opponenten erstaunt mich immer
wieder. Zitat:
"ROTZNIETEN GRAZER ROTZNIETEN DRECKIGE
STEIRISCHE NEOKUNSTNAZI- SAUPACK
das sind hassanfaelle ihr dreckiges rattenpack
vogeltanz, zieht sich warm, solltest du mir einmal begegnen
fuer euch wird sich noch ein richter finden
mieser, windschiefer, untalentierter kritzler
krusche geniert dich fuer dich und den vogeltopf"
Nein, ich bin da nicht gleich beleidigt. Auch wenn mir
solche Tonlagen manchmal Unbehagen verschaffen. Denn da gibt es ja Kontinuitäten.
Mißliebige Andersdenkende ins Tierreich zu deuten, da vorzugsweise in die Abteilung der
"Schädlinge", ist schließlich der bewährte Auftakt einer Aberkennung der
Zugehörigkeit zum Kreise der Menschheit. Genau DAS ist eine wichtige Voraussetzung, wenn
es Richtung Massaker geht. Die "Entmenschlichung" derer, die man meint und die
man aus dem Weg haben möchte. So beginnt das Geschäft des Absenkens von Hemmschwellen.
Das muß man vielleicht kurz erläutern:
pass mal auf, du arschbackenpfeife drahdi selba
ham, du arschloch du griengspiebenes neonazi tschtnik gfrast
Zugleich ein Neonazi UND ein Tschetnik zu sein, das geht
sich realpolitisch natürlich nicht aus. Tschetnici, ursprünglich serbische Dorfmilizien
während der Herrschaft der Osmanen, waren eine kampfstarke Partei in der jugoslawischen
Revolution während des Zweiten Weltkrieges.
Als historisch gewachsene Widersacher der kroatischen
Ustasche hatten beide Formationen ihr Revival im jugoslawischen Sezessionskrieg der
1990er-Jahre. Aber solche Differenzierungen überfordern unsere Leute oft, die Verkürzung
"Tschetnik + Ustascha = Jugo = Kummerl" markiert da völlig hinreichend, was
mißfällt.
Wer ist dann im Zuge des Diffamierungsgeschäftes als
maximal unappetitlich ausgezeichnet? Jemand, dem man die Marke "Nazi + Kummerl"
anhängen kann. Es geht offenbar um keine politischen, sondern um drastische
Ekel-Kategorien. Weil:
du geistiger kuhfladenfabrikant, gewuerzt mit
untersteirischer ochsenpisse ein haufen bullshit made in gruschinien [Balkan-Reflex]
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