9. August 2005 Ich hatte unlängst gemeint, wir seien Kinder des Kalten Krieges.
Man hatte mir energisch widersprochen. Unser Rückblick scheint getrübt. Wir. Das ist so
notorisch unscharf. Soll also dieses Wir zu etwas mehr Trennschärfe verkürzt werden.
Ich. Bin ein Kind des Kalten Krieges. Was seine internen und externen Bezugspunkte hat.
Das bedeutet, die Kampfhandlungen haben 1946 nicht geendet.
Es hat weiterhin Schlachtfelder gegeben, auf denen wuchtige Kräftespiele sich
entfalteten. (So grundsätzlich und detailreich sich auch der heiße vom Kalten Krieg
unterschied.)
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Die internen
Entsprechungen ergaben sich aus den verschwiegenen und unbehandelten Traumata, die meine
Leute aus dem Zweiten Weltkrieg in mein (Kinder-) Leben mitgebracht haben. In wie vielen
Familien hatte man sich überwiegend auf der Täterseite befunden. Am Verbergen dieser Umstände knüpfen die äußeren Entsprechungen
an. Ein umfassendes Geflecht von Abwiegelungen, Heuchelei und Beschönigungen, mit der
sich dieses Volk durch alle nur denkbaren Kraftanstrengungen um die Verantwortung des
Vorgefallenen gedrückt hat. Woraus eine umfassende Korrumpierung unseres Umganges mit
einander resultiert hat.
Staatstragende Doppelmoral als eine den Staat
konsolidierende Strategie. Was sich recht anschaulich vor allem in den meinungsbildenden
Branchen abgebildet hat, es ist uns schriftlich überliefert. Wie sehr in Journalismus,
Kultur und Bildungswesen die altgedienten Gefolgsleute der Barbaren weiterhin uns die Welt
deuten durften, ist atemberaubend.
Über das neue Ringen zwischen Ost und West hat man uns
nicht gerade sehr aufrichtig informiert. Wie sehr wir von den Feindbildern geprägt
wurden, derer sich schon die Nazi für ihren Weltenraub bedient haben, ist kaum
hinreichend ins öffentliche Bewußtsein übergegangen.
Wie allein die innenpolitischen Rabauken Österreichs in
den letzten Jahren reichlich vorgeführt haben. |
Quelle der Grafik: "Die Heimat
lädt dich ein" (Eine Gabe an die steirischen Jungbürger), Landesjugendreferat der
Steiermärkischen Landesregierung, 1959. (Das ganze Blatt: LINK)
Antislawische Ressentiments und antiorientalische Ausfälle
sind Standardrepertoire. Selbst junge Kerle wie der vaterländische Hace Strache (in Wien)
oder der christlichsoziale Sigi Nagl (in Graz) recyclen das altgediente Reflexinventar.
Und können kühn behaupten, was die Propaganda der Kalten Krieger generiert hat. Schon
hagelt es Zustimmung.
Ich unterstelle der Beteuerung, daß die Türkei nicht zu
Europa gehöre, ein Subsummieren auch des gesamten "Balkans". Daß sich Kroatien
uns Slowenien nun schon bei der EU befinden, ordnet unsere Ressentimentwelt so halbwegs
entlang der alten Militärgrenze. Dahinter ziehen wir es vor, orthodoxe und muslimische
Barbarei zu vermuten, auf allerhand zeitgenössische Arten der Deutung. Mit willkommener
Unschärfe. [Balkan-Reflex]
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