26. Juni 2005

Frage. Wird mir etwas mit Absicht an den Kopf geworden, darf ich es dann behalten?

Woran ich so denke ... Es ist viele Jahre her, die Zeitspanne weiß ich nicht mehr, als ich ein Leben wie ein Bohemien geführt habe, wobei mich gelegentliche Abstecher nach Wien führten. Wo ich dieses und jenen Engagement für eine Lesung aufgetan hatte. Damals zog ich gemeinsam mit Jürgen Rottensteiner los, wir waren beide stark am Blues orientiert und konnten passabel Mundharmonika spielen. Nein, ich spiele heute noch passabel, Rottensteiner war damals schon virtuos. Wie man sieht, von der Querflöte kommend.

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Im Amerlinghaus hatten sich Wiener Kollegen verwundert geäußert, woher das viele Publikum käme. Graz schien damals bezüglich Literatur einige Anziehungskraft zu haben, an uns Jungs lag es sicher nicht alleine. Wir waren auch von einem Mann engagiert worden, der vermutlich Walter und ganz sicher Schwarzlmüller hieß. Sein Lokal lag in einem Keller. Er sagte uns zur Begrüßung: "Wenn ihr mehr als zehn Leute Publikum habt, kriegt ihr Auftrittsveerbot und ich lese meine eigenen Texte."

Das fand ich irritierend, aber wir waren ja auf cool gestellt. Was wir noch gut brauchen konnten. Denn es war schließlich genau ein Gast an den Tischen. Ein Betrunkener. Und er war ... Ire, verstand kein Wort Deutsch. Aber seit damals habe ich immer wieder erlebt, daß Wiener Literaturschaffende bezüglich Publikum eine etwas wunderliche Haltung haben. Ich erinnere mich auch gut, wie die Leute aus Wien gestaunt haben, als ich im Grazer KIZ diese üppige Literaturnacht über die Bühne gebracht habe. Das waren damals mehr als fünfhundert Personen, die mit uns durch die Nacht gingen.

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Solche Sachen mach ich heute nicht mehr, aber das sind nun mal reizvolle Erinnerungen. Die sich gerade wieder eingestellt haben, da ein Wiener Autor, Franz K. vulgo "Der Kafkanier", mir anschaulich macht, daß sich die "Wiener Verhältnisse" offenbar noch immer nicht essenziell geändert haben. Zumindest für Ihn. Woraus er eine radikale Konsequenzen zieht. Sein Konzept ist bestechend.

Mangels Publikum, so vermute ich, bespielt er einzelne Personen geradezu exklusiv. Er tut das unezahlt. Der Kafkanier macht das, indem er jemanden erwählt, dem er für einige Zeit tagtäglich Texte zuschickt. Manchmal auch Bilder.

Wir machen gerade eine Art "Südosteuropa-Phase" durch. Franz K. vulgo "Der Kafkanier" dichtete neuerdings:
"das beweist bloss, dass sie eine hinterfotzige stalinistenfatze sind, ein besonders hinterhaeltiger kryptokummerl und milosevic und mladic fan. wie haben sie geschrieben: mein bruder mladic."

Ist heute noch bekannt, was "Kummerl" meint? Kommunist. Und die Fatze dürfte eine Fratze sein. Übrigens. Im Spanischen heißt Maske "Antifaz". Kurios, hm? Mladic, der General Radko Mladic, verantwortlich für die Massaker in Srebrenica, ist freilich nicht Gegenstand meiner Verehrung. Diese Stelle bezieht sich auf eine Station von  "The Junction", die auch auf Stalin anwendbar ist. Denn in dieser Ecke sucht man mich:
"wir leben in einem rechtsstaat, und nicht in einem utopia der gescheiterten russischen revolution im kruschinischer vorstellung. ich verstehe jetzt auch, warum sie sich irgendwann in titos salonwagen herumkutschieren lassen wollen. siehe cyberrail concept."

Auch:
"sie werden noch eine ordentliche kritik ihrer sogenannten kunst von mir zu lesen bekommen. den schlechten ruf haben sie sich selbst erworben. ich verstehe sie nicht. entweder sind sie krank oder besonders abgefeimt. beides verheisst fuer ihr weiteres leben nichts gutes."

Das hat schon rührende Dimensionen, selbst wenn man als einfaches Gemüt von der Deftigkeit der kafkaesken Zusendungen irritiert sein könnte. Naja, heute ist Sonntag, ich bin ausgeschlafen und gut gelaunt, da mache ich mich recht entspannt zu einem weiteren Moment auf ... als zur Zeit einziges Publikum des Kafkaniers. Oh! Ein Bild hätte ich da noch. Hat er mir unlängst geschenkt:

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