13. Juni 2005Gestern: Vatertag. 1956, also in meinem Geburtsjahr, in Österreich eingeführt.
Wozu? Eigentlich: Christi Himmelfahrt. Was noch? Nichts! Naja. Ich vermute: ein gutes
Geschäft. Auch recht ... Ruhige Tage. Teil einer lebhaften Woche. Teil einer Woche, in
der nun ganz unaufgeregt festzuhalten wäre:
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60 Jahre nach dem
Ende des Zweiten Weltkrieges leugnete eben ein Offizier und Bundesrat Österreichs erneut,
was zu den Konsequenzen des Holocaust als gesicherte Faktenlage gilt. Die Gerichte werden
nun aktiv. In der selben Woche mußte die
österreichische Verfassung geändert werden, um einen Kollegen des Herrn Gudenus, den
Bundsrat Siegfried Kampl, vom Vorsitz des Bundesrates fern zu halten. (Quelle: "Der Standard") |
Nachdem sich Kampl mit seinen Ansichten zum
Kriegsende und zu Deserteuren der Nazi-Armeen diskreditiert hatte. Die vaterländische
FPÖ hält Stellung ...
Während dadurch mehr als evident geworden ist, daß dieses
Volk mit seiner Verantwortung gegenüber den Opfern des verbrecherischen Nazi-Regimes noch
längst nicht auf akzeptablem Stand ist, meint BZÖ-Chef Jörg Haider, man habe
hierzulande schon genug von diesem Vergangenheitsbewältigen.
Und in Zwischentönen hört man Frankl-Zitierer, es gebe
keine "Kollektivschuld". Dieses Geblöke das ich immer zu hören bekomme, wenn
von Verantwortung die Rede ist und sein muß. Nicht Schuld, Verantwortung!
Worum sich die Vergangenheitsabschließer unter anderem
drücken, ist die Verantwortung für die verheerenden Konsequenzen staatstragender
Heuchelei. Nicht als moralisches Problem betrachtet. Moral interessiert mich eher wenig.
Aber ganz pragmatisch betrachtet: Es ist jede Attacke auf die zu erstrebende Einheit von /
Einigkeit in Denken und Tun ein Stachel in den Gemeinschaften von Menschen.
Weil das trickreiche Konstruktionen verlangt, in denen nie
gemeint was gesagt und gesagt was gemeint wird. Man muß keine psychologische Fachkraft
sein, um die Ketten der fatalen Wirkungen zur eigenen Gegenwart hin begreifen zu können.
Diese Kausalketten gibt es mit kollektiver Wirkung und als individuelles Phänomen.
Ich nenne bloß ein Beispiel: Wie mag die Stimmung in einer
Familie Mitte der 50er-Jahre gewesen sein, in der ein verkrüppelter und schwer
traumatisierter Kriegsveteran im Schweigen strandete und dabei einer verschreckten Frau in
die Arme fiel, die vor allem eines suchte, Vergessen?
Was senken solche Eheleute in Kinderherzen, wenn die
Verzweiflungen über die ungelösten Brüche alles so eskalieren läßt, daß Gewalt und
Bitterkeit zum Standard in den kleinen Wohnungen werden?
Die traurigen Herren vom Schlage Gudenus und Kampl werfen
alle Betroffenen zurück. In diesen mühsamen Prozessen der Klärung und Milderung des
Geschehenen. Das Verklären und Leugnen verhöhnt nicht nur die primären Opfer der
Nazi-Barbaren. Es ermutigt von so prominenter Position her zum Verschleiern, zum
Weiterschreiben von beschönigenden Legenden.
Das schadet allen. Es stört die Wiedergutmachung, soweit
die überhaupt noch möglich ist. Es erschwert die Versöhnung, wo solche nötig ist. Es
untergräbt das Suchen nach neuen Haltungen und Positionen, aus denen heraus die Massaker
für alle Zukunft als ausgeschlossen gelten könnten. Es beschädigt die Wege der Kinder
der Barbaren.
Denn das ist nun mal meine Überzeugung: Massaker beginnen
immer mit Opfermythen. Das ist aber nun genau, woran Gudenuns und Kampl arbeiten:
Opfermythen.
Darum nehme ich es diesen Herren übel, was sie in der
Öffentlichkeit an Dummheit und Borniertheit diesem Land aufdrängen. Denn meine Familie
war eindeutig auf der Täterseite. Teils in einer Weigerung, ihre Ansichten aus der Zeit
zu prüfen und zu revidieren, da diese bis in die Gegenwart reichten.
Mögen die Herren(menschen) denken, was sie wollen. Aber
sie haben zu schweigen. Ich darf erwarten, daß diese Republik keinen Chor der
Menschenverachtung mehr zuläßt.
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