5. Juni 2005"... ich versinke schon wieder in Spam, der immer an die kontakt-Adresse
kommt
... lg
Barbara"
... schrieb mir Autorin Barbara Neuwirth zu
nächtlicher Stunde. Derweil hat das brutale Foundraising schon die nächste Kurve
genommen und ist in die analoge Welt abgebogen:
Bisher schrieben mir afrikanische
Präsidentenwitwen, irakische Krebspatienten und andere Opfer widriger Umstände bloß per
Email, daß ich ihnen helfen könnte, enorme Geldsummen außer Landes zu bringen. Für
einen entsprechenden Anteil am Kuchen.
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Nun läuft Spam
offenbar auch per Snail-Mail und ich bin selbst zum Präsidenten avanciert. Ich hab ein
Brieflein aus Swaziland erhalten. Worin die Witwe
eines Farmers aus Zimbabwe meint: "This might be a surprise to you ..." In der
Tat! Ich bin überrascht. |
Apropos zum Präsidenten avancieren. Nun
WAREN wir zwar ein rebellisches Milieu, wir 50er-Jahrgänge, die recht genau wußten, daß
die alten Zausel im "forum stadtpark"
unter anderem eine mit den Christlichsozialen ausgehandelte Avantgarde waren. Und viele
von uns haben es demonstrativ verachtet, daß jemand Avantgardist UND gehätschelter
Schreihals der dominanten Partei im Lande sein möchte. Das schien eine gar so
kleinkindliche Attitüde. Die sich auch darin einlöst, daß man etwa einen nach dem
"Slawenfresser" und Nationalisten Peter Rosegger benannten Literaturpreis
kommentarlos entgegennimmt etc.
Aber! Das "forum stadtpark" hat sich völlig
geändert. Nach Alfred Kolleritsch wurde Walter Grond zum Vorsitzenden, wer wars nach ihm?
Heute ist es Anton Lederer. Der es, wie schon Grond, vermeidet, sich als
"Präsident" aufstellen zu lassen.
Doch scheinbar geht es in der Kunst allerweil noch nicht
ganz ohne das Codesystem patriarchaler Dignitätshudelei. Wie dieser Ausschnitt aus dem
aktuellen forum-Flyer vermuten läßt. Also möchte ich mir überlegen, ob ich die
Anregung der unternehmungslustigen Witwe Ngomeni aus Swaziland aufgreife und mich zum
Präsidenten entwickle. Das könnte im G'schäft was bringen, hm?
Cut!
Weit entspannter wirkt mir da der Posaunist Bertl Mütter. Und ich vermute, bei
diesem Job, stundenlang die Posaune zu blasen, muß man auch ziemlich entspannt sein
können, weils einen sonst zerreißt. So stelle ich mir das jedenfalls vor.
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Müttter schrieb
mir, und das wäre wohl in der Welt der Briefpost so wiederum nicht gekommen: "Lieber Martin Krusche,
ich habe heute dieses schöne Bild im Internetz gefunden, via [LINK] als
Erstspur.
So eine Freude.
Meine Frage: Gibt's noch mehr Photos von unserem seligen gleisdorfer Ersttreffen am 6.
Dezember 1989?
Liebe Grüße aus Wien,
Bertl"
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Derweil staune ich noch so vor mich hin, was
das Antreten des vormals ÖVP-Landesrates Gerhard Hirschmann im öffentlichen Diskurs des Landes alles bewirkt.
Mal ganz unter uns: Vordenker! Querdenker! Was sind denn das für Kategorien? Wie denkt
man denn VOR? Oder QUER?
Muß nicht eher solches Geschwätz verhüllen, daß man
sich schwer tut, eine komplexe Persönlichkeit in knappen Sätzen darzustellen? Und weist
das nicht darauf hin, wie sehr etablierte Politik die Komplexitätsreduktion bevorzugt,
sobald Schritte an die Öffentlichkeit anstehen?
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