15. Mai 2005 Heute. 50.
Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages. Die vormaligen Untertanen und
schließlich zu einem erschreckend großen Anteil Gefolgsleute einer Diktatur, also
Nutznießer eines der gewaltigsten Raubzüge der Menschheitsgeschichte, waren angehalten,
sich in die Richtung einer zeitgemäßen Demokratie aufzumachen. Ich wurde ein Jahr
später geboren.
Mir ist heute in Sachen Republik gar nicht nach feiern.
Aber das bleibt nachrangig. Ich hab dieser Republik einen Wimpel auf einen Turm
gesetzt, auf eine schöne Industriekonstruktion, die über vier Fahnenmasten verfügt,
an denen ich noch nie was haben wehen sehen.
Es ist ein vergängliches Symbol aus Karton. Das Wetter
wird sich seiner annehmen. Was meint, die Nation sei etwas, das laufend neu beschlossen
sein will. Wie es der Denktradition Frankreichs entspricht, in der Nation ursprünglich
als "tägliches Plebiszit" (Ernest Renan) gedacht war. Als eine
"Staatsnation" zu der gehört, wer sich zu ihr bekennt.
Nun hat sich aber weit über Europa hinaus eher das
"deutsche Konzept" der "Kulturnation" durchgesetzt, das von
einheitlicher Sprache und Behauptungen von kultureller Kohärenz auf einem bestimmten
Territorium ausgeht. Dieses Konzept, dem sich auch der immer noch währende
Ortstafelstreit verdankt, in dem die österreichische Verfassung gebrochen wird, in dem
autochthone Sloweninnen und Slowenen des Landes herabgewürdigt werden, drückt
hinreichend aus, wie viel Arbeit uns am Status einer zeitgemäßen Demokratie noch zu tun
bleibt.
Ebenso Details wie kommentarlos gepflegte Jahn-, Kernstock-
und Rosseggergassen, die ich hier in Gleisdorf finde, zuzüglich kommentarlos gepflegter
Denkmäler dieser Vordenker der Barbaren quer durch die Region verlangen eine
Gegenüberstellung anderer Zeichen. Hier ist nun ein weiterer Schritt dazu getan ...
Und nachmittags geht es hinaus auf die Felder, um den Geburtstag von
Jasper Johns zu feiern. Eingedenk "Locomotion"-Crewmember Michael Gröller,
dessen Beitrag da ist, er aber weilt in Korea, um dort heute Buddahs Geburtstag zu feiern
...
Cut!
Der in der Oststeiermark verehrte Priester Ottokar
Kernstock hatte in
seinen Gedichten, teilweise gemeinsam mit "Literaturikone" Peter Rosegger
den Krieg verherrlicht, den Tod im Felde als erstrebenswert dargestellt und unsere
slawischen Mitmenschen, damals gleichermaßen Untertanen des Kaisers wie alle anderen,
konsequent herabgewürdigt.
Cut!
Jugoslawien. Das halbe Jahrtausend Herrschaft der Osmanen
auf dem Balkan begann 1877 sein Ende zu finden. Rußland hatte sich als Schutzmacht des
orthodoxen Christentums und der slawischen Völker in diesem Raum deklariert und die
Türken angegriffen. Aber erst das militärische Engagement der Rumänen führte zur
Niederlage der "Hohen Pforte". Worauf die Habsburger Bosnien Herzegowina
okkupierten, um sich eine Position auf dem Balkan zu sichern. Während England sich auf
die Dardanellen schmiß und Zypern kassierte.
Ich nehme an, die Südslawen haben die Botschaft gut
verstanden. Daß nämlich mit Abzug der "alten Herrschaft" sich neue Herren
aufdrängten. Daß das lateinische Europa nur zu gerne bereit war, die Osmanen in deren
Vorherrschaft abzulösen. Das Osmanische Reich zerfiel über dem Krieg von 1912 / 1913.
(Also unmittelbar vor dem Ersten Weltrkieg.)
Eine der Konsequenzen dieses Umbruchs darf vermutlich als
Vorbote des jugoslawischen Sezessionskrieges gedeutet werden. (Die Konfrontation zwischen
Albanern und Serben im Kosovo ab 1981 war sicher ein wesentlicher Anlaß für das
Auseinanderbrechen Jugoslawiens.)
Ein erheblicher Teil Albaniens wurde zwischen Serbien,
Montenegro und Griechenland aufgeteilt. Albaner erhoben sich im Herbst 1913 gegen die
neuen Okkupanten, Serbien schlug den Aufstand blutig nieder. Österreich bedrohte Serbien
im Falle eines weiteren Vormarsches mit Sanktionen.
So war also das Haus Habsburg gegen die Serben aufgestellt,
eigentlich aber gegen deren neue Schutzmacht, das zaristische Rußland. Das Deutschland
der Hohenzollern sah in Frankreich einen mächtigen Konkurrenten und hatte ein
feindseliges Auge auf England.
Die "alten Imperien" Europas hatten kampfbereite
Positionen eingenommen, die Schüsse von Sarajevo schufen den Anlaß und die erste Bühne,
um die Hölle des Nationalismus loszutreten.
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