23. März 2005
Jazzer Berndt Luef. Hat lange zum Web eher noble Distanz
gehalten. Außer hier auf kultur.at
gelegentlich aufzutauchen. Nun gibt es ihn doch mit eigener Domain ...
Cut!
Gotovina. Ich hab nachgesehn, was denn zum Thema
Völkermord genauer in verschiedenen Konventionen formuliert sei. Denn die serbische
Soldateska hat sich da im Kosovo auf jeden Fall schuldig gemacht. Kroatiens Ante Gotovina
ging mit seinen Jungs in der Krajina den gleichen Weg. Der Club, dem wir in Österreich
angehören, hat Zuwachs erhalten. Quer durch Europa zieht sich diese Erfahrung, daß
"Nationbuilding" sich auf Völkermord stützt.
Dazu braucht es beherzte Täter und Opfermythen, das
scheint auch jede Menge Mitläufer zu motivieren. Bei meinen Recherchen zur
südosteuropäischen Gegenwart mehren sich übrigens die Hinweise, daß (einmal mehr)
Amerika Teile der Soldateska trainiert hat.
Dieses Bild zeigt einen kroatischen
Legionär, der einen serbischen Soldaten gestellt hat. Kann es für so eine Situation
Regeln geben? Gibt es. Die "Haager
Landkriegsordnung" von 1907 ist ein grundlegender Vertrag des
Kriegsvölkerrechtes. Sie nimmt vor allem einmal die fundamentale Unterscheidung von
Kombattanten und Nichtkombattanten vor ...
Cut!
Das war noch auf meinem Klemmbrett. Aus der "Kleinen Zeitung" vom 20.
März. Erika Pucher aus Graz demonstriert, wo die Latte liegt:
"Wo bleiben die Menschenrechte der Österreicher, die
ein Recht auf Schutz vor solchen verbrecherischen Individuen haben?" hieß es
abschließend im "Leserbrief". Und kein Kommentar, das geht einfach so ins
Blatt.
Gut, es zeigt, wo wir stehen. Diese Klarheit ist ja
nützlich. Es scheinen die Bemühungen von Kultur- und Bildungspolitik, aber auch des
Pressewesens die fast schon 60 Jahre seit der Verabschiedung der "Resolution 217 A (III)"
nicht gereicht zu haben. Um allgemein klar zu machen, daß Menschenrechte von niemandem
gefordert werden müssen. Denn der Artikel 2 besagt:
"Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung
verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse,
Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung,
nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand ..."
Man muß auch für Verbrechensopfer dies gar nicht erst
fordern, denn der Artikel 3 besagt:
"Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und
Sicherheit der Person."
Cut!
Interessantes Detail: Österreichs Gewerkschaften haben
1945 (!) sich vorgenommen, "die Volksmassen zu kritischem Denken zu erziehen",
wobei man explizit formulierte:
"Tyrannische, nationalistische, kriegerische
Ideen müssen zu Merkmalen für einen ungebildeten Menschen werden."
Erwachsenenbildung hatte damals Themen wie
"Völkerbildung und Völkerverständigung". Anfang der 1960er etablierte sich
der Begriff "Zweiter Bildungsweg" unter Einfluß des "Modells der vier
Bildungswege" von Ralf Dahrendorf. Man faßte die Schaffung einer
"Bildungsdemokratie" ins Auge. Die Idee von "lebensbegleitendem
Lernen" als praktisch einem "lebenslangen Lernen" war Ende der 1960er klar
im Blickfeld. (Quelle: Walter Göhring "Bildung in Freiheit")
Außerdem waren in den 70ern viele Menschen von Einsätzen
der "Entwicklungshilfe" nach Österreich zurückgekehrt und brachten ihre
Erfahrungen mit. Damit begannen kulturelle Praxismodelle der "eigenständigen
Regionalentwicklung". In denen eine Überbewertung von "Expertenwissen von
außerhalb", Zentralisierungen, das Aufstülpen "externer Lösungen" etc.
massiv in Frage gestellt waren.
Was schließlich in den 1990ern durch die "Neuen
Medien" unmißverständlich deutlich gemacht wurde, war über all die Jahrzehnte als
Annahme schon da: Das "Wissen der Welt" ist längst unfaßbar, viele alten
Bildungsideale gehören ins Museum. "Expertentum" verliert seinen Glanz und muß
neu gedeutet werden: Experten wissen immer mehr über immer weniger.
Die neue Mediensituation läßt im sogenannten
"Informationszeitalter" die Anforderung neuer Kompetenzen und Kulturtechniken zu
erwerben massiv werden. Zugleich war vieles, was man dazu braucht, in den Grundlagen der
Erwachsenenbildung während der Zweiten Republik längst vorformuliert ...
Warum ich das erzähle? Die Kulturpolitik des Landes,
mindestens der Region, zeigt klare Hinweise, genau solche Erfahrungslinien zu ignorieren
und auf die Modernisierungsschübe mit "alten Anmaßungen" zu reagieren ...
Retro ist angesagt.
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