24. Februar 2005 Ich hab gestern den mittäglichen Besuch von Ky erwähnt. Hinterher, live an der
Abwasch, kam mir ein Wort in den Sinn: "Fettlösekraft". Und ich hatte
plötzlich eine äußerst heftige Reaktion auf diese Infiltrationen des Lebens, die uns
Werbetexter mit ihren zu tiefst widerlichen Eingriffen aufbürden.
Cut!
Gajo Xinjian, ich habe ihn schon erwähnt, beschreibt in
"Das Buch eines einsamen Menschen" die Kulturrevolution in China. Das ließ mich
auch an Ky denken. Denn vor vielen Jahren waren wir mit einander auf Tour. Und während
der Fahrten von Auftritt zu Auftritt hab ich ihm aus der "Sonnenfinsternis"
vorgelesen. Arthur Koestlers Roman über die stalinistischen Prozesse.
Cut!
Die Debatte der Fraktionsleute zur kommenden
Gemeinderatswahl ist gelaufen. Moderat. Auch wenn ein Journalist eben noch kein Moderator
ist. Immerhin hab ich interessante und aufschlußreische Tage erlebt. Mit der Innenansicht
eines Prozesses. Wie eine Kleinstadt anläßlich der kommenden Wahlen beginnt, Websites
nicht mehr bloß als Informationsdepot zu verwenden.
Was mit dem Schritt "zurück in den analogen
Raum" für mich nun abgeschlossen ist. Denn bis zur Wahl wird es vermutlich keine
Überraschungen mehr geben. Außer, hm, Brad Pitt taucht auf. Immerhin kann man sich in
den offenen Gästebüchern gut anschauen, wo unsere Demokratie noch steht. Anonyme Ein-
und Anwürfe und Flames haben einen enorm hohen Anteil. Oder auch, es herrscht völlige
Windstille ... [Grüne]
[ÖVP] [SPÖ]
Cut!
Dafür sind im weltweiten Web grade die Geisterfahrer
unterwegs. Huh! Gestern. Spam-Lawinen, worin alles gleich dreifach daher kommt. Zweimal
neue Virendefinitionen. Und Kuriositäten. Zum Beispiel ein schweigsamer Poet, "tut
mir leid; eine dumme Attitüde meinerseits, die Geheimniscremerei", die Creme des
Geheimnisses hätte ich mir da auch gerne ins Gesicht geschmiert, nachdem mir der
Mysteriöse ("Mehr, verzeihen Sie, tut nichts zur Sache, vorläufig.") alle zwei
Wochen zwei "amouröse Gedichte" zustellen wollte. Von der Art: "unter
deinem lid / liegt blau / worin ich gerne bade / unter dein mied- / er schau / ich gern
gerade / der blick ist dann / sehr tangential ..." was für mich eindeutig ein zuuu
tangentialer Blickwinkel ist.
Dann wäre da ein "Microsoft Cetified System
Administrator", der mich bewegen möchte, mir einen exe-file zu beschaffen, damit ich
auf ein bestimmten Website den Buchstaben Ü korrekt dargestellt sehen kann. Kein Witz.
Die maschinenverliebten Jungs gehen einfach davon aus, ich verändere was an meiner
Maschine, damit ich so ein Ü besser sehe. Der lustige Kerl quittiert mir mein energisches
Nein mit:
"Anpassungsfähigkeit/Wandlungsfähigkeit ist eine
Fähigkeit die ständig trainiert werden soll um sie nicht zu verlernen. Genauso wie
heißes Wasser ständig gewärmt werden muss um nicht kalt zu werden." (Gichin
Funakoshi)
Ich habs also vermutlich mit einem Taoisten in der
Oststeiermark zu tun. Aber wenn er schon mal von Microsoft "Cetified" ist, will
ich die Sache vielleicht überdenken. Das tollste Dinge dieser Tage war aber folgendes:
Von: "j.st."
An: <der.krusche>
Betreff: Abmahnung Christa St.
Datum: Mittwoch, 23. Februar 2005 15:01
Sehr geehrter Martin Krusche,
Wie mir von meiner Mutter mitgeteilt wurde und ich mich
selbst überzeugen konnte haben Sie Bildmaterial inclusive Vor.- und Nachnahmen auf ihrer
Internet- Präsens veröffentlicht. Ich gebe Ihnen im Namen von Frau Christa St. eine
Frist bis zum 03.03.2005 diese ungehend zu enfernen. Falls Wiedererwarten keine Reaktion
eintritt werden wir rechtliche Schritte vornehmen.
Julian St.
"Wiedererwarten". Besagt allerdings, er erwartet,
daß ich wieder nichts unternehme. Verwirrend. Wie "Fettlösekraft". Egal! Das
ist immerhin ein schrulliger Anlaß an ein sehr schönes Projekt zu erinnern, welches ich
im Jahr 2000 im Wechselspiel zwischen "virtuellem" und analogem Raum realisiert
habe. Die "Verschwörung der
Poeten".
Wobei natürlich auch Bücher eine Rolle gespielt haben.
Wie zum Beispiel "Bouvard
und Pécuchet" von Gustave Flaubert. Ein hinreißender Roman über zwei
rettungslose Narren ...
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