14. September 2004

Ich hab hier gerade eine lebhafte Debatte mit einigen Enthusiasten alter Nutzfahrzeuge. Was ganz erstaunliche Geschichten zutage bringt. Und ich kennen niemanden, dessen Familiengeschichte von einem Fuhrpark unterlegt ist, welcher ein Museum der Automobilgeschichte satt füllen könnte. Wie das bei Micha Lanner der Fall ist ...

Cut!

Musolf ist nun noch weiter reingegangen, Verbindungen zwischen Transit Zone und The Junction einzurichten. Das Spiel mit öffentlichen als politischen Räumen erhält eine wachsende Ausstattung. Zur mobilen Transit Zone, die ich schon gezeigt habe, legt Musolf nun auch eine Miniatur vor:

log191a.jpg (27582 Byte)

Während ich ein weiteres historisches Motiv aufgreife. Und Unterstützung bräuchte. Deutschland hatte Lenin in einem versiegelten Zug nach Rußland verbracht, um dem Zaren die Revolution in den Nacken zu setzen. Was ja gewissermaßen funktioniert hat.

Der Zug steht heute noch im "Finnischen Bahnhof" von Sankt Petersburg. Es wird berichtet, Lenin habe in seinem Waggon einen Akt territorialer Abgrenzung gesetzt, in dem er auf dem Gang einen Kreidestrich zog, der die Grenze darstellte. Die von Deutschen nicht überschritten werden durfte.

Nun bräuchte ich Informationen über diesen Waggon. Sein Aussehen und seine Maße betreffend ... weiß jemand mehr?

The Junction

Cut!

Beograd (10)

Es kursiert noch die scherzende Zuschreibung "Titos kleiner Pionier". Was ein wenig mehrdeutig, wie mir scheint, einerseits einen streberhaften Menschen meinen kann. Der sich brav den gängigen Pflichten widmet. Andrerseits ein Stück Identität aus einem versunkenen System anrührt. An Kindheitserlebnisse geknüpft. Wie etwa an jene Stafette, die Tito zu seinem Geburtstag Grüße der Jugend aus dem ganzen Land überbrachte. Wobei unzählige Schulklassen in einem Sportstadion für den Marschall zu "gymnastizieren" hatten. Und ein Dorf sich Schande holte, weil das maßgebliche Mädchen die zugewiesene Markierung verfehlt hatte. Was die ganze Gruppe aus dem Konzept brachte, ihrem verantwortlichen Lehrer Wutausbrüche verursachte, während die Kinder heulend durch das Programm hechelten; überzeugt, daß der Marschall unter den vermutlich Tausenden Menschlein genau sie und ihren verpatzten Auftritt sofort im Auge habe.

Oder die Geschichte von dem Mädchen, das seine Jungfräulichkeit genau am Geburtstag der besten Freundin verloren hat, die wiederum ihre Jungfräulichkeit am Geburtstag Titos verloren hat. Was vermutlich in keinem kausalen Zusammenhang stand.

log191b.jpg (18802 Byte)

Ich wollte mir das Mausoleum dieses Mannes ansehen. Ein legerer Wachposten. Ein marmorner Sarkophag. Bodenfliesen, die aussehen, als wären sie im nächsten Baumarkt geklaut worden. Das halte ich für einen beruhigenden Umgang mit nationaler Ikonographie. Oder ist das in Serbien doch etwas komplexer angelegt? (Mehr als mein halbes Leben war ich der Meinung, es würde "Sakropharg" heißen.)

Titos Pioniere waren für uns Titos Partisanen ... so der Klang aus meinem Kindertagen. Es ist recht erstaunlich, daß sich in Österreich bis heute völkische Haltungen finden lassen, die sich auf eine lebhaft gepflegte Furcht vor anrückenden Slawen, symbolisiert durch die Phantasie von Titos Partisanen, gründen.

Um so erstaunlicher, weil es ja eigentlich unsere Leute waren, die unterm Kaiser Franz Josef und unterm Landschaftsmaler Hitler immer wieder den Balkan verwüstet haben. Nein, genauer genommen schon unter Prinz Eugen, der sich dort für das Haus Habsburg Schlachten mit den Osmanen geliefert hat.

Während mir kein Beispiel bekannt ist, daß Südslawen von sich aus hier bei uns  aufmarschiert wären. Und selbst als wir sie dann hergebeten haben, mußten sie sich unter dem Stigma "Gastarbeiter" erneut dämonisieren lassen. Wir haben die Slawen immer benutzt, so weit ich die Geschichtsschreibung einiger Jahrhunderte überblicke.

So weiß ich nie genau, wenn ich mich durch Beograd treiben lassen, ob ich gerade sehe was ich sehe, ob ich den eigenen Klischees meiner Kindheit begegene und aufsitze, den Motiven des kalten Krieges, ob erkennbar wird, was hier die Menschen eigentlich ausmacht ... ich weiß es nicht.

[Übersicht]


[kontakt] [reset]

38•03