5. Juni 2004 Ooooh, manchmal bekomme ich Post, deren
propagandistische Anstrengung betörend ist. Wie eben. Aus einem soliden Kulturtempel des
Landes. Über DJ RIPLEY. Worunter
man sich vermutlich eine sehr gefährliche Person vorstellen darf. Denn da geht es
irgendwie um Death$ucker, Havocsound; auf jeden Fall aus NYC, also
irgendwie weltrangmäßig, nehme ich an ... hier die Betörung:
Diese New Yorker Aktivistin und
Ausnahmekünstlerin beherrscht einen ganz besonderen Trick: Hinter den Decks sorgt sie
dafür, dass dein Hintern sich einbildet, ein Gehirn zu sein. Re-breaking Bässe und Beats
von Jungle über Dub, Dancehall, Hip Hop, und Bhangra Breaks bis hin zu Experimental
Noise. An sonnigen Tagen gibts Rocksteady in Reinkultur.
Irgendwie beruhigend, daß inzwischen
selbst der totaaale Underground im Omi-Stil der Bezirksblätter jener Provinz, in der ich
lebe, gefeatured werden. Da ist also kulturmäßig, vor allem weltrangmäßig, wirklich
was weitergegangen.
Und. Ich merke schon, wie mein Arsch zu
denken anfängt. Muß er auch. Denn in der Mainstreet von Gleisdorf, also weltrangmäßig
ziemlich in der Provinz, wie schon erwähnt, aber schon auch im Jungle, irgendwie, hats
gestern den ganzen Tag geschifft. Und wars arschkalt. (Was beim Denken stört.) Da seh ich
so ein Poster:
Jaaa, das hat mich im ersten Moment ganz
glücklich gemacht. Da schützt jemand Österreich. Während ich an diesem verschifften
Tag in der Provinz herumlatsche und mit meinem Kebab-Grillmeister darüber rede, was denn
nun die offizielle Türkei mit den Kurden anfangen will, denn Mehmet sagt: Nicht
alle Kurden sind Terroristen. Mehmet sagt auch: Ich bin Kurde.
Womit er sicher ausdrücken will, das
Weißbrot-Packerl mit dem gegrillten Fleisch, dem Joghurt, Salat und Chilli, mit der
Tomatenscheibe, nein, ich krieg oft zwei ... Tomatenscheiben ... Mehmet drückt damit aus:
Sei beruhigt, Österreicher, dieses Freßpackerl wird nicht in deinen Händen
und unter deiner Nase explodieren, dir den Kopf abreißen, denn ich bin zwar Kurde, aber
KEIN Terrorist ...
Ja. So ist das. (Uff!) Aber während ich
ans Essen denke und an für Österreich so unwesentliche Dinge wie die Kurden in der
Türkei, sind andere Leute damit beschäftigt, Österreich zu beschützen. Und ich dachte
schon fast: Supa! Aber dann fiel mir ein: Beschützen? Beschützen wovor?
Ich meine, das ist eines der reichsten
Länder der Welt. Und gäbs nicht zwischenzeitlich wirklich lausige Politik plus das
Pareto-Prinzip,
wonach 80 % des verfügbaren Einkommens in den Taschen von 20 % der Beteiligten
verschwindet. Warum? Weil wir, die restlichen 80 % der Beteiligten, entweder blöd oder
faul oder blöd UND faul sind, deshalb ... ha! Heut werden mir die Sätze aber zu lang! Darum.
Dieses Land ist wirklich reich. (Da red ich noch gar nicvht von den ausgewiesenen
Sparguthaben.) Und neuerdings sind wir keine Randerscheinung mehr, nein, seit 1. Mai sind
wir EU-Binnenland. Supa! Also: wovor beschützen? Den Türken! (Haha, kleines Scherzerl!)
Zugegeben, wir würden aussterben. Wir
ganz legalen Eingeborenen. Weil wir zu wenig Kinder kriegen. Was auch hieße: niemand
zahlt dereinst unsere Pensionen. Ha! Wären da nicht willige und qualifizierte
AusländerInnen. Die helfen. Bezüglich Geburtenrate und Pensionsbeiträge. Sonst käm
Österreich furchtbar in die Klemme. Auch die Pflege der Kranken und der Alten betreffend.
Das schaffen wir nie. Wären da nicht willige und qualifizierte AusländerInnen.
(Interlude: AusländerInnen. Das ist doch
eine ziemlich bescheuerte Schreibkonvention.)
Hinzu kommt! Slowenien signalisiert
glaubhaft, daß es weder Kärnten noch die Südsteiermark okkupieren will. Sonst noch was?
Nein. Ich wüßte nicht, wer oder was uns bedroht. Nämlich so, daß wir beschützt werden
müßten. Im großen Stil. Etwa im Sinne von: Gott schütze Österreich! Nein.
Gott muiß nicht strapaziert werden. Zumal er irdische Gefolgsleute hat, die sich auch auf
Heilsbversprechen verstehn.
Bleibt also die vaterländische FPÖ, die ein Problem
lösen will, das sie selbst ausgerufen hat. Na dann: Frohes Schaffen, Leute! Tuts mir
Österreich gut beschützen. Ist ja, wenn schon völlig unnötig, so doch ehrenvoll. Nehme
ich zumindest an. Oder?
(Räusper! Flüster! Ganz unter uns: ich halte die
Strategen, denen solche Slogans entfahren, für völlige Idiotes. Aber sagen Sie es bitte
nicht weiter. Man möcht sich ja sonst plötzlich bei den
"Österreich-Vernaderern" eingereiht finden. Was mir gar nicht recht wäre ...
hüstel! Ich denk mir eben: Wer mental und intellektuell noch bei der letzten
Türkenbelagerung feststeckt, hat AUCH ein Recht, ein Recht zu haben. Also bin ich froh,
daß ich froh bin und daß wir eine Demokratie haben. Da darf es das alles geben ...)
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