Fünf Tage Polen (9) Ich hatte mich mit dem Komponisten und Stockhausen-Verehrer Jarek Mamczarski
darüber unterhalten, was die Klänge seien, auch der Klang von Sprache, welcher
Achtsamkeit verdiene. Und daß man bei uns sehr lange gebraucht hatte, um beispielsweise
in den Nachrichten den Namen von Lech Walesa so ausgesprochen zu hören, wie das die
polnische Sprache verlangt. Ich bat Jarek darauf, mir Soundfiles anzufertigen, die heute
eingetroffen sind. Mit sieben Versionen, den Namen auszusprechen. Hier ...
In Polen war für mich die Sprachbarriere
höher als ich erwartet hätte. Aber das widerfährt mir oft ... daß ich mit zu vielen
unbrauchbaren Annahmen auf fremdes Terrain losziehe.
Ich bin in der Nähe zum Slowenischen
aufgewachsen. Ohne über viele Jahre auch nur eine Ahnung zu haben, daß es in meiner
Heimat autochthone Slowenen gibt. So gründlich hatten Landesregierung, Bildungswesen und
Alltagsgewohnheiten diese Nachbarschaft ausgelöscht. Das Thema war ursprünglich von dem
Motiv der Tito-Partisanen überlagert, schließlich von jenem der
Gastarbeiter. Alles was diesen Süden betraf, war mit dem Kürzel
Jugo in herabmindernder Form behängt.
Die slawischen Sprachen galten uns als
häßlich. Später fand ich heraus, daß über diese Verurteilung des Klanges
die nationalistischen Diskurse sehr wirkungsvoll ins Volk getragen worden waren. In einem
recht kurzen Zeitraum. Ende des 19. Jahrhunderts, aber nicht nur in die Nazi-Ära hinein.
Auch in unserer Zweiten Republik wurde das Slawische hier noch von exponierte
Personen herabgesetzt.
Ein russischer Film, den ich in Originalfssung
gesehen hatte, ließ diesen stillen Konsens irgendwann endgültig stürzen. Ich weiß
nicht mehr, welcher Film das war. Aber ich erinnere mich, daß ich die russische Sprache
als fesselnd und wohlklingend erlebt habe, ohne auch nur ein Wort zu verstehn. Dadurch kam
allerhand in Bewegung. Dabei hatte ich aber meine kroatische Großmutter längst
vergessen, die ich nie anders als deutsch sprechen gehört habe. Ich hatte vergessen, daß
meine Mutter und ihr Bruder einen guten Teil ihrer Kindheit in Slowenien verbracht hatten
und mein Onkel heute noch anstandslos slowenisch spricht.
Österreich. Das ist eben auch, daß
dieser Onkel, der unter Slawen aufgewachsen ist und ihre Sprache spricht, sich eine
abfällige Bemerkung nicht versagen konnte, als er sah, daß mein Mädchen eine Serbin
ist. Diese bewußtlose deutsch-katholische Arroganz, die sich auf viele Arten zeigt, eben
nicht nur im auf Bildung beruhenden lateinischen Hymnenschreiben für Europa, liegt einem
hier überall noch vor den Füßen herum.
Polen. Ich hatte mich mit den Klängen
des Slowenischen, Serbischen und Russischen längst ein wenig vertraut gemacht, das eine
oder andere Wort behalten, manchen kleinen Satz zu sprechen gelernt. Aber in Polen
verstand ich gar nichts. Und war nicht einmal in der Lage, zu jemandem danke
zu sagen. So anders schien mir diese Sprache.
Als Denisa und Pavel aus Prag auf dem Set
erschienen, stellte ich beruhigt fest, daß sich Leute aus Tschechien mit jenen aus Polen
auch lieber englisch unterhalten. Die Praxis des Kontrastes bleibt fordernd ...
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