16. Mai 2004

Es ist kein milder Mai. Es ist eigentlich viel zu kalt. (Naja, wo wird das entschieden?) Aber Inge und Franz Wolfmayr ziehen in die frühe Nacht einen kleinen Korridor der Wärme ein. Nicht nur durch das Feuer. Auch mit den vorzüglichen Weinen und dem indisch geprägten Essen.

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Das klingt so sehr privat und heimelig. Hat aber noch ganz andere Zusammenhänge. Wie oft finde ich Menschen, die sich nicht darin ergehen, einem in den Plaudereien über die Welt all das Unerträgliche vorzulegen und nichts sonst, so daß man nach zwei Stunden denken möchte: nehme ich einen Strick oder lieber eine Knarre? Nicht sehr oft!

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Oder in das Geblöke und Geschwätz einstimmen, wie ich es immer öfter aus der Politik vernehme, wo dann keine nachvollziehbaren Handlungspläne mehr auffindbar sind? Aber! Die Erörterung der Dinge, die offensichtlich schieflaufen, verknüpft mit sehr konkreten Erwägungen was zu tun sei, das ist doch SEHR nach meinem Geschmack. Das war letzte Nacht so.

Cut!

Die „Kronenzeitung“ bot gestern den Aufmacher „Weil die Lage völlig außer Kontrolle gerät: USA diskutieren Abzug aus Irak!“ Woraus man schließen darf: die Waffenindustrie hat satte Umsatzsteigerungen lukriert. Die konsequente Demütigung und Folterung von Muslimen hat gewiß beigetragen, die Probleme zu fördern, die zu lösen Awmerika angetreten war.

Im „Standard“ von gestern war zu lesen: „Folter: Militärpolizei bekennt sich schuldig“. Da legen die Good Guys also draußen, nach dem der längst Krieg vorbei ist, die soliden Fundamente für neue Wege in die Barbarei. In der "Kleinen Zeitung“ vom 8. Mai stand zu lesen: „Folter seit 9/11 kein Tabu. Die Genfer Konvention galt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht mehr. Das sei eine Entscheidung des Pentagons und der Geheimdienste gewesen.“

Ich bin nicht auf Stand, was diese Landkriegskonvention im einzelnen behandelt. Aber da wäre ja noch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ... Die Headline in der „Kleinen“ lautete: „Rumsfeld vor US-Senat: Ich bedaure zutiefst“

Warum? Was bedauert der Kriegsminister? Es hieß da weiter:
„Die Privatisierung von Militär- und Geheimdienstaufgaben hat dazu geführt, daß unter Rumsfelds Verantwortung allein im Irak tausende Zivilisten Besatzeraufgaben haben und so auch mit Verhören beauftragt sind.“

Also zum wiederholten Mal:
Zivilisation heißt mindestens das Ringen um Gewaltverzicht. Und die Akzeptanz, dem Staat ein Gewaltmonopol zu übertragen, das nach klaren Regeln geordnet und politischer Kontrolle unterworfen ist, das in öffentlichen Diskursen zur Debatte stehen muß. Ich mißtraue jeder Regierung, die diese Position aufzugeben bereit ist.

Fünf Tage Polen (6)

In den Gängen des Hotels wechseln sich verputzte Mauerstücke mit blankem Ziegelwerk ab. Einige Tage darauf wird mir Thomas Rohark in Gliwice das Begriffspaar „Backstein und Haustein“ ins Blickfeld rücken. Wo kein Stein gehauen werden konnte, mußten Ziegel hergestellt werden ... Das Backen und das Hauen von Steinen ... erinnert mich daran, daß bei mir zu Hause die Bauern der Oststeiermark seinerzeit die Ziegel für Bauvorhaben selbst hergestellt haben. Gelegentlich mit Lehm von den eigenen Böden. Die Gewinnung des Stoffes hieß „Lehm schlagen“.

Der Frühstücksraum ist ein in den Innenhof gestellter Kubus. In dem ein weit auslandendes Bufett bereit stand, das hätte ein riesiges Fest sichern können. Zu meinem ersten Frühstückskaffee auf polnischem Boden gesellte sich am Nebentisch ein dicklicher Deutscher im gut geschnittenen Anzug, der in einer endlosen Tirade auf eine feingliedrige junge Frau einredete. In einer Lautstärke als wäre dies sein privates Wohnzimmer.

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Ich weiß nicht was ich erbärmlicher finde. Daß ältliche Herren Frauen mit Anzüglichkeiten oder Sachthemen überschütten. Es war als ob er Kerl schon zum Frühstück einen Vortrag halten würde. Wie mochte der sich den restlichen Arbeitstag benehmen?

Zum „netARTeria“-Auftakt im großen Kulturzentrum von Katowice sah ich andere ältliche Herren in gut geschnittenen Anzügen. Und erfuhr zu meinem Erstaunen allerhand über „die europäische Kultur“, der so manche Gefahr drohe. Nicht zuletzt „McDonaldismus“. Ich erfuhr von falschen Händen, in die irgend etwas geraten könne. Wenn sich die Lebensbedingungen von Völkern verändern, seht man oft einen Kulturpessimisten in die andere Richtung rennen. Das scheint verläßlich zu geschehen und internationale Verbreitung zu haben.

Ein nützliches und anschauliches Vorkommnis, fast ein wenig wie ein Wegweiser, der mir sagt: Gut, hier geht’s also nicht entlang.

Kommt Betroffenheitsprosa mit Sätzen wie „kollektive Dummheit“, referiert der Herr Doktor Scheinprobleme und bietet Immanuel Kant für Dummis. Naja, ohne diese selbstreferentiellen Kultur-Auguren scheint es nirgends zu gehen ...

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