15. Mai 2004 Kaum hänge ich eine Weile auf der Couch
herum und schmökere durch einen Stapel Zeitschriften, gerate ich in zwiespältige
Zustände. Lachen? Weinen? Lachen! Da zitiert der Standard Gottes eherne Faust, den launigen Bischof Kurt Krenn:
Islam und Christentum können in einer politischen Einheit einfach nicht
zusammenfinden.
Meint einer, der Glaubensgruppierungen
nahesteht, die man landläufig einem katholischen Fundamentalismus zurechnet.
Luxig!
Daß er um die erhoffte
Re-Evangelisierung Mitteleuropas bangt, ist schon klar. Rennen seiner Firma doch die
Schäfchen davon, selbst in Italien, da müßte einer wie Krenn schon weit gehen, nämlich
bis Südamerika, daß er kräftig wachsende Kirchengemeinden fände. Und dann wäre er
dort mit einer Befreiungskirche und einer Soziallehre konfrontiert, da würden ihm
vermutlich alle verbliebenen Haare ausgehen.
Ich finde es auf jeden Fall interessant,
daß die Slawen, bevorzugtes Feindbild seit meinen Kindertagen nun offenbar
von den Moslems als Schreckensfiguren für abendländische Werthaltungen abgelöst wurden.
Das kommt bei guten Christenmenschen doch gelegentlich vor, daß sie einen
Nigger brauchen, an dem sie sich bestätigen können, wo der Herrgott wohnt.
Cut!
Irgendwo hatte ich ein Notiz verwahrt,
die ich jetzt nicht finde. Awmerika bindet Privatfirmen in das Kriegsgeschäft ein. Was
meines Erachtens zweierlei bedeutet. Es wird das Gewaltmonopol des Staates sprunghaft
aufgeweicht und es wird nun ganz direkt statt bloß indirekt das Kriegführen ein
Business.
Damit geht die Nation mit dem Anspruch
der Vorherrschaft in der Welt zurück Richtung Barbarei. Denn was immer mit
Zivilisation gemeint sein mag, eines muß sie ganz bestimmt als Voraussetzung
haben: Gewaltverzicht und die streng geregelte Überlassung des Gewaltmonopols an eine
demokratische Staatsmacht. Mit entsprechenden Möglichkeiten der Kontrolle dieses
Monopols. Durch Politik und durch öffentliche Diskurse.
Übrigens. Ich trenne da. Zwischen den
Menschen Amerikas und der Regierung Bush plus ihrer Entourage. Daß sich meine
Schreibweise Awmerika vom Wörtchen awful = furchtbar ableitet,
dürfte aufgefallen sein. Ich hab nebst diesem Awmerika natürlich auch ein Amerika vor
Augen, in dem man sich der Menschenwürde verpflichtet fühlt. Man denke nur an die
hinreißende Coco Gordon,
mit der mich vergnügliche Vorhaben verbinden ...
Fünf Tage Polen (5)
Ich mochte die Stimmung in Katowice auf
Anhieb. Die Stadt hat keinen unnötigen Glanz. Macht keine hohlen Versprechungen. Sie
biedert sich den Fremden nicht an. Sie ist weder besonders schmutzig noch besonders
sauber. Weder schrill noch leise. Sie will, wie mir scheint, nichts anderes sein als die
Stadt ihrer Leute. Ich hab mit den kleinen Rädern meines Koffers auf dem Pflaster der
Gehsteige erheblichen Lärm verursacht. Und bin, wie gewohnt, trotz verfügbaren Planes
falsch gelaufen. Was mir zu ersten Eindrücken verhalf. Unter anderem, daß es hier eine
lebhafte Graffiti-Szene gibt.
Zuhause hatte mir jemand im raunenden Ton
des Wissenden gesagt, dies sei eine häßliche Industriestadt. Ich weiß nicht, wo der
Mensch gewesen ist. Vielleicht in einem Paralleluniversum. (Wir kennen uns damit aus!)
Vielleicht gibt es so eine Art in der Welt zu sein, man könnte sagen: der ewige
Tourist. Solche Leute wollen oft zweierlei, nämlich daß es wo anders sehr schön
ist und daß es dort das gleiche Essen gibt wie zuhause. Vielleicht macht das die
Differenz aus, die ich zu diesen Menschen empfinde. Im Zug hatte ich das schon erlebt. Ein
lautes, schwer erträgliches Trio, das offenbar gerne kleine Reisen macht, um endlich das
Gefühl zu bekommen, ihre peinlichen Ansichten seien von Belang.
Da ertönt dann wieder all die
Abschätzigkeit gegenüber den slawischen Nachbarn. Zurückhaltender zwar, aber doch
unüberhörbar. Egal! Wer wegfährt um sich zu bestätigen, daß es zuhause am schönsten
sei, braucht keinerlei Zurufe.
Das Hotelzimmer am Ende eines langen Ganges hat ein Fenster
zum Innenhof, ich war nach der langen Bahnfahrt in Stille aufgehoben. Und in jenes alte
Bosnien versunken, das Ivo Andric
in Wesire und Konsulnbeschrieb.
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