2. März 2004
>>no hurry!!! remember time is
timeless!!<<
Nur keine Eile! Erinnere Dich, Zeit ist zeitlos! Diese Empfehlung erhielt ich gerade von
der New Yorker Künstlerin Coco
Gordon, die unlängst das Jane Doe-Thema aufgegriffen hat und daraus bissige, amüsante,
überraschende Motive schöpft.
Cut!
Kauft man sich einen Briefmarkenkatalog,
kostet der nicht gerade eine Kleinigkeit. Dafür bietet einem Herausgeber ANK drei Briefmarken-Goodies zum Sonderpreis. Dazu gehört
die grafisch miserabel gestaltete Werbung für das eigene Haus. Diesen Service bietet
unsere Post neuerdings. Das man sich selbst auf Briefmarken der Welt zeigen kann. Was in
letzter Zeit zum Beispiel Benita Ferrero-Waldner und Jose Carreras auf heimische Briefsendungen schafft.
Die zwei anderen Angebote widmet ANK Marcel Prawy und Kaiser
Franz Josef. Bemerkenswerte Motive. Von denen man annehmen darf, daß sie etwas über
das Selbstverständnis der Menschen in diesem Land ausdrücken. Prawy ist ein Monolith in
unserer Kultur. Seine Begegnung mit Hermes
Phettberg inklusive des Diskurses über das zwanghafte Anhäufen von Dingen, die in
Plastiksackerln verwahrt werden, halte ich für einen vergnüglichen Höhepunkt
österreichischer TV-Geschichte.
Aber der Kaiser! Da wurden
Jubiläumsmarken anläßlich des 80. Geburtstages der Majestät mit Genehmigung der Post
nachgedruckt. Was bleibt von diesem Kaiser, wenn man die Verklärung in Filmen aus der
Nazi-Ära beiseite läßt?
Ein erzkonservativer Patriarch, der die
bürgerliche Revolution von 1848 blutig niederschlagen ließ, der dem Weg ins 20.
Jahrhundert nicht gewachsen war, der wesentlich beigetragen hat, die Welt in den ersten
totalen Krieg zu stürzen, in dem die Wurzeln des Faschismus liegen, in dem sich Auschwitz
angebahnt hat. (Denn unter diesem Kaiser konnte der Antisemit Lueger was werden und manch
anderer Exponent der Menschenverachtung.)
Eric Hobsbawm schrieb, der Erste
Weltkrieg sei eine Maschine zur Brutalisierung der Welt gewesen, und solche Männer
sonnten sich in dem Ruhm, ihrer latenten Brutalität nun freien Lauf lassen zu
können. Darin war der Faschismus angelegt. Hobsbawm meint ferner, die große
Inflation von 1922 / 23 habe Mitteleuropa für den Faschismus reif gemacht.
Cut!
Ich hab schon erwähnt, daß die
Faschisten sich ursprünglich nicht selbst so genannt hatten, sondern von politischen
Opponenten so bezeichnet wurden.
Bis 1933 galt Italien als einziges
faschistisches Land. Rund um Mussolini konnte man sich eine Hegemonie zweier Bewegungen
vorstellen. Hitler sah das ganz anders und schaffte sich den Duce beizeiten
vom Hals. Wenn ich mir durchsehe, was ich über Faschismus gelesen habe, scheint mir das
ein vor allem auf Italien und Deutschland anwendbarer Begriff. Wobei diese Regime ganz
erhebliche Peripherien und Querverbindungen hatten. Die anderen Systeme und
Bewegungen erscheinen mir als komplementär. Manches davon waren bloß Splittergruppen.
Die Resonanz reichte quer durch Europa.
Kroatische Ustaschi unter Pavelitsch. Ungarische Pfeilkreuzler
unter Szálasi. Britische Faschisten unter Mosley. Die Eiseren Garden
Rumäniens, Bewegungen in Finnland, Dänemark, sogar in der Schweiz. Nicht zu vergessen
der erstaunliche Pakt mit Japan. Francos Spanien und Salazars Portugal, Frankreichs
Action francaise ...
Faschismus scheint sich nie so umfassend,
radikal und nachhaltig entfaltet, manifestiert zu haben, wie durch Hitlers Regime. Das kam
nicht aus dem Blauen und nicht isoliert. Das hatte weitreichende Konsequenzen, die bis in
unsere Gegenwart reichen. Das hatte breite Vorbedingungen. Da sehe ich Dollfuß prominent
plaziert. Völlig egal, ob er nun nach strengen Kriterien als Faschist bezeichnet werden
darf oder nicht. Er ist eine Regierungsgröße im breiten Flußbett des aufkommenden
Faschismus, darin Österreich eine sehr prominente Rolle spielt. Allein das macht es
unerträglich, daß immer noch ein Dollfuß-Portrait im Hause unseres Parlaments
aufgehängt ist.
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