21. Februar 2004

Das ist mir ein angenehmes Besprechungszimmer. Der „Gasslwirt“ in Gleisdorf. Wenns ans Zahlen geht, fragt Guido, der Wirt, höflich als wüßte er es nicht: „Und? Backhendelsalat?“ „Ja, ausnahmsweise.“ antworte ich. Ich esse dort seit Jahren. Immer. Steirischen Backhendelsalat. Obwohl die Küche natürlich auch andere Köstlichkeiten bietet.

Donnerstags haben wir begonnen, für das Netzkulturgeschehen ein paar neue Perspektiven zu erarbeiten. Jörg, Jürgen und ich. Während die eingesessene Szene der Steiermark inhaltlich und wirtschaftlich implodiert, die Restbestände im Kielwasser einer sie gängelnden Kulturpolitik dümpeln, wirds langsam Zeit, andere Verfahrensweisen zu entwerfen ... und umzusetzen. Das heißt schließlich auch: Andere Allianzen tun Not!

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Ich hab grade mit einem Gleisdorfer Gärtner geplaudert. Adi Ruprecht sagt ganz selbstverständlich vor sich hin, sieben Jahre seien eine Zeitspanne, nach der man sich was einfallen lassen müsse. Ja, für Geschäftsleute ist das ein ganz gewöhnlicher Gedankengang. In der Initiativenszene staune ich über ein Beharrungsvermögen, das einen da und dort nach 15 Jahren immer noch in der gleichen Furche schleifen läßt. Merkwürdig! Aber!

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Vogeltanz hält von solchen Schleichgängen ebenso wenig wie TUB-Boss Kapeller. Der gelegentlich am Handy hängt und Dinge sagt, die klingen wie: „Elastizitätsmodul“. Darauf höre ich von Vogeltanz: „Mädchenphilosoph.“ Kapeller sagt: „Stringworker!“ Vogeltanz wirft ein: „Mach ma eine Art sterirische Seitenblicke, wo nur wir vorkommen.“ Kapeller entgegnet: „Mai ist ein guter Juni.“ Vogeltanz nickt und bemerkt: „Was wir machen, wirkt nicht in den ersten vier Minuten."

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Kapieren Sie nun, wie das bei uns läuft? Das ist nicht einfach. Ja. Darum wieder kurz zur Vergangenheit. Dollfuß, der Faschismus ... Wissenschaftliche Fachkräfte nehmen es sehr genau. Da wird zum Beispiel Dollfuß mit Berufung auf den großen Sozialdemokraten Otto Bauer als „Halbfaschist“ ausgewiesen. Für diese harte Tour der Quantifizierung als Qualifizierung bin ich nicht zu haben. Das ist mir ein bißl zu kompliziert und überfordert meinen Kriterienkatalog.

Der Aufstieg des Faschismus hat seinen Hintergrund in sozialökonomischen Krisen, die Reinhard Kühnl in seiner Betrachtung der „Formen bürgerlicher Herrschaft“ betont. Solche Krisen scheinen es zu erleichtern, unzufriedene Bevölkerungsteile zu mobilisieren. Mobilisierung. Bewegung. Aktion vor Reflexion. Herrschaft auf der Straße statt Mehrheit im Parlament. Das sind Elemente des Faschismus. Aber die Krisen reichten laut Kühnl keineswegs, um faschistische Wahlerfolge zu sichern. Die Barbaren mußten sich zugleich die Unterstützung herrschender Klassen beschaffen.

Das ist eine bemerkenswerte Grätsche. Sich bei verarmenden Massen mit erheblichem Groll gegen die Eliten ebenso anzubiedern wie bei den Leuten die den Ton angaben und das große Geld hatten. (Ein Muster, auf das man vielleicht jederzeit achten sollte.) Industrielle und Bauunternehmer haben mit autoritären Systemen sehr vorteilhafte Geschäftssituationen. Eric Hobbsbawm schrieb: „Der Massenkrieg erfordert die Massenproduktion.“ Das heißt ... Profit.

Ob nun Halb-, oder Vollfaschist, die exponierten Personen dieses Genres sind in sehr komplexe Zusammenhänge verstrickt, die man erst mal verstehen und dann beschreiben können sollte. Ohne problematische Komplexitätsreduktion. Hmpf! Schwierige Sache. Weshalb immer wieder Warnungen zu lesen sind, mit der Zuschreibung Faschist sei sehr achtsam umzugehen.

Kühnl schrieb, die herrschenden Klassen seien bis 1918 an eine Staatsform gewöhnt gewesen, „die ihnen als Unternehmer die Möglichkeit gab, ihre Arbeiter wie Rekruten zu kommandieren.“ Klaus Theweleits Theorien über den Faschismus haben eine zentrale Figur: Das „Ideal des soldatischen Mannes“ in einer Gesellschaft, welche die Armee quasi als „Schule des Lebens“ ansah.

Ich denke, man kann die autoritäre „Untertanenproduktion“ als eine tragende Vorbedingung des Nazi-Faschismus ansehen. Darin nahm Dollfuß (als hoher Repräsentant der Ersten Republik) eine herausragende Position ein. Genau das ist für mich so bemerkenswert. Diese Repräsentantenrolle macht ihn als historische Größe aus. Als Bezugspunkt einer Markierung. Ob er nun eher als „Präfaschist“, „Halbfaschist“ oder „Vollfaschist“ gelten muß, ist mir insofern wurscht, als diese Nuancen nicht zur Klärung dessen beitragen, was mich da beschäftigt. (Dazu komme ich noch ...)

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