van.at: literatur (beiträge)

• Michael Roloff / Schliche #5

Dem Handke auf die Schliche:
Stempelung einer Briefmarke zu Lebzeiten
=V=

E-1-14....] Die popanzhafte Idiotie im persönlichen Benehmen, der Manieren, auf seiner und Libgart Schwarz' und Kolleritschs USA-Reise 1971- einige Germanisten lecken sich noch die Wunden - was ein anderer Idiot, der Reich-Ranicki, als Handkes Tölpelhaftigkeit oder so ähnlich bezeichnet - samt Arroganz -, habe ich nur als Suhrkamp Vertreter in New York, Übersetzer der Stücke, Lektor, sowie erster Regisseur der frühen Stücke in New York, Besuche in Berlin und Paris empfunden, wobei einem folgendes und nicht in dieser Reihenfolge über die Jahre hin auffiel:

[e-1] daß: Herr Handke eine Art Röntgenblick für das Böse respektive böse Leute hatte; ausgedrückt zu der Zeit als "der ist aber ein ganz Böser;" oder "wenigstens sehr Deutsch" und überhaupt. Was mich jedenfalls auf Gedanken über sein Milosevic-Verhältnis bringt; trotzdem, Handkes autokratische Seiten warscheinlich auch zu diesem Veraeltnis beigegragen haben, samt Milosescivics Verteidigung  eines vereinigten Jugoslaviens.

[e-2] unwissend, vielleicht defensiv überheblich und undankbar arrogant in den 60er bis Mitte der 70er Jahre war, wovon er ja einiges [z. B. die Beschreibung seines wirklichen Vaters, einem Herrn Schönherr aus Norddeutschland, in "Wunschloses Unglück", später bereute – diese Reue dann ablegend, der Schuld genug, ab einem gewissen 80er Jahre Zeitpunkt ["Am Felsfenster morgens"]. Ja, so geht's auch!   

[e-3] dass das Hässliche ihn beinah zum sofortigen Kotzen bringt [brachte?]; ja, dieses "nausea of the eyeballs", diese Übelsein an so vielem, besonders zur frühen Zeit , der Sprache, was mich besonders stutzig machte. Der "Kaspar" mit seiner der Sprache Übel und jedes Wort ein Schmerz kann auch wohl auf autobiographisches zurückgeführt werden. Benehmen ja sicherlich.

Zu einer Zeit sogar Ekel an nur dem Zeichen für Heu, das er jetzt liebt.["Versuch über die Müdigkeit"]. Inzwischen ist Handke "Wortklauber" wie er es so schön nennt, der erpichteste der "mot justler", geworden.

[e-4] dass nach der 21 Lesungen in 28 Städten Reise des österreichischen Kulturgut-Pakets Handke, Kolleritsch, Libgart Schwarz, bei mir - ihrer selbsterwählten Karawanserei [der Gedanke war wohl: Suhrkamp Agent gleich Suhrkamp Haus] - Herr Handke voller Energie, vielleicht des vielen sich selbst Vorzeigens und vieler Resonanz wegen, stracks zu den sehr nahen [Rizzoli, Hotel St. Regis] Zeitschriftenläden ging, um zu schauen, welche den Spiegelsüchtigen in der Reisezeit vielleicht abgebildet hätten [?]; während Herr Kolleritsch seinen Tachycardia-Anfall auf meinem ehemaligen Ehebett kurierte, und die vernachlässigte, schon am ersten Abend sofort rasant und gekonnt unter dem Tisch bei Elaine's flirtende Libgart Schwarz [von welchem Flirten das Handke-Kolleritsch Pärchen, zu der ganzen Zeit bis auf ein einziges "Libgart du bist so anders" nicht die geringste Kenntnis nahm] erschöpft auf dem Liegebett in meinem Arbeitszimmer sofort einschlief, von ihrem geilen Gastgeber beliebäugelt. Die Jagd der Frau auf ihren Mann im "Kurzen Brief zum langem Abschied" [der Roman in dem viel von dieser Rundreise durch die USA sich widerspiegelt] interpretiere ich als Übersetzung der emotionalen Sehnsucht der Libgart - vielleicht auch der Sehnsucht des emotional damals behinderten Autors [?] - gegenseitig unerfüllbare Sehnsüchte - auf ihren unnahbaren Gatten, dies ist ja nicht die einzige wütende Frau die eine Handke-Person in einem Handke-Buch verfolgt - oder die ihm dann weggelaufen ist. Ja, es als Frau auf längere Zeit mit Herrn Handke hautnah es auszuhalten – das schaffen nur französische Heilige.

[e-5] dass Handke, trotzdem oder weil er die größte Schwierigkeit im sozialen Umgang hatte, einfach alles von sich ausplapperte. Kaum war der Handke-Empfang vorbei - um ihn mit seinen frühen Bewunderern in der amerikanischen Kritik, Richard Gilman und Stanley Kaufmann, bekannt zu machen - und der Ehrengast von seinem Schutzplatz bei dem Plattenspieler/Jukebox, zu dem er sich geflüchtet, wieder aufgestanden, bezeichnete er, grinsend, seinen Gastgeber als SCHWUL, woraufhin Libgart Schwarz [wir voneinander wissend, dass wir nur fünf Minuten gebraucht, suchten um in ein so schönes Kafkasches Katzenpaar zu verknäueln], beschwichtigend, nicht auf sich, sondern das zur Zeit nicht gerade treuen Gastgebers schon etwas früher, ihrer Kinder wegen, verabschiedeten Renate aufmerksam machte [es was wahrlich die Zeit des "Ritts über den Bodensee"]. Das Missverständnis, zwischen zwei Söhnen rasant schöner Mütter, also zwei erstklassigen "motherfuckers", war auf den Ginsberg-Vorfall zurückzuführen, und dieser wurde erst ungefähr 10 Jahre später in Salzburg aufgeklärt, als der ehemalige Gastgeber seinem Gastgeber auf dem Mönchberg endlich erläuterte, dass nämlich er, des einstigen Ephebe/Mignon Handkes Arsch des brutalen Buddisten Ginsberg Lust da bei Pannah Gradys Party hätte gewesen sein sollen, ich nur als "go-between," als Übersetzer angesprochen, eingeschaltet, worden war, wobei mein schützendes Benehmen in der Form meiner dann preußischblauen Epheben aller Art Beschützenden Funkensprühen dem Handke dabei nicht aufgefallen war, aber den Ginsberg scheinbar zum Ablass seines Vorhabens brachte. Nach der Aufklärung des Missverständnisses - Handzeichenfingersprache - erschien mir das doofe Handke - Grinsen von 1966 aber um noch unangenehmer. Alle unsere Annahmen, inklusive des toten Alans. [Micro Play] Besonders zu dieser Zeit und meinem damaligen (1980) Geisteszustand nach, da ich selbst, ziemlich triumphalisch von einem Besuch aus Bulgarien zurückkehrte! Und trotz all der Liebe und Bewunderung was der Kerl schriftlich leisten kann – für mehr als einen guten Grund hatte ich auch eine große persönliche Wut [siehe weiter], eine Wunde die aber tief unterdrückt, oder ambivalent – gibt's so was wie ambivalente Wunden, ja schon wenn sie auch positive Ergebnisse haben - weswegen ich am Abend, unter mehr als vier Augen, versuchte ihm das Pokern beim Tarok zu lehren.
 
Der lange Umweg zu e-6

EIN BESUCH AUF DEM MÖNCHSBERG
Im Herbst 1980 hatte ich vor der Abreise nach Sofia in Salzburg angerufen, und beim zweiten mal gefragt ob er sich vielleicht eine Sekretärin angeschafft hätte: nein, das sei die Libgart, die am Telefon gewesen - was mich um einiges erstaunte, und kam dann um einen Zug verspätet, mich selbst einmal königlich fühlend, als einer der wenigstens ein bisschen Kulturfrieden in die bulgarisch-amerikanischen Beziehungen gebracht hatte, nach der Rückkehr nach ein paar Tagen Wien in Salzburg, an; fragte den Portier des Mirabelle-Hotels wo denn der Mönchsberg sei. Dort lebten die "großen Tiere" sagte der, und dieses Gefühl hatte dieser Irredentist auch irgendwie schon wohl seit langem; und erzählte dem dann, dass er doch mal den Simmel, den er gerade schmökerte, lassen sollte, denn da oben lebe ein Schriftsteller, der schreibe auch ganz einfach, aber besser.

Dem Herrn Handke, wie ich es dann später in seinen eigenen Worten lesen würde, ist's eines der schlimmsten Sachen, dass man ihn warten lässt, und seine Reaktion auf die Majestätsbeleidigung war sofort zu bemerken. Wie er da mir in den herbstlichen Park Anlagen des Mirabellen Hotels mit den Blättern zuwehte – 'Na du altes Arschloch', war ja eigentlich recht freundlich - ich ihn dann aber schnell beschwichtigen musste mit der quid-pro-quo Lüge, die man ja immer in der linken Tasche haben soll, er sei doch selbst nicht immer gerade pünktlich. 'Ja, und warum hast du Immerschreiber einfach nicht weitergeschrieben?' sagte ich nicht.

Er sagte, er hätte es erwartet dass ich in solch einem Hotel absteigen würde, was mich verblüffte, da er nichts über meine Hotelvorlieben wusste; die billigsten abseitsliegendsten Pensionen, allerdings mit Möglichkeit zu Schwimmen. Dass er wohl von seinen eignen Hotelpräferenzen sprach, sagte ich ihm auch nicht. Seine bemerkbar verletzte Eitelkeit ein wenig beschwichtigend, gab er mir auch Einverständnis und Raum um mich über die Bulgaren, die ich da getroffen hatte, enthusiastisch auszulassen, aber wie er die schöne Sammlung verdeutschter moderner bulgarischer Dichtung - Ja, von hier, deutete mein Finger, vom Müller Verlag herausgegeben - aus der Hand riss, und Levchevs großes langes Gedicht in einem Zug sofort las und auch für gut beachtete, die herrische Geste imponierte mir schon.

Levchev, wahrer Dichter und Mitglied des ZK, hatte der Kultur seinem Geheimdienst gegenüber schon ein wenig Raum verschafft. Ich war während der vier Wochen ein wenig entpropagandiert worden, trotzdem ich mich selbst vorher doch einigernassen gegen die Propaganda gefeit gehalten hielt. [Was dem Gehirnschwamm eitel Wahn in diesem wie jedem Jahrhundert ist.]
Wir kamen auf "Langsame Heimkehr" zu sprechen.

Der Anfang des Gesprächs ging ungefähr so: 'Auch du liest mich nicht mehr?"

Na ja, es gab das Buch seit einem Jahr, er hätte es mir auch in New York als Manuskript schicken können, und mir hatte niemand eines geschickt sagte ich nicht. Was ich sagte, und was auch sicherlich ziemlich stimmte, war: "I wasn't ready for it". Die Zeit um 1979-80 war schon teilweise sehr ereignisreich gewesen. Aber ich hatte auch nicht irgend etwas besonderes von dem Buch erwartet: noch ein Alaska Buch, zwar vom Peter, ich dachte mich ja in Alaska schon auszukennen. Er hatte nichts weiteres über das Buch gesagt, auch nicht über Alaska sprechen wollen, auch vergessen dass ich ihn doch auf diese einmalige andere Wintererlebnis aufmerksam gemacht hatte, und wenn's ein Roman werden würde, fragte ich schon absichtlich nicht danach. Auch von dem bösen, blöden Empfang in Deutschland hatte ich nichts mitbekommen, interessierte mich auch einen Dreck. Also hatte ich es erst auf der Rückreise von Sofia in Wien gelesen, eine Schauspielerin in Wien sagte, ich sehe so aus, wie sie sich den Sorger vorstellte: ich selbst hatte keine Vorstellung dann oder jetzt wie der aussieht, und auch Handkes angebliches Gesichtstabu hängt wohl mit seinen Augen und Autismus unter anderen [guten literarischen!] Gründen zusammen. [Aber warum lässt sich jemand mit solch einem Tabu dann dauernd photographieren?]

Er sagte darauf, dass er nur einmal während das Buches an mich gedacht hätte, wonach mir sofort der Gedanken-[Fehl]-Schluss durch Gehirn schoss, dass jemand der sich an jeden Gedanken, den er über oder an einem Buch gehabt hat erinnert - dass ich gegen ein so buchmessen-geländeartiges Gedächtnis-Vermögen nicht ankommen könnte. [Ausserdem hatte ich schon länger es vorgezogen eher ein "Laufer" [Sorgers Gehilfe] gewesen zu sein in meiner früheren damaligen Existenz.]

Überwältigt von dem noch ziemlich unverdauten Buch, dass ich so alle fünf Jahre wiederlese, besonders seinen ersten Teil, welcher mir eins der wichtigsten Erlebnisse meines eigenen Lebens artikulierte, sagte ich nur: Sehr viel Pathos. Das bejahte er emphatisch.

Dann kamen wir auf dies und jenes zu sprechen, oder es schienen dies und das aus beiden von uns hervorzustürzen. Vielleicht waren es auch nur Versuche endlich ins Gespräch zu kommen. Das Briefeschreiben ging ja wunderbar. Ich wollte auch irgendwie über diesen wunden Punkt weg kommen. Er erzählte mir von Valium, ich machte dazu eine erbrechen-simulierende Miene, da meine Traumarbeit damit schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Bei Ansicht von irgendwelcher Natur, erzählte ich plötzlich von einer Kusine, die im frühen Alter immer nur die Bäume umarmt hätte. Dazu sagte er "ja, natürlich." Das muss irgendwie mit dem Pathos zu tun gehabt haben. Ich sprach also in so ashanti-artigen Rätsel-Sprüchen. Ja, auf diese Art wär' es schon gegangen. Also im Schmerz verstanden wir uns schon.

Er sagte, dass er von all dem was er bis dahin geschrieben hatte, nur den "Kaspar" bereute. Ich antwortete darauf nichts, überlegte nur huschend, was denn an dem Stück denn auszusetzen sei - wohl sein Nihilismus und dass es, trotz seiner musikalischen Struktur, irgendwie so ein lautes Stück ist? so wie die Analytiker den Nachhall des Kastrationskomplexes beschreiben: noisy. Was über die Identitätssucht und Politik und Sprache da ausgesagt wird hat für mich aber in der Zwischenzeit an Wahrheit nichts eingebüßt. Na ja, und die Heidenarbeit des Uebersetzens und es zur Amerikanischen Auffuehrung, und jetztz gefiehl die Sachen dem eigenen Macher nicht mehr.

Aus dem Blauen kam ein wütender Angriff auf ein mir unbekanntes neues Gedicht von Hans Magnus Enzensberger. Ich war schon ganz erschrocken, des Tonfalls wegen, der Vehemenz, so bin ich immer noch, und sagte auch nichts dazu. "Wenn ich so'n Art Gedicht lesen wollte, dann könnte ich mal... "

Dies war nicht das erste mal, dass solche Urteile aus ganz unerwarteten Himmelsgegenden kamen. Vielleicht lag diese Attacke daran, dass ich viele Enzensberger-Essays während einer langen Schifffahrt übersetzt und in New York verlegt hatte? Vielleicht hatte dieser Enzensberger-Hass, wie ja auch jetzt bei jugoslawischen Angelegenheiten, mit Handkes Neid auf die damals noch so genialen Essays zu tun? Und in die dann wegen dieser besonders vehementen Art besonders viel hineinprojiziert wurde? Ich selbst war auf den Enzensberger, den ersten der Nachkriegsgrossen, den ich kennengelernt hatte, damals nicht mehr gut aufgelegt: er hatte sich unerwarteter Weise als aalglatt entpuppt; irgendwie heimtueckischer „als ob Mensch,“ die Lage war gestört und würde auch nie wieder richtiggestellt werden. Außerdem interessiert mich, nach der Psychoanalyse, was er, auch die Susan Sontag, all diese so brillant schreibenen, immer weniger. Die wirklichen Kuenstler um so mehr.

Auch Handkes Neid war purer, so wie sein Hass, pur und autistisch und unverbrämt ist; wenn er versuchte nett zu sein, wird er ja langweilig. Prominentenneid, dessen touretthaftiger Habitus fiel mir erst bei ernstem Studium aller seiner Sachen auf und trifft, trotz aller Nervenspezialistentum-Verständnis-Empathie-Liebe, auf die eigene Empfindlichkeit.

Verhöhnen: Wer verhöhnt sein eigenes Verhöhnen nicht besser als Handke selbst es in "Über die Dörfer" tut? The "tinny derision." Und wer versteht die Gründe für diese automatische emotionale an der Grenze der psychosomatisch liegenden Gestik weniger?

Ich sagte aus irgendeinem anderen nirgendwo: Man muss ja alles selbst schaffen. Und meinte damit den Verlag. Und er so etwas wie: 'Die Dichter müssen aber Zeit zum träumen haben.' Oder vielleicht: 'Die Welt wieder zusammenträumen.' Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Jeder ging auf seine Art grandios zu Grunde.

Dann lud er mich zu einem Schoppen ein und wunderte sich sehr darüber, dass ich im Schneidersitz auf der Bank sass, als ob das etwas ungeheuerlich ungewöhnliches wäre, was bei mir nicht der Fall ist, trotzdem ich an diesem siegesreichen Tag ["Trunkheld"] schon etwas lockerer als sonst war - das Trunkheld sein hatte sicherlich mit den mir in Wien verschriebenen Magenpillen zu tun, bulgarische Schwarzmeerenergie - tief eingeatmet in Plovdiv [wo angeblich 10,000 Jahre mazedonisches und thrakisches oder irgendein exotisches Blut in die bulgarischen Adern floss! So hieß das schon damals in 1980!] - strömte aus mir heraus; ja wenn das wirklich der Fall ist würde ich mir schon gern davon eine tägliche Transfusion geben lassen.

Dann gings bergauf und zum Tarok spielen; und es freut mich zu berichten, dass Herr Handke unter mehr als vier Augen beim Tarok leicht auszuspielen ist, dass die Leute die mit uns spielten, diese anderen angeblich großen Tiere, auf ihre Weise alle höchst gescheit waren, und dass, wenn Handke im "Felsfenster" schreibt er hätte während seiner Jahre in Salzburg keinen einzigen intelligenten Menschen dort getroffen, es vielleicht auf die Schriftstellerei, aber auf nichts sonst zutrifft. Was dann ja übrigens zu verwundenden Wanderungen und an blanken Träumen sich selbst-heilender Bücher wie „Chinese des Schmerzens“ und "Der Nachmittag eines Schriftstellers" führte; und dass Herr Handke wahrlich nicht richtig verspielt sein kann, und jedes verlieren - wie er es ja in "Über die Dörfer" zugibt - von ganz früh an nicht vertragen hat. Er war nicht der erste, den ich so kennenlernte; kein Wunder dass er es so hasst wenn's scheint, dass sich ein anderer breitmacht! Ich selbst gewann nur vollkommen verspielt, ohne geringste Anstrengung. Sobald ich mich anstrengte, verlor ich. [Mein im allgemeinen, viel ambivalenter ausgestatteter Ödipus-Komplex wie ich dann erfuhr.]

Bevor es aber zum eigentlichen Spiel in dieser Bischöflichen Umgebung kam erzählte Handke in seinem typischen höhnischen Tonfall, dass er sich da umgesehen habe ob es noch eine Kopie von dem Buch von früher, gemeint war die "Kaspar and Other Plays"-Übersetzung, herumliege, er aber keins finden konnte. Eigentlich handelte es sich ja nicht um ein Buch, sondern derer fünf, und insgesamt so um die ein Dutzend Stücke, auch ein Roman, und die zwei Gedichtbände - ich spüre ein damals weit unterdrückteres Outrage zu Handke jetzt nach, so leicht fiel diese Arbeit mir doch nicht, ein wenig Anerkennung ging bei mir schon sehr weit, wahrscheinlich war's mir schwerer gefallen als die Original Arbeit, und es ist anzunehmen, dass mich das dann, als er mich von sich weg zu dem Dermatologen setzte, schon schön zum siegerischen Spiel angestachelt hat [und noch was, dass wohl im tiefsten Hintergrund lag]. Bei mir aber sitzt der Stachel dann nicht tief oder lang genug, oder ist dann plötzlich nicht mehr, da; dann wieder schon.

Ja, das fing damit an, dass er mich neben sich setzte und mir, der Skat seit Kind auf von dem Großvater gelernt, der Bridge, Poker und noch so eine paar andere Sachen kann, brav das Spiel mit seinen vielen Jokern erklärte. Ich lernte es wahrhaft im Handumdrehen, aber als ich ihm wahrscheinlich zu Energie sprühend war, setzte er mich neben einen Dermatologen, und der Dermatologe sagte ganz erstaunt: Ja, so geht's auch! und wir droschen schön weiter - dass das Handke irgendwie ärgern könnte, dieses absolut ihn übergehende unhöfliche Benehmen seines Gastes, kam mir zur Zeit überhaupt nicht in den Sinn, taucht mir erst jetzt aus der Tiefe meines Unterbewussten als haarsträubende Möglichkeit auf! Und dass er zu Zeit wahrscheinlich an "Über die Dörfer" arbeite.

Irgendwann kam es auch zu einem abgesprochenen Anruf von Unseld, es muss ein Sonntag gewesen sein. Dieser Sonntag Abend war wahrscheinlich auch die Zeit die er sich eingerichtet hatte eben mal nicht allein sondern in Gesellschaft zu verbringen. Unselds Sonntagsanruf; er war eher wie ein Geschäftsgespräch; und ich fragte den Dr. Dr. auch etwas Geschäftliches, da ich nach vier Wochen Bulgarien etwas in Vaduz vor hatte. Aber Unseld verstellte sich nicht besonders überzeugend und war nicht behilflich.

Im Nu hatte ich eine dritte oder war es vierte oder fünfte Dimension ins Spiel gebracht, und der Handke verstand leider nicht diesen Spass. An diesem Abend jedenfalls war ich auf keine Weise bereit einer von diesen statischen Kartenspielern in dieser Cézanne-Szene zu sein. Diese Szene wird auch nicht als mögliche Verspieltheit im "Chinesen des Schmerzens" erwähnt, wo das Tarok- Spiel mir ein bisschen mystifiziert vorkommt, eine Qualität die er mir dann später sehr geraten hat bei der Übersetzung von "Über die Dörfer" zu vermeiden. - Hie und dann huschten Hausfrau und Tochter dazu und bedienten die spielenden Herren [Ich konnte die Bemerkung 'Sie spielen Karten' mir im Hintergrund gesprochen vorstellen und machte Handke auf das mir unangenehm bedienende der Frauen aufmerksam.] - Dieser Abend mag wohl dann irgendwie verärgert in einem der Tagebücher erwähnt werden.

Aber das war noch bei weiten nicht alles: das Spiel vorbei, war Handke wütend, jedenfalls sagte er mir, dass er mir jetzt nicht die Libgart Schwarz vorzeigen würde. Da sank mein Herz schon um einiges tief in die Stiefel, Libgart wegen, scheinbar re-importiert, der Bergheld musste auch eine Frau haben, zum vorzeigen, und ich denke daran was Wim Wenders mir vor gar nicht so langer Zeit hier in Seattle erzählte, dass Handke diejenigen, die ihm am nächsten stehen oft verwundet - da ist ja viel davon im "Gewicht der Welt" vorzufinden.

Die Frau existierte zum vorzeigen, so ein Kärntnerischer Citizen Kane. Wie wird das Motto auf seinem Schlitten lauten? Dass sich dieses doch in ihm beruhigen möchte. Wieviel Anerkennung braucht denn dies verwundete Kind, um sich endlich zu beruhigen und zu heilen? [Let it Bleed.]

Ja, wenn ihm wirklich damit geholfen wäre, wäre er ja schon längst geheilt und nicht wie ein Keiler so auf die Pilze aus in der "Niemandsbucht". Blasiert wie Goethe möchte er sein – wird es glücklicherweise nie werden. Da hilft wohl nur ein Analytiker; ein Martin Buber als Analytiker wäre die richtige Weisung. Da können sich Analytiker und Analysierter mit Traumaustausch und Gedichte-rieseln die gruselige Welt schon ein wenig heimeliger machen.

Der Wutanfall war scheinbar schnell vorbei – war's von mir erwartet auf der Vorstellung der Libgart zu bestehen?: Das einmal, als sie "Ritt über den Bodensee" am Geländer des Österreichischen Instituts in New York spielte, hatte eigentlich genügt; und meine schon wieder zahme Nachgiebigkeit bedeutete ihm wohl, dass der Anflug nebenbuhlerischer Bergbesieger zu sein wieder verflogen war? Jedenfalls: wäre dieser Abend eine Party gewesen, all die strikte, disziplinierte Arbeiterei der vorigen vier Wochen war im Begriff sich bei mir aufzulösen in einen brauträuberischen Rausch, der sich dann am nächsten Tag, auf der Rückfahrt aus Vaduz und im Schwellenbad des Hotel Dolder ausleben würde. Und er fragte, schon wieder freundlich, ob ich denn vorhätte ewig Kind zu bleiben, und als ich darauf - es muss so ziemlich am Ort gewesen sein, von dem der berühmte Stein im "Chinese des Schmerzes" geworfen wurde (oder war es, wo er erzählte, dass sich da schon viele Salzburger niedergeschmissen hätten - wieder so ein Selbstmordort) - dann in die stille Nacht Bergluft mein eigentlich ziemlich verzweifelt protestierendes "never" hinausschrie, war es schön, so wie ein Segen, als er sagte, dass das auch in Ordnung sei, und was wohl stimmt wenn man es mit mindestem ein bisschen mehr Diskretion anfängt als ich an dieser Nacht.

Eine ziemlich kaligarische Stadt, so kam mir das vor, dieses Salzburg und seine gewundenen Gassen in so einer Mondnacht beim Abstieg - nachdem er mich, den so leicht desorientierten, der sich nur durch das Wegverlieren zurechtfindet, den Weg zurück nach unten zu den kleinen Tieren gezeigt hatte. Ja, so bugsiert er auch die Leute die ihn in der Niemandsbucht besuchen herum. Das Despotengesicht hat er ja angeblich bei der Überprüfung am Ende der "Langsamen Heimkehr" nicht an sich vorgefunden.

Aber im nachhinein der Gedanke: Du kriegst die nicht zu sehen weil Du - dieser grässliche sadistische, deutsche Tausch/Bestrafungsgedanke - es ist als ob er selber nichts von seinen eigenen Sachen, z. B. dem "Bodensee" oder dem "Mündel" gelernt hatte. Wie ja jetzt auch noch:Ich bestell die Aufführung der Fahrt im Einbaum ab, wenn ihr die Leute nicht in Ruhe lasst.[1999]

Die Libgart beneidete ich nicht. Noch irgendwelche Töchter. Das dass zwischen ihm und einem Sohn nicht gut gegangen wäre, ist eines der vielen schönen, sich selbst sehr gut selbsterkannten phantasierten Sachen des einmaligen Sohn-Vorhersagers [1994 oder so] in der Niemandsbucht dem aber dann ein zweites Mädchen beschert wurde.

Am Morgen danach war noch das österreichische Nationalschwimmteam mit im Bad der Mirabelle, versuchte den Handke anzurufen um mich zu entschuldigen, er kam nicht ans Telefon, ich konnte nicht weiter warten, war wohl schon am Felsfenster an der Arbeit, und ich flog ab zum nächsten Schwimmbad. Nach einer Züricher Nacht ein unglaublich wilder Flug einer neuen, frühmorgendlichen Verbindung Zürich-Frankfurt, mit einem Piloten, der seine 727 in den schweizerischen Alpentälern und Pässen scheinbar mit seiner F-16  aus Vietnam verwechselte, um dann in New York noch das letzte Mal Jimmy Carter zu wählen, der angeblich, so die Botschaft in Sofia, meine Stimme gar nicht brauchte; die hatten sich auch in einen Dornröschentraum eingewickelt. Einer österreichischen Regisseurin, der ich die Tarok-Geschichte in Los Angeles erzählte, sagte: Ja, dass kann er nicht vertragen. Aber auch: Er kann schon gross sein. Und dann erzählte sie mir Handke-Kolbin Geschichten, da sie bei der Verfilmung des Duras-Romans dabei war.


[e-6] dass er in Momenten des sozialen Überdrusses sich bei [m]einem Plattenspieler/ Jukebox hinhockt und eine Beatles Platte auflegt; ein anderer 'Idiot' den ich kenne, klettert auf einen Baum wenn Hunde im Park erscheinen; Handke, des Landläufers Angst vor Hunden; was ich, sowie den Barnabus Rex Besuch, der dort nicht erwähnt wird, dann in überzeugende Verbindung mit eine seiner gelungensten Sachen, den "Versuch über die Jukebox" brachte. Ach so! Dass er, als ich ihn Berlin besuchte, um die Übersetzung des "Kaspar" zu besprechen, für mich momentan verwirrende Weise Bob Dylans "Lay Lady Lay" auf dem Plattenspieler hatte, ich Amerikaner! dachte Dylan gehört doch nur uns!

[e-7] dass er zwar scheinbar froh war auf Besuch, aber weder dem Gast ein Glas Wasser anbot, noch nach der Länge des Weges oder sonst was fragte, aber dann, an dem Gast dann schnellstens überdrüssig, ihn bat doch wieder anzurufen, um was immer, sich wieder ans Schreiben zu setzen. Eine Aktivität ["Du schreibst ja schon wieder"], die auch der ersten Tochter schon ganz jung auffiel ["Gewicht der Welt"], und die einen als Gast, jedenfalls mich, verwunderte, ob da irgendetwas mit mir nicht in Ordnung sei, bis man dann erfährt, dass andere auch so behandelt wurden. Jedenfalls im Fall von Zeitungsleuten hat sich das inzwischen verändert. Aber nicht einmal Freunde werden noch  auf die Märsche durch den Foret de Chaville mitgenommen - von dem ich eine ganze Menge Photos habe.

[e-8] nicht nur sich selbst vorzeigt, sondern auch, zur allgemeinen Bewunderung, sein Kind [siehe "Kindergeschichte"] und das ich - der Kinder aller Art liebt und fabelhaft mit ihnen auskommt [na ja, es gibt da eine gewisse Sorte amerikanisches Kind...] - mich deswegen glücklich schätze, nicht einer von den Revoluzzern gewesen zu sein, die viel wichtigeres vorhatten als einen Blick auf Baby Amina zu werfen; oder des auch Nicht-Vorzeigens [sie oben: Mönchsberg Besuch]. Beim Lesen des "Chinesen des Schmerzes" wurde mir exakt deutlich, wo der Schwellenmensch Loser den "Alten Nazi" mit dem Stein trifft; oder über die Salzburger Selbstmordklippe schiebt.

[e-9] Dass das Verhältnis zur ersten Tochter schwer gestört war. Hatte nie zuvor ein so eingeschüchtertes Kleinkind - so Mitte der 70er Jahre – erlebt. Ein Eindruck, den das Lesen des "Gewicht der Welt" sowie der "Kindergeschichte" ja betrüblicherweise bestätigte; und worüber ihn Frauenbekannte und ihre "Hundesprache" der kontemporären Psychologie scheinbar aufmerksam gemacht hatten. Auch etwas, dass dann angeblich schwer bereut wurde, so erzählte mir Erich Skwara in den frühen 90er Jahren in San Diego. Und weswegen Handke - in so viel Reaktion auf früheres Sein verfangen - in der Zwischenzeit ein liebender, etwas aufmerksamerer Vater geworden – "Lucie in dem Wald mit den Dingsda", ein Überbleibsel eigentlich der "Niemandsbucht", aber sehr komisch und auch witzig über sich selbst und sein Jugoslawentum.

[e-10] dass der Handke das Verbleiben mit einem anderen, besonders einem Mann, allein in einem Zimmer, schnellsten klaustrophobisch macht, außer so scheint es mir beim Lesen des hundertsten Handke Interviews, sei es ein Interviewer - Handke gibt gute Interviews - die Schleuse zur grossen Welt, dem Spiegel: Muss man ja auch da, was man sich die Heidenmühe macht, die Schufterei, wie ermüdet er doch, auch um die Augen herum, manchmal auf einigen Photos wo er nicht posiert aussieht, oder Genie hat zu schreiben, im allgemeinen missverstanden wird, verhunzte Sachen über einen losgelassen werden von Feuilleton-Redakteuren, die die weissen Seiten ausfüllen müssen, von einer Misere von Theaterkritikern, die sich weder einfühlen können in einen Text noch... und die damit eine Schuttabladung schaffen durch ihre eine unendliche Serie von korrekturbedürftigen Angelegenheiten, wodurch die Literaturhistoriker dann ihre Arbeit bekommen, eine andere Art von Enzensbergers "alte Frauen", die Ziegelsteine von den kaputtgeschossenen Häusern putzen um sie wieder aufzubauen. Und wie wortgewandt der sonst oft, beim persönlichen Dabeisein, um Wort ringende Handke, dann den Interviewers spielend leicht souverän "Handke" vorspielt! Zuletzt, im Jahr 2006, dem Herr Greiner von der "Zeit", obwohl Handke doch auch gerade vor ein paar Jahren sagte: genug der Interviews.

Diese neueste Interview Serie, jetzt - 2006 – ein Schwall, fing eher zaghaft an, zum einen mit Erscheinen der französischen Übersetzung des Del Gredos Supermonstrums ["Der Bildverlust"]. Wovon handelte das Interview: Über das "beinah perfekte Verbrechen das Nato, Deutschland, Frankreich, USA" verübt hatten an/mit der Segregation Jugoslawiens. Jedenfalls war das alles, was ich davon zu lesen bekam. In dem NZZ Interview, das von Handkes Verhältnis zu Jugoslawien im allgemeinen und Milosevic im besonderen die Rede ist [APPARAT]

stehen solche Beschuldigungen nicht mehr. Das NYT-Magazin und NZZ-Interview widerspricht dem, was er den Kroaten von Globus ungefähr zur selben Zeit über erzählte.

Zur Zeit des Gredos-Interviews weilte Handke ja viel beim Tribunal in Den Haag/ Scheveningen. Sein Buch über seine Erlebnisse dort ["Rund um das Tribunal"], das Buch von jemandem, der Jura studiert hat, enthält schöne Beobachtungen, wahrlich Randberichterstattungen, aber frappierend wenig über die Sache selbst, worüber er sich aber ausführlicher und summarisch in dem NZZ Interview und in dem Literaturen Aufsatz äussert. [APPARAT].

Von welchem Autor sonst gibt es Photos in der Menge von Filmstars? Auch viel Grinsende! Ich, der eine große Website über Handke mache, die ihn und sein Werk von den dreizehn Gesichtspunkten der Wallace Stevens Amsel zu betrachten versucht ["Thirteen ways of looking at a Blackbird", irgendwie das richtige für einen Amselfeld-trächtigen], hab hunderte von wahrscheinlich Tausenden. Auf einigen ist es offensichtlich, dass der Mensch posiert, und zwar eher ungekonnt, trotz all der Schauspielerinnen, also, dass er zum Schauspieler, außer vor einem Interviewer, nicht viel taugt.

e-11] Ja, dass der immer schreibende und Besucher nicht mögende dann doch auch manchmal vereinsamt, z. B. im Hotel Adams [Ecke Madison + 86th Street + Fifth Avenue, Manhattan], während der Arbeit an  "Langsame Heimkehr" [der erste Teil, der in Alaska spielende, ist, einer meiner wichtigsten Handke - und Leseerlebnisse, schon weil er ein damals ungefähr 15 Jahre altes Erlebnis in Worte gefasst hat, den "Namenlosen"]. Man merkt diese Vereinsamung am Ende des Buches – den Portier Gesprächen - und von den Tagebüchern und späteren Interviews erfährt man, dass dies einer seiner schlimmsten Zeiten gewesen sein muss. Beneidet von mir in Downtown Manhattan in seine Kämpfe verwickelt: ach wie schön der es hat, da oben zu sitzen und nur schreiben. Ein Erlebnis über das er sich dann Jahre später, in der „Niemandsbucht“, versucht lustig zu machen, eine der wenigen ungelungenen vollkommen nicht überzeugenden Seiten dieses Portraits seiner Vielseitigkeit.

e-12] dass Herr Handke scheinbar vollkommenes Desinteresse hat an dem was ein Gesprächspartner mal von sich selbst erzählen möchte, was Frau Colbin ja auch miterlebt hat.

Er ist zu sehr mit sich Selbst beschäftigt, sei's auf der Höhe oder ihrer Tiefe, aber es stimmt auch schon wenn er sagt, sein Selbst sei natürlich mehr als sein Selbst, aber dieses Alles-Alle-Selbst - enthält es dann die ganze Welt? Aber, dass aus der Distanz es kaum einen gibt [gab], der wie er einfühlend und den Geisteszustand des Korrespondenten einschätzen kann, dessen er auch selbst bewusst ist [siehe "Über die Dörfer"], eine Sache in dem das Schriftliche, Briefe, Buecher, Schreiben, das „nicht-sofortige“ der Analyse vergleichbar ist, insofern trotz der körperlichen Nähe und des Hereintauchen des Ohrs des Analytikers in das Wesen des „geöffneten“ Patienten, trotz der extremen Intimität beider Art Lesens, auch eine ungeheure Entfernung der verschiedenen Einsamen ihre Einsamkeiten erfordert. Paradox. -   

Trotzdem glaube ich, dass es schon stimmt was Marie Colbin schrieb, zur Zeit des Kosovo Kampagne, die schöne einer, meiner eigenen grossen Lieben beinah haargenau ähnelnden [dass ich mich glücklich schätze ab gewisser Zeit ohne das in Paris weilende G.F. in Meudon aufgetaucht zu sein]: "Solange es Männer gibt auf dieser Welt - Männer wie Dich - einäugig, unnachgiebig, machthungrig und Ego-breit - wird es auch Waffen geben und somit Kriege... Irgendwie wirst Du diesem Krieg dankbar sein, denn er befriedigt auf perverse Weise Dein unstillbares Verlangen nach öffentlicher Anerkennung... Ich höre noch meinen Kopf auf den Steinboden knallen. Ich spüre noch den Bergschuh im Unterleib und auch die Faust im Gesicht. Wer bist Du denn, dass Du Dich so wichtig nimmst? Bist weder gross, noch edel oder gar bescheiden und aufrichtig. Ein eitler Schreiber bist Du, der sich sonnt in der Rolle des einsamen Rufers."

Wozu ich bemerken möchte, dass man Machtansprüche von Frauen, besonders Schauspielerinnen, irgendwelchen Partnern, selten von außen beurteilen kann. Wer hat da zuerst die Fäuste gezückt? Aber dazu ist auch zu bemerken, dass Handke sich ja in diesem Fall und anderen gereizten genau so wie da beschrieben benommen hat, wie der gehasste Deutsche Stiefvater zu Handkes Mutter ["Wunschloses Unglück"]. Which I believe is all factually true, and very much in character with the Handke I know [not the part I love and might give my life for, however!]  Wozu auch noch zu bemerken ist, dass mögliche Partner sich das Zusammenleben, besonders mit Schriftstellern überlegen sollten; dass Herr Handke es, nach all den weggelaufenen auch emotional vernachlässigten Frauen scheinbar gelernt hat mit - natürlich mit wieder einer "Schau"Spielerin, den angeblich "leichteren" nicht Weltgewichtigen? - aber ein paar Stunden Flug entfernten - es zu versuchen, da diese "Selbstbezogene" Arbeit wirklich nur auf so selbstbezogener Weise gemacht werden kann wie Handke es tut und sein muss seiner Arbeit wegen, und dass leider ein ungeheuerliches Mass an Eitelkeit und Konzentration dazu gehört damit diese Arbeit halbwegs was taugt: Leute wie Brecht oder Mayaskovky sind die grossen Ausnahmen.

Brutal gesagt: es ist eine Frage der Cathexis. Die wichtige Frage ist ja immer: für wen tanzt der Mensch? Für welchen Gott und Göttin? Wem zeigt er sich? Handke, als Schriftsteller, ist vielleicht der größte Selbstentäusserer. Überhaupt: Selbstentäusserer hin oder her: es bringt einander ja eben nur schriftlich Näher, so nah wie die Virginia Woolf. Der einzige Vergleich fuer mich. Und ich weiss schon womit das zu tun hat. Im Handke, dem sonst so unnahbaren, der sich aber nach Verbindung aus seinem autistischen Geisteszustand sehnt. Noch ein Grund, so gut zu schreiben.

e-13] Dass Handke disassoziieren kann wie kaum ein Schriftsteller seit Joyce.

Der erste von ihm eingestandene Vorfall, oder der Kontinuität eines solchen, finden wir, wie so vieles, im "Wunschlosen Unglück", wo er von der Decke (oder ist es das Kissen) über den Kopf spricht während der traumatisierenden, nächtlichen Kämpfe zwischen der geliebten Mutter und dem brutalen, besoffenen Stiefvater, ab seinem zweiten Lebensjahr.[Es gibt eine ganze Literatur ueber was auf English „Primal Scene Exposure“ heisst].

Geschielt hat er aber wohl auch, was da sich abspielte, ins elterliche Ehebett. Was mich dann kurz über Handkes ambivalentes Verhältnis zu Frauen zum wundern bringt, außer dass er sich auch mit dem gehassten Stiefvater identifiziert hat [identification with the aggressor] in seiner eigenen Rage gegen die ihn verlassende Mutter. Das ephebenhafte das Alan Ginsberg sofort an ihm schnupperte??

So zehn Jahre lang hat er das scheinbar beobachtet, mitgemacht; ohnmächtig! Im "Versuch über die Müdigkeit" ist eine Beschreibung des Ekels, der Wut des Grazer Studenten als er den katzenartigen Geräuschen eines oberhalb wohnenden Paar ausgesetzt ist. Ein tief gestörtes, unausgeglichenes Verhältnis zum Sexus. Das große Talent zum Disassoziieren wird Gunst der Kunst. Und auch deswegen das Ausweichen zur Fantasie, zum Träumen. Die Schrift in diesem Fall eine besser und geistig tiefer gewebte Decke. Aber eben Disassoziieren auch in anderen Sachen! Vergessen im Handumdrehen!

Ab dem Moment als Handke mir in meinem very downtown Büro, so um 1975 erklärte, in schöner ruhiger Stimme, dass er schon lange keine Frauenabenteuer mehr gehabt hatte, dass heisst, kurz nachdem ich es dann aus ihr heraus geholt hatte was für eine Lügnerin ich als G.F. hatte, kriegte ich Angst mit dem sich einmal als "ein wenig diabolisch" beschreibenden Handke allein zu sein, und brachte Freunde mit zu Besuch in Paris, oder lud Freunde mit ein zum Essen, oder nahm ihn so schnell wie möglichst zu einem gemeinsamen Bekannten mit. Und das da auch zwischen beiden, die ich dann zur Zusammenkunft in Algonquin einlud, nicht irgendein erotischer Funke sprühte. Also auch die irgendwie die falschen Leute.

Wie gesagt, all dies liegt schon eine lange Zeit zurück, und ich stell mir vor inzwischen weniger konfus zu sein; aber, dass Handke sich danach noch vorstellte, dass wir Freunde seien - noch eine andere Ebene seines Disassoziierens da. Als Wim Wenders hier in Seattle vor mehren Jahren war sagte er mir, dass Handke denen, die ihm am nächsten standen, oft ungeheuerlich verwundet. The smell it sticks. Was für ein dunkler Bursche er ist kann man auch in "Über die Dörfer" lesen, er weiss es von sich selbst. In einem Rene Mueller Interview sagt Handke er wuerde gern noch mal als Schuft geboren sein, Mueller antwortet, dass ihm dass sicherlich noch in der ihm bleibenden Lebenszeit gelingen wuerde.

Solch Wissen bringt mich dazu, das Verhältnis Handkes zu Jugoslawien, seinem Verfall, und zu Milosevic so genau wie mir möglich...to puzzle it, to tease it apart - wie man es an eigener Seele erfahren hat.

Dieser Vorfall, lange in den Hintergrund versickert, besonders während der Übersetzung von "Über die Dörfer", aber ein Waldfeuer, das so untergründig im Torf weiter brannte, siechte, zuckte, flammte vor zwanzig Jahren dann auf unerwartete Weise auf sechstausend Meilen Entfernung plötzlich, trotz "Dörfer"-Übersetzung, aber schon wegen "Dörfer" auf, als ich für meine, unsere Arbeit kämpfte, so wie Handke fuer seine Jugoslaven Sache, und zwar als nach der erstem Stadium der Analyse ich mich in einer schneidenden Rage [Narcisstic Rage] befand und das Kämpfen um eine, meine gute Sache, Kämpfen überhaupt verliebt war, ein Teil meiner Identität, mütterlicherseits determiniert. „But I love to fight.“ Sardonische Gerausche des Analytikers.

Ich kann's zähmen, aber mehr nicht, abarbeiten. "Ich möchte mir eigentlich nicht selbst so wieder begegnen wie scharf ich damals war!" haben auch andere schon gesagt. Und dann doch. Das war noch in New York. Und Handkes Reaktion auf eine Gedichtserie, "Headshots", war, so ungefähr: 'Also kämpfen tust du ja noch!' Also er wusste davon, und hatte selbst das schneidende an der Übersetzung [einer Übersetzung für Stimme] "gut schneidend" gefunden.

Weg von New York, verliebt in so die richtige für Billy-the-Kid-Country, New Mexico, Southwest Texas, Tex-Mex, schickte ich an Handke Postkarten von fast jedem möglichen Postamt; aus vielen Winkeln. Nach einem Jahr schon erholt und zurück in New York um die letzten Sachen abzuwickeln, war ein weiterer Verlag vertragbrüchig geworden und erhielt dafür von mir so einen Brief. Das wäre sonst ein gezielte Hammerschlag auf die bloßen Zehen, mit Kopie an den Peter, von dem plötzlich das ganze Jahr lang keine Nachricht auf alle meine, die ich ihm, dem Naturmenschen, "nature postcards" doch besonders ans Herz legen wollte. White Sands, Big Bend, the Sierra de Carmen, desierto de Chihuaha.

Darauf auf die Kopie hin kam dann ein Brief der anfing mit den verstörenden Worten: "Schön wieder von dir zu hören..." Dann drohte der Peter mit Abbruch der Freundschaft, sollte ich solche Briefe weiter schreiben, das könnte man doch ihm als Schriftsteller nicht antun. Es viel mir sofort auf, dass ihm ja nichts angetan, sondern eigentlich etwas für ihn, für uns, getan wurde.

Und es packte mich die Wut, der Hohn: und ich schrieb so ungefähr, und tippte, da ich wusste um meine schwierige Handschrift, ein nicht gelungener Kompromiss, den nur Ärzte entziffern: Also, wenn  damals als, und was für ein Glück wir gehabt haben, nicht war, dass das Verhältnis das alles überstanden hat, und es hätte wohl nicht - da ich von Handkes Eifersucht auch als noch verheirateter, ehebrüchiger in der Zwischenzeit erfahren hatte. Mir zur der Zeit zu drohen in "downtown", ich war ein deiner Gurgel, besonders wenn du so um ein Fuss größer warst als ich. Die kleinen Köter. Jetzt würde ich in diesem Fall eigenen Jähzorn überlegter zügeln. Aber es war ein Ende, dass ich auch beglückwünschte. Ich fühlte mich befreit von einem beinah Succubusartigen Gewicht, Druck, Gefangensein dass die "Dörfer"-Übersetzung dann hinterlassen.

Während einer Rezension vom 'Chinesen des Schmerzes' war mir Handke als "Fall" aufgefallen, er wurde mein Ernstfall. Ich könnte nie so frei, ambivalent, pro und contra über ihn und sein Werk schreiben, hätte nicht Handkeforscher werden können. Also ich wollte jedenfalls mich von ihm befreien, und ich wollte sehen wie viel Humor Witz in dem Kerl steckt, denn wenn er wirklich witzig war, gewesen wäre, endlich jemand mit  dem man Pferde stehlen kann. Handke hat diesen nicht verstanden wie den Mönchsbergwitz - er ist bei beiden durchgefallen. Domage.

Ein paar Jahre später konnte ich dann so folgendendes lesen über den "einstigen" "ehemaligen" Freund der sich da in den Sierras verirrt habe und immer Postkarten schickte - nichts, natürlich, über das warum, wieso, etc. Mystifiziert wie das Verhältnis zur Kolbin im "Chinesen". Aber ich hatte herausgefunden, wie überempfindlich Handkes Eitelkeit war, wie nachtragend Herr Handke sein kann. Es machte mich schon unglücklich seiner Person wegen, aber machte mich genauer in dem Lesen des Werks. Deswegen ist das einzige, was ich eigentlich an ihm auszusetzen habe, dass es ihm an dem erweiternden aller Qualitäten, dem Humor mangelt.

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