van.at: literatur (beiträge)

• Michael Roloff / Schliche #1

Dem Handke auf die Schliche:
Stempelung einer Briefmarke zu Lebzeiten
=I=

A] Als einstiger Handke-Übersetzer, jetzt Handke-"Kenner", oft Bewunderer, von seinem Werk - unerwarteterweise - mehr als geistig, definierbar nervlich, "genährt" in den letzten zwanzig Jahren wie von keinem anderen in dieser [besonders?] miserablen Zeit* - weswegen, deswegen, trotz einiger vielen nachfolgenden "trotzdems", die sich aber hauptsächlich auf die fragile Person des Autors dieser Werke beziehen, ich mit Botho Strauss [LINK] übereinstimme als er während des letzten Aufwallens der Handke Kontroversen schrieb: "Was bleibt schließlich von dem angeblichen Sänger des grossserbischen Reichs, Peter Handke? Nicht nur der sprachgeladenste Dichter seiner Generation, sondern wie nur Überragende es sind, ein Episteme-Schaffender... eine Wegscheide des Sehens, Fühlens und Wissens in der deutschen Literatur." [Ich sage: Weltliteratur, Weltwesen, Weltnotwendigkeit].

*[an dem Gott der Langsamkeit der Wiederholung an dessen Nachfolge des sich verlangsamenden Syntax die Verstörten sich erholen können]; an der Niemandsbucht einem aus einem halben Dutzend der wunderbarsten Teile gebastelten Wunderkorb; dem "Versuch über die Jukebox" [als exemplarischem, suchenden, georteten, spielenden Erzählungs-Essay]; von der "Abwesenheit" [als einer Verschmelzung des Glyphs mit Bild in modernster Fassung von tastende Preasens Prosa und Film], des - so Handke - noch möglichen 30-40 Tausend Worte Prosa Texte die man auch in der "Niemandsbucht" als Vorbild der angeblich - und dann triumphalisch als zur Meisterprüfung angefordertes 1000 Meisterwerk vorstellt, zeigt, etc. etc., zuallerletzt von des Don Juans virtuosen, georteten, langsamen schnell, formalen vor- und zurückgehen in Zeit und Raum [wo es aber noch interessanter gewesen wäre hätte diese virtuose [Applaus, Applaus! dem Seilkuenstler] Kunst Erforschung der darin angedeuteten Möglichkeit Handkes Fatalverwandschaft mit dem Prinz Mishkin als Idioten-Protagonist gewidmet]; insbesondere von dem Gedichtsstück "Über die Dörfer", dem reichsten dieser Dichtungen, in dem man die ganze Skala Handkes Wesen und Dichtkunst sich offenbart]

Selten am Werk enttäuscht - ja, am "Untertagsblues", wo Handke auch noch seine bewußt hässlichste Seite, seinen selbst-eingestandenen Haß [die Quelle die überreizten Nerven, die Misanthropie, des traumatisierter Kinder schöner Mütter besonders unstillbare Sucht nach beruhigender Schönheit und ewiger unstillbaren Spiegelung - pure, haltlose, nur mit Baldrian und sonstigem zu beruhigender Nerven Gehirn Sache (des Analytiker eine seiner Thesen von der Geburt des oft fatalen Schönheitssinns)], in ein eher monotones, zwar gekonnt formalisiert, objektiviert, überzeugend störend, übernachtet, grelles Neonbild setzt, ohne aber dass dem Dramatiker dabei, seltenerweise, irgend was Neues oder Exemplarisches zu der "Standup" "One Man Show" eingefallen wäre, oder dass meine Ohren die die Blues die seit dem neunten Monat seines Luftatmeteten Lebens aber seit 1945 am AR Bremen besser artukaliert///, etwas musikalisches darin vorfindet, außer einigen ehrlichen Atonalitäten. "Untertagblues", eine karge Rippe von dem nicht absolut reichhaltigen Selbst ausgebeutet, zum verkaufen angeboten, auch um im "Bild" zu "bleiben", was schon gelingt, aber dann schnellstens vom Preiswettbewerb zurückgezogen, ein Rückzug begründet mit der schnellstens problematischen Erklärung, Handke hätte der Preise genug - wenn's aussieht er würde nicht gewinnen [und auch damit Wellen schlägt, sowie bald, zur Zeit des Heine Preis Schlamassels, mit dem wieder einmal Widersprüchlichen des Wettbewerbs Rückzugs, für den aus dem Wellenbad der Publizität nicht mehr herauskommenden, das Wellenbad der Publizität, ihm dem sich in holen Bäumen nicht nur am Schreibtisch dichtenden, wiegenden, seine Fruchtblase!] er der doch mit einigen der allerwichtigsten und schönsten Dramen der letzten 100 Jahre - "Über die Dörfer", "Die Kunst des Fragens", "Der Ritt über dem Bodensee", "Die Stunde als wir nichts voneinander wussten" - da im Müllhaufen in Mülheim nicht auserkoren wurde.   Diese Ausgeburt des Hasses, die Untertags, hier Handkes formalistischen Serienkunst unterworfen und halbwegs gezähmt. Es sprühen da wenige Funken, weder beim Aufführen noch beim lautem Lesen: im Vergleich mit den frühen Sprechstücken, glaubt man dieses Stück käme von eigenen Muellhaufen - ja, die "Anlage" zu einem solchen Stück gab es bei ihm seit früh [alle Liebe zerstörende Irritation! Ekel], aber, irgendwie gedeiht da nichts aus solcher Sequenz der puren Irritation, dem Hass. Ich weiss es von einigen meiner eigenen, mehr expressionistischen weit nicht so gelungenen Sachen, von viel anderen Leuten Zeug [The War of the Roses ist - z. B.- irgendwie zu hässlich trotz dem das schon alles wahr ist und dem witzigen Danny DeVito, all unserer American Road Rage, auch die der S.U.V. Fahrer]; man kann's aus sich herausschreiben, malen, schreien - und vielleicht auch noch, wie in dem Fall Handkes, schön selbst-bewusst, gekonnt, klassenersterhaft, dann am Ende sogar gegen das eigene Selbst richten - "Sich selbst Hassen sei besser als Andere", oder so ungefähr, eine typisch naive psychologische Handke Beobachtung [die weit hinter Anna Freuds Verständnis dieser Defensiven herhinkt, oder mehr als Defensiven, da ja nur umgedrehten Aggressivität], mit der er sich einst seine Depressionen erklärte, während er sich selbst lobte, als er, der "melancholische Spieler" wie er sich treffend nennt, einen Teil seiner Anlage zur Depression bewusst, der er, Sohn einer Depressiven, schon seit der Gebärmutter der Selbstmörderin ausgesetzt war, und unter diesen Zuständen zu dieser Zeit aufsaugte. [Klinischer Befund: Analytic Depression.] Er, der die Geisteszustände seiner wirklich lesenden, sich ihm aussetzenden, Leser auf tiefere und unausweichlichere Weise affektiert wie kaum ein anderer - im letzten Jahrhundert - einige Sachen von James Joyce, und noch einiges - denen ich mich in den bald 70 Lesejahren auf dieser Welt ausgesetzt habe.

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