Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#89)

 

Kapitel III

 

 

Konklusion (b)


Die abscheulichste Bosheit, die schrecklichsten Grausamkeiten und das größte Unheil, das je der Menscheit

angetan worden ist, haben ihren Ursprung in dieser sogenannten geoffenbarten Religion. Sie ist, seit Menschen

Religionen erfunden haben, die dem Charakter des Allmächtigen unwürdigste Religion, sie untergräbt jede Moral

und bringt die Menschen um Ruhe und Zufriedenheit.


Es wäre weit besser, wir ließen eine ganze Horde von tausend Teufeln frei herumlaufen (wenn das denn möglich wäre),

als nur einem dieser Schwindler und Monster vom Schlage eines Moses, Joshua, Samuel und der Bibelpropheten mit

ihrem vorgeblichen Wort Gottes Einlaß zu gewähren und ihnen Glauben zu schenken.


Wo nehmen denn all die schrecklichen Schlächtereien ganzer Stämme, das Morden von Männern, Frauen und Kindern,

von denen die Bibel so strotzt, wo nehmen die blutigen Verfolgungen und Folterungen bis zum Tod, die religiösen Kriege,

die seit jener Zeit Europa in Blut und Asche getaucht haben - wo also nehmen all diese Schrecken ihren Ausgang? Wohl nur

in jenem lästerlichen Ding, das man Offenbarung nennt, und in dem ungeheuerlichen Gedanken, Gott hätte zu den

Menschen gesprochen. Die Lügen des Alten und des Neuen Testaments sind die Ursachen.


Es gibt Christen, die einem weismachen wollen, das Christentum sei nicht von allem Anfang an mit dem Schwert

verbreitet worden. Ja, aber welche Zeit meinen sie damit? Natürlich konnten die zwölf Männer zu Beginn ihre Religion

nicht mit dem Schwert verbreiten, sie waren ja viel zu wenige. Kaum aber war die Anzahl der Bekennenden ausreichend

angestiegen, schon war das Schwert zur Hand, und mit ihm der Scheiterhaufen und der Marterpfahl. Mohammed stand

ihnen da in nichts nach, nebenbei bemerkt. Aus derselben Gemütsbewegung heraus, in der Petrus das Ohr eines priesterlichen

Dieners abgeschnitten hat (wenn die Geschichte überhaupt wahr ist), hätte er auch den Kopf seines Herrn abgeschlagen,

wenn er nur die Möglichkeit dazu gehabt hätte.


Außerdem gründet sich das Christentum auf das Alte Testament, das seinerseits ausschließlich mit dem Schwert verbreitet

worden war, und zwar auf das Brutalste: Man verwendete Waffengewalt nicht, um die Ungläubigen zu erschrecken, sondern

um sie auszulöschen. Die Juden machten keine Konvertiten - sie schlachteten alle. Das Alte Testament ist der Vater des Neuen,

und beide werden Das Wort Gottes genannt. Die Christen haben beide Bücher gelesen. Die Prediger predigen aus beiden, und dieses

Ding, das man Christentum nennt, speist sich aus beiden. Man kann also nicht behaupten, es sei nicht mit dem Schwert in die Welt

getragen worden.


Die einzige Sekte, die keine Morde auf dem Gewissen hat, ist die der Quäker, und der einzige Grund dafür ist, daß sie eher Deisten

sind als Christen. Sie glauben nur in geringem Ausmaß an Jesus Christus und nennen die Schriften "tote Buchstaben". Hätten

sie die Testamente mit wilderen Schimpfworten bedacht, sie wären näher an der Wahrheit gewesen.


Jeder Mensch, der den Charakter des Schöpfers ehrt und der wünscht, die Liste unnötigen Elends zu reduzieren und jene

Ursache zu beseitigen, welche für die vielen religiösen Verfolgungen auf der Welt verantwortlich zu machen ist, muß  danach

trachten, alle geoffenbarten Religionen abzuschaffen - sie sind eine gefährliche Häresie und ein pietätloser Schwindel.

 

 


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22•11