Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#78)
Kapitel III
Nun zum Neuen Testament (h)
Nun, der Autor dieses Buches kann nicht zur Gruppe dieser elf sogenannten Jünger gehören, außer wir
bezichtigen diese angeblichen Apostel der vorsätzlichen Lüge. Wenn nämlich die elf laut Matthäus
nach Galiläa unterwegs waren, um Jesus dort seiner eigenen Einladung folgend am Tage seiner
Auferstehung auf einem Berg zu treffen, mußten Lukas und Johannes zwei dieser elf gewesen sein. Und
doch sagt der Autor des Buches Lukas ausdrücklich, daß besagtes Treffen am selben Tag in einem Haus
in Jerusalem stattgefunden hat. Der Autor des Buches Johannes macht eine ähnliche Aussage. Wenn
andererseits diese elf in einem Haus in Jerusalem versammelt waren, so mußte Matthäus einer dieser
elf gewesen sein. Aber Matthäus behauptet ja, das Treffen habe auf einem Berg in Galiläa stattgefunden.
Die beiden Aussagen heben einander gegenseitig auf.
Der Verfasser des Buches Markus erwähnt kein Treffen in Galiläa. Aber er berichtet (Kapitel XVI, Vers 12)
davon, wie Christus in einer Verkleidung zweien der Apostel begegnet ist, während sich die beiden
auf einem Spaziergang am Lande befanden. Als die beiden es den übrigen erzählten, sollen die es ihnen
nicht geglaubt haben.
Lukas hat noch eine andere Geschichte auf Lager, in welcher er den Heiland am Tag seiner
vorgeblichen Auferstehung beschäftigt sein läßt, was einen Ausflug auf jenen Berg in Galiläa, wie er
im Matthäus vorkommt, völlig unmöglich machen würde. Er berichtet, wie zwei von ihnen - ohne
jedoch genauer zu sagen, welche beiden - auf dem Weg nach Emmaus waren, etwa siebeneinhalb
Meilen außerhalb von Jerusalem, und wie Christus inkognito mit diesen beiden unterwegs war, mit
ihnen noch zu Abend gespeist hat und dann plötzlich verschwunden war, um wenig später während
des Treffens der elf wieder aufzutauchen.
Auf diese widersprüchliche Weise wird versucht, die vorgebliche Auferstehung von Jesus Christus
zu belegen. Der einzige Punkt, in dem sich die drei Schreiber einig sind, ist diese seltsame Geheimnis-
krämerei um seine Wiederkunft. Egal ob in den Bergen Galiläas oder in einem verschlossenen Haus
in Jerusalem - es war ein Versteckspiel. Welchen Grund mag es für diese Geheimnistuerei geben?
Einerseits unterläuft diese Verborgenheit direkt den angeblichen Zweck - nämlich den Rest der Welt
davon zu überzeugen, daß Jesus auferstanden ist. Hätten die Autoren aber andererseits betont, daß
diese Auferstehung in aller Öffentlichkeit stattgefunden habe, so hätten sie riskiert, entlarvt zu werden -
sie waren also gezwungen, diese Begebenheit in aller Abgeschiedenheit vonstatten gehen zu lassen.
Was den Bericht darüber angeht, wie Jesus von über fünfhundert Menschen auf einmal gesehen worden
ist, so wissen wir das nur von Paulus, und nicht von den fünfhundert selbst. Es handelt sich daher um
die Zeugenschaft eines einzigen Mannes, noch dazu eines, der demselben Bericht zufolge zum Zeitpunkt
des Geschehens selbst kein Wort davon geglaubt hat.
Seine Aussage, wenn man einmal annimmt, er war tatsächlich der Verfasser des 15. Kapitels von
Korinther, wo dieser Bericht zu finden ist, ist wie die eines Mannes, der vor die Richterschaft tritt,
um zu schwören, alles vorher Gesagte sei falsch gewesen. Natürlich kann ein Mensch gute Gründe
und immer das Recht darauf haben, seine Meinung zu ändern: Aber diese Freiheit erstreckt sich nicht
auf Aussagen über Tatsachen.