Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#51)
Kapitel I
Über das Alte Testament (k)
Der Ausdruck danach, also nach diesem Tag, im Vergleich zu all der Zeit, die davor verstrichen war,
muß eine große Zeitspanne bedeuten, wenn das Wort dieser Passage eine Bedeutung verleihen will.
Es wäre ja lachhaft, das Wort "danach" zu verwenden, um den nächsten Tag damit zu bezeichnen,
oder die nächste Woche, den nächsten Monat oder das nächste Jahr. Wenn der Ausdruck mit dem
Wunder, von dem in dieser Passage berichtet wird, korrespondieren soll, dann muß er schon mindestens
Jahrhunderte meinen. Weniger als ein Jahrhundert wäre mickrig, weniger als zwei immer noch kaum
akzeptabel.
Eine weit zurückliegende Zeit ist, obgleich allgemeiner, auch im achten Kapitel beschrieben, wo
es nach der Erzählung über die Einnahme der Stadt Ai im Vers 28 heißt: "Und Josua verbrannte Ai
und machte die Stadt zu einer Müllhalde, einem bis zum heutigen Tage trostlosen Platz." Und
im Vers 29, wo über den König von Ai geschrieben wird, den Josua zuerst gehängt und
dann vor den Stadttoren aufgebahrt hatte, liest man: "Und er errichtete dort einen großen
Steinhaufen, der bis zum heutigen Tage dort steht." Also bis zu der Zeit, in welcher der Verfasser
des Buches Josua gelebt hat. Wir finden dieselbe Phrase noch einmal im 10. Kapitel, wo zunächst
von den fünf Königen die Rede ist, die Josua zuerst auf fünf Bäume aufgeknüpft und dann in
eine Höhle geworfen hatte, um dann fortzusetzen: "Und er verschloß den Eingang der Höhle
mit einem großen Stein, der bis zum heutigen Tage an seinem Platz ist".
In der Aufzählung von Josuas Heldentaten und der Stämme und Orte, die er mit den seinen
eroberte oder bekriegte, heißt es im Vers 63 des XV. Kapitels: "Was die Jebusiten anlangt, die
Einwohner Jerusalems, so konnten die Kinder von Judah sie nicht vertreiben: Die Jebusiten wohnen
mit den Kindern Judahs bis zum heutigen Tage in Jerusalem." Die Frage zu dieser Stelle ist: Zu
welcher Zeit lebten die Jebusiten und die Kinder Judahs gemeinsam in Jerusalem. Da diese Frage
noch einmal im ersten Kapitel Richter auftaucht, werde ich meine Beobachtungen dazu für später
aufsparen.
Ich habe nun, ohne zusätzliche Hilfsmittel und allein aus dem Buch Josua selbst, den Beweis geführt,
daß Josua nicht der Autor dieses Buches ist. Der Verfasser ist anonym, folglich ohne Autorität - und
ich setze nun mit dem Buch Richter fort.
Schon auf den ersten Blick ist dieses Buch anonymer Urheberschaft. Man kann nicht einmal vortäuschen,
daß es Wort Gottes sei: Es gibt ja keinen Zeugen, das Buch ist völlig vaterlos.
Es beginnt genau gleich wie das Buch Josua. Bei Josua, Kapitel 1, Vers 1, heißt es:
"Nun, nach dem Tod des Moses", etc., und dieses Buch Richter beginnt: "Nun, nach dem Tod
des Josua", etc. Das und die stilistische Ähnlichkeit zwischen den beiden Büchern weisen darauf hin,
daß sie das Werk ein und desselben Autors sind - wer das aber war, wissen wir nicht. Wir wissen nur,
daß er lange nach dem Tod des Josua gelebt hat. Zwar beginnt das Buch, als wäre es unmittelbar
nach seinem Tod geschrieben, aber gleich das zweite Kapitel ist eine Zusammenfassung des
gesamten Buches, das sich der Bibelchronologie zufolge über einen Zeitraum von 306 Jahren erstreckt.
Nämlich vom Tod des Josua, 1426 Jahre vor Christus, bis zum Tod des Samson, 1120 Jahre vor
Christus, nur 25 Jahre ehe Saul losging, um die Esel seines Vaters zu suchen und zum König
gekrönt zu werden. Es gibt jedoch gute Gründe für die Annahme, daß dieses Buch genauso wie
das Buch Josua nicht vor der Zeit des David geschrieben worden ist.