Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#48)
Kapitel I
Über das Alte Testament (h)
Darüber hinaus ist Moses, so wie er in der Bibel beschrieben wird, der abscheulichste Charakter,
den man sich nur vorstellen kann. Wenn die Bibelberichte stimmen, war er der Schurke, der
damit begonnen hat, aus religiösen Gründen oder der Vorspiegelung selbiger Kriege anzuzetteln.
Unter dieser Maske - oder Verblendung - beging er beispiellose Grausamkeiten, wie sie bis dahin
in keiner Historie vorgekommen waren: Ich werde nur ein Beispiel anführen.
Als die jüdische Armee eines Tages von einem ihrer Plünderzüge und Mordausflüge zurückgekehrt
war, wird folgendes berichtet, Numeri, Kapitel 31, Vers 13:
"Und Moses ging, gemeinsam mit dem Priester Eleazar und all den Prinzen der Gemeinde, ihnen
aus dem Lager entgegen. Und Moses war wütend auf die Heerführer, auf die Hauptleute und
Oberbefehlshaber, die vom Feld zurückgekommen waren. Moses sagte zu ihnen: Habt ihr alle
Frauen am Leben gelassen? Habt ihr vergessen, daß sie es waren, die auf den Rat des Balaam hin
die Kinder Israels dazu gebracht haben, in der Sache Peor vom Herren abzufallen - was eine Plage
über die Gemeinde nach sich gezogen hat? Deshalb also: Tötet alle Knaben und bringt alle
Frauen um, die schon einmal mit einem Mann geschlafen haben, die unschuldigen Mädchen aber
laßt am Leben und nehmt sie für euch selbst."
Unter allen verabscheuungswürdigen Schurken, die jemals Schande über die Menschheit gebracht haben,
ist es unmöglich, einen zu finden, der widerlicher ist als Moses - wenn dieser Bericht stimmt. Wir
haben hier einen Befehl zur Ermordung der Söhne, zum Massakrieren der Mütter und zum
Vergewaltigen der Töchter.
Man versetze eine Mutter in die Situation dieser Mütter: Ein Kind ermordet, das andere zur
Vergewaltigung bestimmt, sie selbst in Händen ihrer Schlächter. Man versetze eine Tochter
in die Situation dieser Töchter: Zur Beute der Mörder ihrer Mutter und ihres Bruders bestimmt -
was werden sie fühlen? Wir können uns noch so gegen die natürliche Reaktion darauf stemmen,
die Natur läßt sich nicht von ihrem Weg abbringen: Eine Religion, welche die sozialen Bande
der Natur quält, ist eine falsche Religion.
Nach diesem grausigen Befehl folgt ein Bericht über das geplünderte Hab und Gut und wie es
aufgeteilt worden ist. An dieser Stelle erweitert die weltliche Scheinheiligkeit der Priester
den Katalog der Verbrechen. Vers 37, "Von den Schafen betrug die Steuer für den Herrn
sechshundertfünfundziebzig Stück. Die Zahl der Rinder betrug 36000, wovon 72 als Steuer
an den Herrn gingen. Esel hatten sie 30000, wovon 61 als Steuer an den Herrn fielen. Und
16000 Menschen waren Teil der Beute, davon gingen 32 als Tribut an den Herrn."
Kurz, was hier in diesem Kapitel beschrieben wird, ist, wie übrigens auch viele andere
Teile der Bibel, zu brutal, um von humanen Leuten gelesen oder von anständigen
Personen gehört zu werden - immerhin hat Moses befohlen, gemäß Vers 35 dieses Kapitels,
32000 Mädchen zu vergewaltigen.
Im Allgemeinen wissen die Menschen nicht, wie boshaft das angebliche Wort Gottes ist.
In gewohnter Abergläubigkeit erzogen, nehmen sie an, es sei wahr und gut,
was in der Bibel steht. Sie erlauben sich selbst keinen Zweifel daran. Sie übertragen das Bild
eines gütigen Gottes, das sie sich selbst geformt haben, auf ein Buch, von dem sie gelernt haben, daß
es vom Allmächtigen selbst geschrieben worden sei. Herrjemine! Es ist aber ganz anders.
Es ist ein Buch voller Lügen, Bosheit und Blasphemie - denn was könnte größere Blasphemie sein,
als die Verruchtheit der Menschen dem Allmächtigen anzulasten?
Aber um zu meinem Thema zurückzukehren, das da lautet: Moses ist nicht der Autor dieser
Bücher, die ihm zugeschrieben werden. Die Bibel ist gefälscht. Die beiden Beweise, die ich
bisher angeführt habe, wären allein schon ausreichend, die Authentizität von Büchern zu
widerlegen, die von sich behaupten, vier- oder fünfhundert Jahre älter zu sein als die
darin geschilderten Begebenheiten. Denn im Fall von sie verfolgten sie bis nach Dan und
die Könige, die über die Kinder Israels herrschten, kann man nicht einmal auf das fadenscheinige
Argument einer Prophezeiung ausweichen: Alle Verben sind in der Vergangenheitsform, und es
wäre doch geradezu idiotisch, wollte man behaupten, jemand könne die Vergangenheit prophezeien.