Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#46)
Kapitel I
Über das Alte Testament (f)
Ich komme nun zur historisch-chronologischen Beweisführung. Ich werde auf die in der Bibel
selbst enthaltene Chronologie zurückgreifen, denn ich habe nicht vor, außer der Bibel selbst noch
andere Beweise zu produzieren, sondern werde die Bibel dazu bringen, sowohl historisch
wie auch chronologisch den Beweis dafür zu liefern, daß Moses nicht der Autor jener Bücher ist,
die ihm zugeschrieben werden. Es ist daher angemessen, die Leserschaft (wenigstens jenen
Teil der Leserschaft, die davon nichts weiß) darüber zu informieren, daß in den großen Bibelausgaben,
manchmal auch in kleineren, am Seitenrand eine Chronologie abgedruckt ist, um darzustellen, wie
lange vor Christi Geburt sich die auf der jeweiligen Seite berichteten Ereignisse ereignet haben - oder
ereignet haben sollen: Woraus sich auch die zeitliche Distanz dieser Ereignisse voneinander ableiten läßt.
Ich starte mit dem Buch Genesis. Im 14. Kapitel erzählt der Berichterstatter, wie Lot im Kampf
der vier Könige mit den fünf Königen in Gefangenschaft geraten und davongeschleppt worden war.
Sobald Abraham davon erfahren hatte, bewaffneten sich er und seine Sippe, um zur Rettung Lots
loszumarschieren und die Kidnapper bis nach Dan (Vers 14) zu verfolgen.
Um zu zeigen, welche Bedeutung die Phrase "bis nach Dan zu verfolgen" in unserem Kontext hat,
werde ich zwei Beispiele anführen, eines aus Amerika, das andere aus Frankreich.
Das heutige New York war vormals New Amsterdam. Und jene Stadt in Frankreich, die nun Havre Marat
genannt wird, war vorher unter dem Namen Havre de Grace bekannt. New Amsterdam wurde im Jahr
1664 in New York umbenannt, Havre de Grace heißt seit dem Jahr 1793 Havre Marat. Wenn man
also ein undatiertes Schriftstück findet, in dem der Name New York auftaucht, so wäre das ein klares
Indiz dafür, daß besagtes Schriftstück nach der Namensänderung von New Amsterdam in New York
verfaßt worden sein muß, also keineswegs vor 1664 oder frühestens im Jahr 1664. Gleiches gilt
für undatierte Schriftstücke, die Havre Marat erwähnen - solche können erst nach der Namensänderung
von Havre de Grace in Havre Marat entstanden sein, also erst nach 1793 oder frühestens im Jahr 1793
selbst.
Ich werde diese Fälle nun auf die Bibel anwenden, um zu zeigen, daß es einen Ort mit dem Namen Dan
erst viele Jahre nach dem Tod des Moses gegeben hat - woraus zu schließen sein wird, daß Moses
unmöglich der Verfasser des Buches Genesis sein kann, in dem dieser Bericht der Verfolgung nach
Dan gegeben wird. Der Ort, der in der Bibel Dan heißt, war ursprünglich eine Stadt der Heiden mit
dem Namen Laish; als der Stamm der Dan die Stadt einnahm, änderte man den Namen auf Dan,
im Andenken an den Stammesvater Dan, Urenkel des Abraham.
Zur Beweisführung müssen wir uns an Genesis, und zwar an das Kapitel 18, genannt Richter, halten.
Dort heißt es (Vers 27), daß sie (die Daniten) über Laish herfielen, über ein Volk, das still und bis dahin
in Sicherheit gelebt hatte, die Menschen mit Schwertern niedermetzelten (die Bibel ist voll von Morden)
und die Stadt in Flammen aufgehen ließen. Danach aber bauten sie eine Stadt (Vers 28), um darin
zu wohnen, und gaben ihr den Namen Dan, nach dem Namen ihres Stammvaters Dan, obwohl die
Stadt vorher Laish genannt worden war.
Dieser Bericht vom Überfall der Daniter auf Laish und die darauf folgende Namensänderung findet sich
im Buch Richter unmittelbar nach dem Tod des Samson. Der Tod des Samson soll sich 1120 Jahre vor
Christus ereignet haben, der des Moses 1451 vor Christi Geburt. Also wurde, nach dieser historischen Lage,
der Ort erst Dan genannt, als Moses schon 331 Jahre lang tot war.
Photo:
St. Leopold, Wien Leopoldstadt, Detail
Die Informationstafel an der Mauer lautet:
Kaiser Leopold I. ließ die jüdischen
Wiener/innen 1670 ausweisen und statt
der Synagoge eine Pfarrkirche errichten.