Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#31)
Über den Vorteil, in einer Vielzahl von Welten zu leben
Seit jeher hat mich die Idee gefesselt, daß all unser wissenschaftliches Wissen von
den Kreisbewegungen (unserem Auge wahrnehmbar und von diesen unserem Verstand
übermittelt) jener Planeten stammt, wenn sie auf ihrer Bahn um die Sonne kreisen und
so unser Planetensystem konstituieren.
Wäre aber die gesamte Materie zu nur einem einzigen Globus verschmolzen worden, so
hätte entweder gar keine Kreisbewegung exisitiert oder doch nur in so geringem Ausmaß,
daß wir kaum dieselben Wissenschaften entwickelt hätten, wie wir sie nun unser eigen nennen:
Aber es sind genau diese Wissenschaften, von denen sich die mechanischen Künste ableiten,
die so sehr zu unserem Glück und Komfort auf Erden beitragen.
Da der Schöpfer nichts vergeblich gemacht hat, so muß man doch auch glauben, daß
Er die Struktur des Universums auf eine Weise organisiert hat, daß den Menschen daraus
ein Vorteil ensteht. Da wir leicht einsehen und aus Erfahrung fühlen, wie groß die Vorteile
sind, die aus dieser Struktur des Universums, wie sie ist, enstspringen, und daß wir sie nicht
genießen würden, wäre die Welt eine einzige Kugel - so entdecken wir zumindest einen Grund,
warum eine Vielzahl von Welten geschaffen worden ist, und dieser Grund fordert fromme Dankbarkeit
ebenso wie die Bewunderung von uns Menschen.
Freilich sind wir Erdenbewohner nicht die einzigen, die aus dieser Vielzahl an Welten einen Vorteil
ziehen. Auch die Bewohner aller übrigen Welten haben die selben Möglichkeiten zur Erkenntnis.
Sie nehmen die Kreisbewegung unserer Erde wahr so wie wir die Kreisbewegung ihres Planeten
sehen. Alle Planeten bewegen sich in Sichtweite zueinander - und so präsentiert sich allen die
selbe Schule zur Wissenschaft. Das Wissen hört auch nicht an der Grenze unseres Systems auf:
Das uns nächstgelegene Weltensystem funktioniert nach denselben Prinzipien und ist für seine
Bewohner die gleiche Schule wie das unsere System für uns - und so weiter durch den ganzen
immensen Weltenraum.
Unsere Vorstellungen, nicht nur von der Allmacht des Schöpfers, sondern auch von seiner
Weisheit und Wohltätigkeit, werden im selben Ausmaß größer, in dem wir uns die Ausdehnung
und Struktur des Universums bewußt machen. Die eigenbrötlerische Vorstellung von einer
herumkugelnden oder festsitzenden Einzelwelt inmitten eines riesigen Raummeeres weicht
zugunsten der fröhlichen Idee von einer Gesellschaft von Welten, so glücklich ausgedacht, daß
sie sogar durch ihre Bewegungen die Menschheit belehren können. Wir sehen unsere eigene
Welt mit Überfluß ausgestattet, aber wir übersehen dabei, wie viel von diesem Überfluß auf
die wissenschaftliche Erkenntnis zurückgeht, die aus der überwältigenden Maschinerie des
Universums sich entwickelt hat.
Was sollen wir aber nun - inmitten dieser Gedanken - von dem christlichen Glaubenssystem halten,
das auf der Idee von nur einer einzigen Welt gründet, die nicht größer ist als fünfundzwanzigtausend
Meilen, wie zuvor gezeigt worden ist? Eine Strecke, die jemand, der mit einer Geschwindigkeit
von etwa drei Meilen je Stunde und zwölf Stunden am Tag dahinwandert - könnte er denn auf einer
Kreisbahn bleiben - in weniger als zwei Jahren bewältigen könnte. Um Himmels Willen!
Was ist das im Vergleich zum riesigen Ozean des Weltraums, zur Allmacht des Schöpfers?
Woher kommt dieser seltsame Dünkel, daß der Allmächtige, von dessen Schutz Millionen
anderer Welten genauso abhängig sind wie die unsere, seine Sorge um alle übrigen aufgeben sollte,
um in der unseren zu sterben, bloß weil, wie sie sagen, ein Mann und eine Frau einen Apfel gegessen
haben?
Oder sind wir dazu gehalten anzunehmen, daß jede Welt in dieser grenzenlosen Schöpfung
eine Eva hatte, einen Apfel, eine Schlange und einen Erlöser? Jene Person, die recht respektlos Sohn
Gottes, ja manches Mal Gott selbst genannt wird, hätte in diesem Fall nichts anderes zu tun,
als von Welt zu Welt zu reisen, in einer endlosen Folge von Toden, selten einmal unterbrochen durch
ein bloß sehr kurzes Leben.
Photo: Hunstanton, North Norfolk