Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#26)
Ein Vergleich des Christentums mit dem Pantheisums (a)
Da ich nun anhand der internen Beweise gezeigt habe, welche Ursache die Änderung
des Lehrplans hatte und was das Motiv für die Verdrängung der Wissenschaften durch
tote Sprachen war, kann ich nach den wenigen Bemerkungen in früheren
Teilen dieses Werkes damit fortsetzen, die Beweise, welche uns das Universum bereithält, mit dem
christlichen Glaubenssystem zu vergleichen - oder besser: letzteres mit ersteren zu konfrontieren.
Weil ich diesen Teil kaum besser beginnen könnte als mit dem Hinweis auf einige Ideen, die
mir schon in sehr frühen Jahren eingefallen sind - solche Ideen, da bin ich mir sicher, haben viele
ab und zu - starte ich also mit der Auflistung dieser Ideen und einigen Assoziationen, wie sie sich
ergeben mögen, als einleitendes Vorwort.
Da mein Vater der Glaubensgemeinschaft der Quäker angehörte, hatte ich das Glück
einer außergewöhnlich guten moralischen Erziehung nebst einer passablen praktischen Ausbildung.
Obwohl ich ein Gymnasium besuchte, lernte ich kein Latein - nicht nur,
weil ich keine Lust hatte, Sprachen zu lernen, sondern weil die Quäker Vorbehalte gegen die
Sprachlehrbücher hatten. Das hat mich freilich nicht davon abgehalten, mich mit dem Inhalt
dieser Bücher vertraut zu machen.
Meine natürliche Neigung gehörte der Wissenschaft. Ich liebäugelte ein wenig mit der Poesie
und hatte auch, wie ich glaube, einiges Talent dafür: Aber ich unterdrückte dieses Talent mehr,
als es zu fördern, da es zu weit ins Feld der Phantasie führte. Sobald ich konnte, besorgte ich
mir ein paar Globen, besuchte die philosophischen Vorlesungen von Martin und Ferguson
und machte bald die Bekanntschaft mit Dr. Bevis von der Royal Society, der damals im Temple
lebte und ein hervorragender Astronom war.
Zu dem, was man Politik nennt, hatte ich keine Anlage: Ich fand daran nichts anderes als
was am besten im Wort Jockeytrickserei ausgedrückt ist. Als ich mich dann Fragen der Regierung
zuwandte, mußte ich mir selbst ein System zurechtlegen, das mit den moralischen und
philosophischen Prinzipien im Einklang stand, in denen ich ausgebildet war. Ich sah, oder glaubte
zu sehen, wie sich der Welt durch Amerika eine wunderbare Aussicht auftat, und mir schien,
daß die Amerikaner, wenn sie ihren Kurs gegenüber der Regierung in England nicht änderten
und sich nicht unabhängig erklärten, sich nicht nur selbst in eine Unzahl neuer Probleme
stürzen würden, sondern auch die Menschheit um diese einzigartige Möglichkeit brächten.
Deshalb publizierte ich jene Schriften, die unter dem Namen "Common Sense" herauskamen -
meine erste Veröffentlichung. Ich glaube, ich wäre ohne die Angelegenheiten Amerikas kaum zu
Bekanntheit als Autor gelangt, egal was ich geschrieben hätte. Ich verfaßte "Common Sense" am
Ende des Jahres 1775 und veröffentlichte es im Jänner 1776. Die Unabhängigkeit Amerikas
wurde im darauf folgenden Juli erklärt.
Alle jene, die Erkenntnisse zum Zustand und Fortschritt des menschlichen Geistes erworben haben,
indem sie ihren eigenen beobachtet haben, werden festgestellt haben, daß es zwei grundverschiedene
Klassen davon gibt, was wir Gedanken nennen: Die einen produzieren wir selbst im Akt des
Denkens und Nachsinnens, die anderen schießen aus ihrem eigenen Antrieb in unseren Kopf.
Ich habe es mir zur Regel gemacht, diese freiwilligen Besucher immer höflich zu behandeln
und so sorgsam wie möglich zu prüfen, ob sie es wert seien, beherbergt und verköstigt zu werden:
Beinahe alles Wissen, das ich habe, stammt von ihnen. Was das Wissen angeht, das einem in
der Schulbildung zuteil wird, so dient es nur als ein Startkapital für späteres Lernen.
Alle Lernenden sind letzten Endes ihre eigenen Lehrer, und der Grund dafür ist, daß Prinzipien in
ihrer Eigenschaft als Qualitäten eines bestimmten Umstandes nicht dem Gedächtnis eingeprägt
werden können: Ihr Platz im menschlichen Geist ist das Verständnis, niemals sind sie
beständiger als wenn wir sie verstehen. So viel zur Einleitung.