Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#13)

Über das Neue Testament (c)


Der Erzfabrikant solcher Haarspaltereien, der heilige Paulus - wenn denn wirklich

er es war, der die Bücher geschrieben hat, welche nun seinen Namen tragen - hat diese

eine Haarspalterei durch eine andere über das Wort Adam noch weiter gefördert:

Er macht uns glauben, daß es zwei Adame gibt. Der erste sündigt selbst und leidet

durch einen Stellvertreter. Der andere sündigt durch Stellvertreter, leidet aber tatsächlich.

Eine Religion, die solcherart mit Tricks, Wortspielen und Haarspaltereien gespickt ist,

wird die Tendenz haben, ihre Professoren in diesen Künsten auszubilden. Sie erwerben

den Habitus, ohne sich des Grundes bewußt zu sein.


Wenn denn Jesus Christus das Wesen war, als den ihn uns diese Mythologen vorstellen,

und wenn er in diese Welt gekommen sein sollte, um zu leiden - ein Ausdruck, den sie

manchmal anstelle des Wortes sterben verwenden - so konnte sein Leiden nur

darin bestanden haben, zu leben. Seine Existenz hier war im Grunde ein Exil aus dem

Himmel, und der Weg zurück zu seinem Heimatland führte über das Sterben.


Zusammengefaßt: Alles in diesem seltsamen System ist das Gegenteil von dem,

was es zu sein vorgibt. Es ist das Gegenteil von Wahrheit, und ich bin es so müde,

seine Inkonsistenzen und Absurditäten näher zu untersuchen, daß ich hier abschließen

möchte, um zu einem erfreulicheren Thema fortschreiten zu können.


Wieviele und welche Teile von diesen Büchern, die unter dem Titel Neues Testament

aufgelegt sind, tatsächlich von den Personen geschrieben worden sind, deren Namen

sie tragen, wissen wir nicht. Noch können wir sicher sein, in welcher Sprache sie

ursprünglich verfaßt worden sind. Die Gegenstände, die sie nun enthalten, können

in zwei Gruppen unterteilt werden: Anekdoten und Briefverkehr.


Die bereits erwähnten vier Bücher Matthäus, Markus, Lukas und Johannes sind

allesamt Anekdotenbücher. Sie erzählen von Ereignissen, nachdem diese stattgefunden

haben. Sie berichten darüber, was Jesus gesagt und gemacht hat, und was andere

ihm gesagt und angetan haben; zu wiederholten Malen werden über ein

und das selbe Ereignis verschiedene Dinge berichtet.

Offenbarung ist klarerweise außer Diskussion für diese Bücher: Nicht zuletzt wegen der

Widersprüche unter den Autoren, sondern vielmehr darum, weil der Begriff Offenbarung

nicht auf einen Bericht eines Augenzeugen paßt, genausowenig wie er für Erinnerungen

von Ohrenzeugen an Diskurse oder Gespräche geeignet ist.

Auch die Apostelgeschichte gehört in diesen Anekdotenteil.


Alle anderen Teile des Neuen Testaments, mit Ausnahme des Rätselheftes unter dem

Titel Offenbarung, sind eine Sammlung von Briefen unter dem Namen ihrer Verfasser.

Das Fälschen von Briefen freilich ist eine so häufige Praxis in dieser Welt, daß eine

Fälschung dieser speziellen Briefe zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie ihre Echtheit.


Eine Sache aber ist viel weniger zweideutig und zweifelhaft: Aus all diesen Büchern

hat die Kirche, unter Zuhilfenahme einiger alten Geschichten, ein religiöses System

errichtet, das in krassem Widerspruch zu den Charakterzügen jener Person steht,

deren Namen es trägt.

Ein System aus Geprunke und Geldtreiberei, unter vorgespiegelter Nachahmung

eines Menschen, dessen Leben nichts als Bescheidenheit und Armut war.


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