Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#10)
Untersuchung des Alten Testaments (d)
Nach all dem ist es völlig überflüssig, zusätzliche Betrachtungen darüber anzustellen,
was diese Herren, zu Propheten stilisiert, geschrieben haben. Die Axt trifft die Wurzel,
wenn man zeigt, daß die ursprüngliche Bedeutung des Wortes verändert worden ist.
Folglich sind alle Schlußfolgerungen, die man aus diesen Büchern abgeleitet hat,
ist all der hingebungsvolle Respekt, der ihnen zuteil geworden ist und sind all die
ausgetüftelten Kommentare, die zu ihnen unter der falschen Interpretation des Wortes
"Propheten" verfaßt worden sind, keiner weiteren Diskussion wert. In vielerlei Hinsicht
aber verdienen die Werke der jüdischen Dichter ein besseres Schicksal als so, wie
es nun der Fall ist, zusammen mit all dem Mist unter dem mißbräuchlichen Titel
"Wort Gottes" publiziert zu werden.
Wenn wir uns erlauben, die korrekte Idee der Dinge zu begreifen, so müssen wir
notwendigerweise die Idee nicht nur der Unveränderlichkeit, sonder der schieren
Unmöglichkeit von Veränderlichkeit, durch welche Ursache immer, mit dem verknüpfen,
was wir mit der Bezeichnung "Wort Gottes" ehren. Aus diesem Grund kann das
Wort Gottes in keiner geschriebenen oder gesprochenen menschlichen Sprache existieren.
Die fortwährende und fortschreitende Veränderung, welcher die Bedeutung von Worten
unterworfen ist, das Fehlen einer universellen Sprache und die daraus folgende
Notwendigkeit von Übersetzungen, die Irrtümer, denen hinwiederum Übersetzungen
unterworfen sind, die Fehler von Kopisten und Druckern, zusammen mit der Möglichkeit
der willkürlichen Veränderung, all das ist Beweis genug dafür, daß die menschliche Sprache,
weder in Wort noch Schrift, nicht das Vehikel für das Wort Gottes sein kann.
Das Wort Gottes existiert in etwas anderem.
Selbst wenn die Bücher unter dem Titel "Die Bibel" in Reinheit von Idee und
Ausdruck all den anderen Büchern überlegen wäre, die derzeit auf der Welt existieren,
so würde ich sie doch nicht unter dem Titel "Wort Gottes" zum Regelwerk
meines Glaubens machen, denn es besteht immerhin die Möglichkeit, daß ich
angeschwindelt werde. Freilich wenn ich durch den größten Teil dieses Werkes
kaum mehr als die Geschichte der größten Laster und eine Sammlung von
äußerst gemeinen und verachtenswerten Erzählungen vorfinde, so kann ich doch
nicht meinen Schöpfer dadurch entehren, daß ich es ihm zuschreibe.
Photo: Little Walsingham, Norfolk