Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#5)
Untersuchung der vorgestellten Grundlagen
Lassen wir einmal all das beiseite, was durch seine Absurdität
Gelächter hervorruft - oder Abscheu durch seine Gottlosigkeit, und
beschränken wir uns nur auf die Untersuchung der Bausteine:
Wir werden nicht umhin können, festzuhalten, daß kaum eine
Geschichte vorstellbar ist, die für den Allmächtigen nachteiliger
ausfallen kann, die noch inkonsistenter mit seiner Weisheit ist und
die in noch größerem Widerspruch zu seiner Macht steht.
Um aus ihm ein Fundament zu machen, auf dem sich aufbauen ließ,
waren seine Erfinder dazu gezwungen, jenes Wesen, das sie den Satan nennen,
mit einer Machtfülle auszustatten, die der des Allmächtigen zumindest
gleichsteht oder sie sogar übertrifft. Sie haben ihm nicht nur die Macht
gegeben, sich nach seinem sogenannten Fall aus seinem Loch zu befreien,
sie haben hierauf seine Macht ins Unermeßliche gesteigert. Vor seinem Fall
zeigen sie ihn bloß als einen Engel von geringer Bedeutung, wie alle die
übrigen Engel auch. Nach seinem Fall aber wird er, ihren Berichten zufolge,
omnipräsent. Er existiert überall und gleichzeitig. Er füllt die gesamte
Unermeßlichkeit des Raumes aus.
Nicht zufrieden mit dieser Vergöttlichung des Satan, führen sie ihn
uns auch noch vor, wie er listig - nämlich in Gestalt eines Tieres der
Schöpfung - die ganze Macht und Weisheit des Allmächtigen vernichtet.
Sie präsentieren ihn als einen, der den Allmächtigen direkt der
Notwendigkeit unterwirft, entweder die Gesamtheit der Schöpfung
der Verwaltung und der Herrschaft dieses Satans auszuliefern, oder zur
Erlösung der Schöpfung zu kapitulieren: Auf die Erde herabzukommen
und sich selbst in Gestalt eines Menschen am Kreuz zur Schau zu stellen.
Hätten die Erfinder dieser Geschichte sie nur anders herum erzählt,
nämlich so, daß der Allmächtige den Satan dazu zwingt, sich zur Strafe
für seine neuerliche Untat auf einem Kreuz in Gestalt einer Schlange zu zeigen -
die Geschichte wäre weniger absurd gewesen, weniger widersprüchlich.
Aber nein, sie lassen den Spitzbuben triumphieren - und den Allmächtigen fallen.
Daß viele gute Menschen diese seltsame Fabel geglaubt haben und unter
diesem Glauben ganz gut gelebt haben (Gutgläubigkeit ist ja
kein Verbrechen), das bezweifle ich gar nicht. Zunächst einmal sind sie
dazu erzogen worden, daran zu glauben - und dann: Sie hätten alles mögliche
sonst genauso gut geglaubt.
Sehr viele sind auch ganz einfach enthusiastisch und entzückt davon,
was sie als die unendliche Liebe Gottes zum Menschen auffassen,
der sich selbst zum Opfer dargebracht hat, sodaß die Wucht dieser Idee
es ihnen verbietet und sie davon abhält, den gottlosen Widersinn dieser
Geschichte genauer unter die Lupe zu nehmen.
Je unnatürlicher eine Sache ist, desto eher wird sie zum Objekt trostloser Anhimmelung.