kunst ost | elektrisiert | avantourismus

Welche Bilder bewegen uns? Welche Wanderlegenden, welche trivialen Mythen, teils von der Wirtschaft kreiert, sind unser kulturelles Zuhause?

Individuelle Mobilität als Ausweg aus Rückständigkeit. Das private Automobil als Symbol der Modernisierung und als Versprechen der Teilhabe am wachsenden Wohlstand. Durchdringung von sozialen Schranken. Aufstieg oder freiwillige Entsagung. (Dahinter die Schreckenspolemik: Was machen wir, wenn jede indische und chinesische Familie auch ein eigenes Auto haben möchte?)

Massenmobilität. Kaum eine ideologische Konstruktion hat derartige Konsequenzen für die Welt unserer Gegenwart gehabt. (Das Automobil als Platzhalter und Demonstrationsobjekt, als Vehikel und Fetisch.)

Es ist viel Ideologie in diesen Prozessen mit ihren technologischen, wirtschaftlichen, politischen und soziokulturellen Auswirkungen. Das basiert unter anderem ganz wesentlich auf einer Konfrontation des postwilheminischen Deutschland mit den USA,. Eine Konfrontation, welche in den Zweiten Weltkrieg hinein verlief und über die Aktivitäten der Automobilindustrie ausgetragen wurde. Eine Konfrontation, die nach Kriegsende neu aufgegestellt wurde. Zivile Paraphrase des militärischen Wettrüstens, das seinerseits Ost und West polarisierte, was wiederum seine eigene Entsprechung auf dem Automobilsektor hatte.

page01.jpg (27207 Byte)

Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov, Fotograf und Sammler Emil Gruber

Unsere gegenwärtigen Auffassungen von Massenmobilität sind durch diese historischen Prozesse geprägt. Bilder und Motive aus jenen Tagen sind immer noch präsent. Das hat seinerseits einen Hintergrund in Konfliktgeschichten aus den ersten Jahren des Automobilismus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entbrannten nicht nur Kontroversen, sondern auch handfeste Kämpfe im Ringen um die Dominanz auf den Straßen.

Dieses Ringen fand zwischen den Fußgängerinnen und Fußgängern, Radfahrern, Fuhrwerkern, den Leuten in elektischen Straßenbahnen und den Autofahrern statt. Viele der strittigen Punkte, der Argumente und Vorhaltungen finden wir genau so in den heutigen Gemeinwesen wieder.

Die gesellschaftliche Etablierung der Verbrennungsmotoren ist Historie, das Ende dieser Geschichte gilt inzwischen als absehbar. Auf dem Weg in diese Zukunft werden wir nicht nur eine neue Welle der Landflucht erleben, ein radikales Abwandern in Zentren, wir alle müssen große Veränderungen in einer Erdöl-gestützten Wirtschaft bewältigen.

Bilder, Prägungen, Inszenierungen ... der Status quo handelt nicht nur von Fragen der Ökonomie und Ökologie, er wirft nicht nur technologische Probleme auf und fordert die Politik. All das hat auch weitreichende soziokulturelle Implikationen. Darum befassen wir uns hier mit kulturellen und künstlerischen Möglichkeiten, an diesen großen Themenstellungen zu arbeiten.

Die kleine "Avantourismus-Konferenz" vom September 2010 skizziert einen der möglichen Themen-Rahmen für solche Zugänge: [link]

Martin Krusche

[Avantourismus]


reset | home
44•10