kunst ost | "What It Feels Like for a Girl" (dokumentation #14)
Schuhfetisch: Bring deine
Lieblingsschuhe mit
Gernot Lauffer
Von (meinen) Schuhen
Kersten Rath geht barfuß. Auch
im Winter. Nur die Salzstreuung macht ihm und den Hunden zu schaffen. Seine Füße und
ihre Pfoten schauen dann auch entsprechend aus. Wir anderen lassen uns lieber Halux und
Hühnerauge wachsen als eine dicke Hornhaut. Schaut ja auch urkomisch aus, wenn aus den
Hosenröhren eines Anzugs die bloßen Füße herausschauen. Vielleicht ist der Anblick
auch so eigenartig, weil wir am unteren Ende keine Hände haben wie unsere haarigen
Verwandten. Aber es geht sich auch schlecht auf Händen, wie sich bei denen immer wieder
zeigt.
Kein Kleidungsstück, wenn man
Schuhe so nennen darf, liegt uns so nahe am Körper, am ehesten noch die Unterhose, aber
die ist selten aus Leder und auch nicht solchen prägenden Strapazen ausgesetzt. Getragene
Schuhe zeigen in ihrer Verformung den Ab- und Ausdruck unseres Erdenwandels, unserer
besonderen Lebensweise, unseres krummen Gestells, unserer Gewohnheiten, unserer Vorlieben,
unserer Dynamik und unseres Geschmacks.
Ob einer viele Schuhe hat oder
wenige, ob er praktisch oder ästhetisch bestimmt ist, ob er ordentlich ist oder
wurschtig, ob er schnell geht oder vorsichtig, ob er überall hineinsteigt oder das
Pflaster vorzieht, ob er Dosen kickt oder sittsam bleibt, ob er radelt oder Auto fährt,
ob er mehr Putzer oder Benutzer ist, an seinen Schuhen wird man ihn erkennen. Und die
versammelten Schuhe geben auch noch Auskunft über die Vielfalt seines gesellschaftlichen
Lebens, über seine Marotten, Vorlieben und Eitelkeiten, über seine Sportarten und auch,
wie engagiert er diese betreibt, und besonders aber über seine Selbstgestaltung.
Es gibt viele Gründe, einen bestimmten Schuh zu
kaufen, das Design gefällt, der Anspruch, der Stil, ob elegant, sportlich, rustikal,
funktional, ob für den Abend, fürs Theater oder den Ball, auf den man nicht (mehr) geht.
Auch ein günstiger Preis verführt den Liebhaber, oder die Sammelleidenschaft, wenn der
blaue Sneaker mit gelber Kunststoffsohle noch fehlt, wenn der Ausgewählte zu einem Gewand
passt, zum Stoff, zum Schnitt, zum Stil. Schließlich braucht es Spielmaterial, will man
sich auch nur halbwegs gestalten, da sind schon einige Schuhe vonnöten. Als soziale Wesen
tragen wir uns unausgesetzt zu Markte, übermitteln mit unserer Verpackung Botschaften von
unserer Wesenheit, unserer Befindlichkeit. Die Auslegung seiner selbst, das Layout, ist
schließlich eine tägliche Herausforderung für den Designer. Verpackung sei heutzutage
fast alles, meinen die Verkäufer.
Schuhe sind einerseits Teil der Garderobe, zu
jedem Anlass, zu jeder Kleidung und zu jeder Farbe gibt es die entsprechenden Schuhe.
Ländliche und urbane, elegante und klobige, niedere und hohe, offene und geschnürte,
kühle und warme, strapazige und modische, seriöse und exotische. Schuhe sind aber auch
Werkzeuge zur Bewältigung von Aufgaben: Die Eleganten für den Abend, die für die
Sommer- und Winterstraße, Badeschlapfen für das Wasser und außerhalb, Sandalen und
Clogs, die Schuhe fürs Wandern, Bergsteigen, Klettern, Schifahren, Langlaufen, Joggen,
Rennradfahren, Golfen, Jagen, Segeln usw. usf., fast jede Tätigkeit erfordert spezielles
Schuhwerk. Der kretische Bauer und der Soldat der Wehrmacht sind ohne Stiefel undenkbar,
der Fischer und der Besucher Venedigs brauchen Gummistiefel mit anvulkanisierten
Gummihosen, der Gangster liebt grelle Zwei-Farben-Modelle, der |
[GROSSE ANSICHT] |
Sicherheitsschuh hat eine Stahlkappe, der Schlittschuh angeschraubte
Kufen, Rollschuhe bringen rollende Reibung, die Steigeisen bewältigen Masten wie
Eishänge.
Hohe Absätze machen größer, nicht nur
Exbundeskanzler Helmut Schmid, spitze Schuhe machen zierlich, Texasstiefel abenteuerlich,
Sneakers pantherhaft, Absatzplättchen resolut, Ledersohlen rutschig, Profilsohlen
traktorig, Schlüpfer bequemer, Flossen im Wasser schneller, durchgezogene Riemchen zum
Segler, schwarze Schaftstiefel diktatorisch, keine Absätze gesund, schwere Schuhe
Bodenhaftung, hohe Halt, der Hausschuh Gemütlichkeit usw. usf.
Das alles sind Beobachtungen aus der Welt der
Herrenschuhe, selbst noch so extravagante Böck, Huf, Kurbler, Treter, Boots, Patschen,
Sneaker, Schlapfen, Schinaggeln u. dgl. mehr sind nüchterne Gebrauchswerkzeuge im
Vergleich mit den Paradiesvögeln der Damenwelt. Eine große Vielfalt an Materialien,
Konstruktionen, Formen und Farben bringt das Wunder der Damen-Fußmode hervor. Wie bei den
Kleidern wird auch hier das Reich der Männer nicht einmal ignoriert. Was den Herren
Pflicht und Kür in einem ist, ist den Frauen bestenfalls eine lästige, wenig beachtete
Notwendigkeit, zum Hosenanzug getragen, beim Golfen oder bei Schnee.
Bei fast allen Tierarten sind die Männchen
"die Schöneren", sie tanzen den Weibchen vor, und die haben das Zuschlagsrecht,
ist doch ihr Aufwand mit dem Nachwuchs ungleich größer. Auch die Menschen-Frauen haben
den weitaus größeren Aufwand, und trotzdem sind sie es, die "so schön" sind,
damit nämlich aus den glotzenden Männern der passende herausgeklaubt werden kann. [...]
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