kunst ost (dokumente) energie.macht.kunst
Eine Einführung von Mirjana Peitler-Selakov
Einerseits werden die Energiereserven immer knapper, anderseits
ist die Nachfrage größer denn je. Um die verbleibenden Ressourcen werden Kriege
geführt. Es droht ein drastischer Klimawandel, gelingt es nicht, von kohlendioxidreichen
Brennstoffen auf andere Möglichkeiten umzusteigen. Beides beschäftigt zunehmend die
internationale Politik und birgt enormes Konfliktpotential.
Keiner der großen Industriestaaten besitzt ausreichende
Energieressourcen, um seine Wirtschaft selbst ausreichend mit Energie versorgen zu
können. Zwar gibt es noch einige Reserven, doch diese auszubeuten hieße, den Klimawandel
massiv zu forcieren; mit allen zu erwartenden katastrophalen Folgen.
Einer der Auswege ist es, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu stärken, die es jedem
Land ermöglicht, sich selbst mit Energie zu versorgen. Der Energiemix richtet sich dabei
jeweils nach den klimatischen und geographischen Bedingungen. Und es sollte endlich eine
internationale, weltweite Umweltorganisation geben, die Konflikte friedlich zu lösen
hilft. Konsens und Diplomatie statt Konfrontation und Drohgebärde. Internationale
Verträge statt Koalitionen der Willigen und Mächtigen. 1)
Energie als Machtfrage und als Thema in der Kunst
Energie als Thema eines Kunstprojektes kann auch als Metapher
verstanden werden, welche der Kunst die Möglichkeit gibt eine (geo-) politische Aussage
über unsere Gesellschaft zu treffen. Der Besitz oder die Kontrolle der
Energiequellen ist eine der Zielsetzungen der Politik des 20. Jahrhunderts gewesen. Mit
dem Energiethema sind die Habsucht, die Hoffnung, der Frieden und die Verwüstung
verbunden. Oder auch Fragen nach Ökologie, globaler Erwärmung, Wirtschaft, Energiekrise
und Kriegen.
Heutzutage gibt es verschiedene alternative Energiequellen, die wir gerade angefangen
haben zu erforschen.
So beschäftigen sich auch einige
KünstlerInnen mit der Notwendigkeit, für die Zukunft der Menschheit und des Planeten in
die Energie zu investieren. Das scheint mir durchaus ein wichtiges Thema zu sein, aber in
vorrangig für jene Projekte, die sich auf der Linie zwischen Kunst, Wissenschaft und
Technik bewegen. Was mir zurzeit als ein relativ wenig interessanter Aspekt für die
Region erscheint. Da die menschliche Spezies intelligente Wesen hervorbringt, die immer
wieder neue Idee haben, welche sich durch die Ansätze in Wissenschaft und Forschung, in
Erfindungen zeigen, sollten wir uns darüber wenig Sorgen machen.
Aber auf die Machtfragen der Energiepolitik aufmerksam zu
machen, wäre eines der Themen, welches die Ausstellung im April aufgreifen sollte. Diese
Fragen sind in der Energiedebatte bislang zu kurz gekommen.
Die Ausstellung soll sich mit der jetzige Energiekrise befassen,
die der Menschlichkeit gegenüber steht, die aber gelöst werden muß, eigentlich um die
Bedürfnisse von einem kleinen Teil der Menschen zu erfüllen. Die Frage ist: Wer ist da
gemeint bzw. von welchen Bedürfnissen reden wir?
Die Bedrohung durch eine ökologische Katastrophe ist sicher
ernst zu nehmen und wir Menschen müssen darauf eingehen. Das ist gut so. Aber verdecken
die Anstrengungen, eine solche Katastrophe zu vermeiden, nicht die Suche nach ihren
Ursachen, die in der gegenwärtigen Gesellschaft liegen? Die Ursachen werden nicht offen
analysiert, bloßgestellt oder gar angegriffen. Stattdessen werden uns in diesem
Zusammenhang nur die Bedrohungen von außen serviert: Für den Westen vom Osten und für
den Osten vom Westen. Aber von wo kommt die Gefahr tatsächlich?
Die Gesellschaft, in der wir leben, ist reich. Sie möchte aber
reicher und größer sein. Das funktioniert durch die Erzeugung eines Zustandes der
Dauer-Gefahr. So wird der Zustand der Gefahr verewigt, werden Verteidigungsstrategien
angeboten. Gerade die Verteidigung macht für einen Großteil der Menschen das Leben
anscheinend wertvoller und sinnvoller, blendet die Gründe dafür aus.
Es gehört zur Absicht der Ausstelllung im April (Arbeitstitel:
energie.macht.kunst"), diese Themen kritisch zu hinterfragen und die Wurzeln
solcher Entwicklungen zu erforschen. Als einer der zentralen Aspekte erscheint dabei eine
genauere Prüfung, welche Werte eine Gesellschaft erreicht und als wichtig etabliert hat.
Zum Beispiel die Befreiung von schwerer körperlicher Arbeit, was eines der großen Ziele
der Moderne war. Das wurde durch den enormen technischen Fortschritt erzielt, hat aber
andere Formen von Kontrolle mit sich gebracht.
Deshalb ist es wichtig, die Intensität, Befriedigung und den
Charakter der menschlichen Bedürfnisse, die über das biologische Niveau hinausgehen, zu
klären. Herbert Marcuse schreibt dazu Ob die Freiheit etwas zu tun oder zu
lassen, zu genießen oder zu zerstören, zu besitzen oder zu rückzuweisen als ein
Bedürfnis erfasst wird oder nicht, hängt davon ab, ob sie für die herrschenden
gesamtgesellschaftliche Interessen" als wünschenswert und notwendig angesehen
werden kann oder nicht." 2)
Welche sind die herrschenden Bedürfnisse von heute? Die meisten
der herrschenden Bedürfnisse sind in der Werbung leicht zu finden: Sich entspannen,
vergnügen, benehmen und konsumieren. Oder zu hassen und zu lieben, was andere hassen und
lieben. Das sind aber keine echten Bedürfnisse".
einzigen Bedürfnisse, die einen uneingeschränkten Anspruch auf
Befriedigung haben, sind die vitalen: Nahrung, Kleidung und Wohnung auf dem erreichbaren
Kulturniveau. Die Befriedigung dieser ist die Vorbedingung für die Verwirklichung aller
Bedürfnisse.
Charakteristisch für unsere heutige fortgeschrittene Gesellschaft ist, dass sie
diejenigen Bedürfnisse wirksam unten hält, die nach Befreiung verlangen, indem sie die
unterdrückende Funktion der Gesellschaft im Überfluss" unterstützt.
Die Bedürfnis nach diversen Arten der Entspannung, nach freiem
Wettbewerb, nach freier Presse (die sich selbst zensiert), nach freier Auswahl zwischen
verschiedenen Marken bei grundsätzlichem Konsumzwang. Die entscheidende Frage ist dabei,
was gewählt werden kann und was vom einzelnen gewählt wird.
Eine freie Auswahl von Waren und Dienstleistungen bedeutet keine
Freiheit, wenn die Güter und Dienstleistungen die soziale Kontrolle über ein Leben von
Mühe und Angst aufrechterhalten. Und die spontane Erzeugung neuen Bedürfnissen durch das
Individuum stellt keine Freiheit her, sondern sie zeigt nur die Wirksamkeit der Kontrolle.
In letzter Instanz muss die Frage, was wahre und was falsche Bedürfnisse sind, von jedem
Einzelnen selbst beantwortet werden. Deshalb kann sich auch kein Tribunal legitimerweise
die Befugnis nehmen, darüber zu entscheiden, welche Bedürfnisse entwickelt und
befriedigt werden sollten. Das ist auch nicht Ziel dieser Ausstellung, sondern einmal
öffentlich und laut über das Thema nachzudenken. Wie hängen unsere Bedürfnisse mit
einem konkreten Energiebedarf zusammen, der immerhin ungefähr drei Welten verlangen
würde, wenn wir allen Menschen auf Erden den gleichen Energieverbrauch zugestehen
würden.
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[Das April-Festival]
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